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Alt 21.06.2018, 00:38
lotol lotol ist offline
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Standard AW: Kind hat Angst vor seinem krebskranken Vater

Liebe spice,

das Ganze hört sich nach einem ständigen Alptraum an, der alle belastet und deshalb höchst destruktiv für ein "normales" Familienleben ist.
V.a. Kinder müssen sich in einer Familie "sicher aufgehoben" fühlen können.

Wenn das in Ausnahmesituationen immer wieder nicht mehr der Fall ist, "zerbröselt" unweigerlich die ganze Familie.
Erste Anzeichen davon sind leider bei den Kindern bereits feststellbar.

Zitat:
Ich arbeite Vollzeit, die Kinder sind in Ganztags-Kita und -Schule untergebracht.
Mein Mann war bisher tagsüber also allein zuhause, bis zu der letzten Eskalation im Mai hat er die Kleine in die Kita gebracht und wieder abgeholt, jetzt natürlich nicht mehr. Aber auch er sollte eigentlich nicht mehr allein daheim sein (auch wenn wir durch Notfalluhr mit Sturzsensor etwas abgesichert sind).
Die evtl. Begleitung Deines Mannes (tagsüber) ist ein anders gelagertes Problem, das sich auch leichter lösen können dürfte.

Wenn ich den Tagesablauf richtig verstehe, ist es möglich, daß Du mitsamt Kindern morgens verschwindest und Ihr auch gemeinsam abends wieder daheim eintrudelt.
Läßt sich das evtl. so organisieren?
Denn das würde die Bewältigung des eigentlichen Problems erleichtern können.

Zitat:
Für meinen Mann ist das natürlich auch schrecklich, gerade, weil er merkt, dass sein Sohn Angst hat. Er hat darum auch auf ein starkes Notfallmedikament gedrängt, das wir jetzt auch haben und wovon er sehr schnell einschläft. Das haben wir auch schon beim letzten Mal eingesetzt und es hat gut funktioniert (zumal er da gar nicht aggressiv war, nur eben verwirrt). Ich denke, die reale Gefahr ist dadurch eher nicht mehr so gegeben.
Daß Dein Mann selbst auf ein starkes Notfallmedikament drängte, zeigt, daß er bereit dazu ist, Konzessionen für den Notfall zu machen, was sachlich sicher angebracht ist.

Zitat:
Aber mein Sohn kann das nicht glauben. Gestern hat er nochmal betont, dass er mit seinem Vater nicht mehr in einem Gebäude sein will (am liebsten nur noch skypen ).
Ich habe nur keine Ahnung, was man da machen kann. Wie gesagt, außerhalb der Krampfanfälle ist mein Mann (noch?) total normal, körperlich und kognitiv.
An der Stelle Deines Sohnes würde ich das auch nicht glauben.
Wie sieht es denn mit dem Notfallmedikament aus, wenn Dein Mann bereits "ausgerastet" ist und dann evtl. gewalttätig wird?
Wie funktioniert das mit dem Medikament dann bzw. kann das dann überhaupt noch funktionieren?

Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, daß man jemand, der nicht mehr bei Sinnen ist, dazu auffordern kann, nun gefälligst ein Medikament einzunehmen.
Wie wird das Medikament denn verabreicht?
Tabletten einnehmen, oder wird das gespritzt?
Könnte alles schwierig werden, wenn jemand ausgerastet ist.

Kurzum:
Die Bedenken Eures Sohnes sind für mich nachvollziehbar.
Andererseits ist es aber natürlich ein Unding, daß er daran denkt, sich einfach "ausblenden" zu wollen.
So geht das nicht.
Denke, diesen "Zahn" müßt Ihr Eltern ihm gemeinsam "ziehen".

Er mag noch so "empfindlich" sein, was aber auch nichts daran zu verändern vermag, daß er lernen muß, mit dieser Situation umgehen zu können, auch wenn er erst 9 Jahre alt ist.

Im familiären Zusammenhalt kann es Situationen geben, in denen mögliche Konflikte einfach "ausgeschaltet" werden müssen.
Was auch unter allen Umständen immer möglich ist, wenn alle guten Willens sind.

Korrigier mich bitte, wenn ich versuche, die Situation einigermaßen richtig zu umreißen:
1) Du und Eure Kinder sind Deinem Mann/ihrem Vater an Körperkraft hoffnungslos unterlegen, wenn er gewalttätig werden sollte.

2) An sich mußt nun Du der "ruhende Fels in der evtl. Brandung" sein, weil Dein Mann das nicht mehr uneingeschränkt sein kann.
Das wißt Ihr wohl beide ganz genau.

3) Im Grunde genommen seid Ihr alle (mehr oder weniger) durch die unerwarteten/ungewohnten Eskalationen von Gewalt geschockt.
Dabei muß man m.E. aber etwas differenzieren:

a) Mann/Vater versteht das weder noch will er das - er kann nichts dafür, weil das wohl nur eine mögliche Folge seiner Behandlung ist.
Er will sich deshalb aber nicht "ausgeschlossen" fühlen, sondern ist viel mehr bereit dazu, Konzessionen zu machen.

b) Frau/Mutter hat solche Eskalationen auch noch nicht erlebt, kann aber als Erwachsene besser damit umgehen, das als Ausnahme einzuordnen.

c) Sohn (9 Jahre alt) kann das alles gar nicht richtig einordnen, ist total verunsichert und hat nur noch Angst.
Er hat wohl das größte "Sicherheits-Defizit"

d) Tochter (3 Jahre alt) kann erst recht nichts mit der ganzen Situation anfangen.
Sie hat aber wohl alles als verwunderlich und erschreckend registriert.
Was meinst Du wie traumatisiert sie dadurch ist?

Du fragst danach, was man da evtl. machen kann.
Es gibt ein über 2000 Jahre altes "Sinnbild" dafür:
"Si vis pacem para bellum!"

Was in etwa bedeutet:
Willst Du Frieden (erreichen können) bereite den Krieg vor!
(Nicht in der Absicht, einen Krieg führen zu wollen, sondern viel mehr, um für einen evtl. Krieg so gerüstet zu sein, daß man ihn auch todsicher gewinnen kann.
Was viel mehr mit Selbstverteidigung und Abschreckung zu tun hat als mit aggressiven Kriegshandlungen.
Ist, nebenbei, ein "Sicherheitskonzept", das auch heute noch erfolgreich praktiziert wird, z.B. per NATO.)

Innerfamiliär läßt sich sowas durchaus auch praktizieren:
Redet deshalb offen und ehrlich miteinander!
Und versucht dabei, Sicherheitsdefizite "ausgleichen" zu können.

Denn worum geht es denn eigentlich genau?
Wenn nicht darum, Deinen Mann/den Vater ggf. und nur notfalls (wenn er aggressiv wird/ist) "neutralisieren" zu können.
Genauer gesagt, ihn "kampfunfähig" machen zu können, bevor er größeren Schaden anrichten kann, den er eigentlich gar nicht beabsichtigt.

"Rüstet" Euch also "auf" - Du selbst und Deine/Eure Kinder.
Um evtl. Attacken Deines Mannes/des Vaters mit Sicherheit widerstehen zu können.
Mit Pfefferspray o.ä. Geeignetem.

Das alles kann völlig einvernehmlich geschehen:
Wenn Dein Mann bei Sinnen ist, wird er dem wohl ohne weiteres zustimmen können:
Daß seine evtl. Aggressivität einfach "ausgeschaltet" werden kann.
Er will ja auch - genau so wie Du - daß die Familie wg. seiner Krankheit nicht "auseinander bricht".

Hilf ihm bitte dabei, die Familie "zusammenhalten" zu können.
Wie auch immer Ihr das gestalten wollt:
Es ist das primäre Anliegen aller Eltern!
Selbst, wenn es das Letzte sein sollte, was sie für ihre Familie noch tun können.

Eure Kinder begreifen das alles nicht:
Bringt sie deshalb bitte wieder gemeinsam "in die Spur".


Liebe Grüße
lotol
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Krieger haben Narben.
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1. Therapie (2016): 6 Zyklen R-CHOP (Standard) => CR
Nach ca. 3 Jahren Rezidiv

2. Therapie (2019/2020): 6 Zyklen Obinutuzumab + Bendamustin => CR
Nach ca. 1 Jahr Rezidiv, räumlich begrenzt in der rechten Achsel

3. Therapie (2021): Bestrahlung
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