Einzelnen Beitrag anzeigen
  #7  
Alt 12.09.2007, 00:16
Rungi Rungi ist offline
Neuer Benutzer
 
Registriert seit: 12.09.2007
Beiträge: 5
Standard AW: Leberkrebs bei jungen Menschen

Normalerweise treibe ich mich eher in irgendwelchen technischen Foren herum. Dass ich hier mal lande, hätt’ ich auch nicht gedacht...

Aber seit 2 Wochen recherchiere ich nur noch in Sachen Leberkrebs, Chemo, Sorafenib, Yttrium, HCC, CCC – um nur einige Schlagworte zu nennen – und irgendwann war ich hier. Schon seit etlichen Tagen lese ich hier rum, manche Geschichten machen einem Mut, andere sind leider eher traurig – dann las ich den Beitrag von Kopi – diese Geschichte will ich hier ergänzen:

Ich bin 57 Jahre, männlich, und wie ich hoffe, altersgemäß gesund.

Das war meine Tochter (27 J.) vor 3 Wochen auch noch. Dann hatte sie ein komisches Druckgefühl unter dem Brustbein. Ihre Internistin machte Ultraschall und schickte sie in die Röhre. Dort fand man große schwarze Schatten in/auf der Leber. Anschließend ging es direkt ins Krankenhaus. Eine erste Leberpunktion sah zu gut aus, so dass man wusste, DIE Probe war nicht repräsentativ. Ultraschall entdeckte etwas Wasser im Bauch, möglicherweise noch eine Zyste an den Eierstöcken und man entschloss sich, statt einer zweiten Punktion eine Bauchspiegelung zu machen um sich div. Organe anzuschauen und eine sichere Leberprobe zu nehmen.

Es bestätigte sich der Verdacht: Leberkrebs! Ob CCC oder HCC stand zunächst nicht fest. Die Tumore sollen so 12 bis 24 Monate alt sein. Die Blut und Leberwerte sind bis auf einen soweit noch gut. Der eine ist normal zwischen wenig und 200, bei ihr 400 – der Chefarzt sagte, es gäbe Leute, die haben über 4000 und sind noch nicht gelb. Er sagte auch, dass man es der Umsichtigkeit der Internistin zu verdanken habe, dass der Krebs überhaupt entdeckt wurde. Bei einer 27-Jährigen rechnet man normalerweise nicht damit.

Es war auch von Transplantation die Rede, und für alle weiteren Maßnahmen machte man einen Termin mit einer Uniklinik.

Nach einer erneuten CT dort und dem Eintreffen des Laborergebnisses der zweiten Leberprobe stand es dann fest: CCC, nicht mehr operabel, keine Transplantation, keine Lebendspende. Der Arzt sagte uns: "Es gibt nur eins: Chemo. Aber sie werden an diesem Tumor sterben!"

Wir haben uns in den Armen gelegen und gemeinsam geweint.

Meine Tochter sagte: "Ich mach keine Chemo. Lieber habe ich noch schöne 6 Wochen, als nur im Krankenhaus dahinzusiechen!"

Der Arzt sagte mir später, Prognose ohne Chemo sei so 6 Monate - aber: die Aggressivität des Tumors habe den großen Vorteil, dass er um so empfindlicher gegen die Chemo ist.

Der Arzt arrangierte schnell einen Termin mit der Onkologie-Oberärztin. Die kam in Zivil von einem Meeting vorbei, ca. 35 - 40 Jahre alt, schick, sympathisch, Vertrauenseinflößend, und sagte, ... kein Kittel, .. eben Meeting, Entschuldigung, ... aber Sie müssen auf jeden Fall Chemo machen!

Ich sagte, meine Tochter hätte lieber noch 6 Wochen Hully-Gully, als 2 Jahre im Krankenhaus ohne Haare mit kaputter Haut dahinzusiechen...

Da meinte die Ärztin - und das war die Wende: "Wie ist jetzt Ihr körperliches Empfinden?" - "Gut, bis auf ein bisschen Druck im Bauch - sonst gar keine Beschwerden"! - "Sehen Sie, mit der Chemo können wir diesen Zustand versuchen aufzuhalten"!

Ich weiß die genaue Formulierung nicht mehr - ob können oder werden, ob mit oder ohne versuchen - wie auch immer – auf jeden Fall diesen Zustand so lange wie möglich zu halten!

Und das Ganze auch nicht stationär, sondern ambulant. Jede Woche mal hinfahren, 1-2 Stunden Tropf, und dann wieder nach Hause. Und die Nebenwirkungen? Ihre Zimmernachbarin, 56J., vor 9 Jahren Brustkrebs mit Chemo, jetzt plötzlich wieder Chemo und dann doch noch die halbe Leber raus vor einer Woche, immer noch ohne Haare, meinte: Nebenwirkungen? Teilweise war mir nach Shopping richtig mit viel Energie, manchmal aber auch nur müde im Sofa nach Fernsehen... Ich sagte, das kenne ich auch ohne Chemo.

Wir haben wieder Hoffnung bekommen. Vielleicht ja in einem, zwei, oder gar in 5 Jahren – wer weiß – die Medizin bleibt ja nicht stehen, vielleicht kann man dann ja sogar wieder schneiden...?

Wir haben in den Tagen über alles gesprochen, über das Leben, über den Tod und über das Leben nach dem Tod. Wir haben vor dem Cafe gesessen, kopfschüttelnd den tiefstimmigen und glatzköpfigen Patienten beim Rauchen zugeschaut.

Schlimm war, als sie zwischendurch mal - aus relativ "heiterem" Himmel - plötzlich mit feuchten Augen sagte: "Ich möchte aufwachen!" - "Wie, was?" - "Ja, aus diesem Alptraum!"

Sie sagte, auch morgens, wenn sie wach wird, es dauert lange, bis sie wieder realisiert, es ist im Krankenhaus, es ist immer noch der selbe Film.

Das war letzten Donnerstag. Freitag bekam sie dann einen Port und wurde entlassen.

Gestern, Montag, war das „Chemo-Briefing“. Während wir warteten, nahm sich meine Tochter die Broschüre „Leberkrebs“ und blätterte darin. Ich sah, dass sie ernüchternden Inhalt las. Ihre Augen wurden glänzend und sie bemühte sich, sich nichts anmerken zu lassen. Sie will uns (Eltern) schonen.

Die sympathische Oberärztin ging mit uns die einzelnen Punkte durch und erklärte uns die Risiken und deren Wahrscheinlichkeiten. Sie strahlte Ruhe und Vertrauen aus. Es gab noch diverse Röntgen- und Blutuntersuchungen. Wir fragten noch nach alternativen Methoden, z.B. SIRT. Aber das geht alles erst nach Chemo.

Dann hieß es, die Chemo beginne doch noch nicht morgen, sondern erst Freitag oder nächsten Montag. Wegen des Ports, und weil sie noch nicht so weit sei...

Wir gingen durch die Klinik, weil wir für die Akten Post spielen mussten.

Ihre Leber begann zu schmerzen. Sie kann auch nicht mehr ganz so tief einatmen. Wir gingen wieder zur Onkologie. „Eine Reizung, weil es der Leber etwas eng wird!“. Sie bekam ein Schmerzmittel. Eine leichte Wirkung war nach 20 Minuten zu erkennen.

Wir machten noch ein paar Einkäufe und traten dann die Heimfahrt an. Ich übergab sie ihrem Freund, der gerade von der Arbeit kam.

Heute fragte ich noch mal nach wie’s ihr geht. „Es ist eng und die Leber schmerzt. Mama ist da.“ - „Wenn’s nicht besser wird, müsst Ihr dort anrufen!“ - Aber die Klinik hat angerufen: Nun wird die Chemo doch Morgen schon beginnen. Man hat an den Blutwerten einen erhöhten Tumorwachstumsfaktor erkannt. Gestern haben wir auch die CD der letzten CT bekommen. Ich hatte schon nachgesehen. Der Große im rechten Leberlappen ist markiert worden mit 157 x 68 mm. Links sind nur ein paar Kleine.

Jetzt habe ich gelesen, dass SIRT auch gemeinsam mit Chemo geht – neue Perspektiven - es geht weiter!





Ich träume in den letzten Wochen immer Träume, die mit dem jetzigen Zustand überhaupt nichts zu tun haben, als wenn mein Schlaf mich in völlig andere Leben treibt - um dann wach zu werden und das ganze Elend ist wieder da!

Vor 3 Wochen war die Welt noch in Ordnung. Jetzt ist sie eine andere geworden: unwirklicher, kälter, einsamer, überflüssiger....
Mit Zitat antworten