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Alt 31.05.2011, 21:28
Ric Ric ist offline
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Standard AW: Platz für positive, mutmachende und erfreuliche Nachrichten

Hallo Zusammen,

nachdem ich mich schon seit einiger Zeit durch dieses Forum lese, habe ich jetzt den Entschluss gefasst meine Story zu verfassen.

Ich bin 25 und mein Freund 37. Im Februar diesen Jahres, wir waren grad mal ein halbes Jahr zusammen und heftig verliebt, ertastete er eine große Verhärtung im Bauchraum und fragte mich ob das normal ist...... ich habe ihm gesagt er soll zum Arzt gehen, dachte an eine verdickte entzündete Milz oder so (wer denkt denn sofort an Krebs in dem Alter?)

Er ging zum Hausarzt und es folgte ein Arztbesuch nach dem anderen und die Nachrichten wurden immer schlechter. Nach der ersten Nadelbiopsie hieß es GIST - Wildtyp, da Staining von c-Kit, PDGFR negativ waren. Man solle es mit Glivec 400mg versuchen (obwohl bekannt ist das Wild-typ GIST darauf nicht anspricht....) Für uns brach die Welt zusammen nachdem es hieß der Tumor sei bereits 15 cm groß und nicht operabel. Der nächste Scan zeigte eine Tumorprogression von 3 cm unter 400mg Glivec. Mein Freund ging zu seinem Onkologen und dieser meinte relativ ratlos er solle halt 800mg nehmen und nach Hause gehen. Verständlicherweise verlor mein Freund die Nerven und sagte "Verdammt nochmal das ist mein Leben - Sie können mir doch nicht einfach sagen ich soll nach Hause gehen und gut!!!!!" Daraufhin drohte besagter Arzt mit der Polizei falls der KREBSPATIENT!!! sein Temperament nicht zügeln würde....... Dieser blöde Mistkerl sollte meiner Ansicht nach seinen Ruhestand auf dem Golfplatz feiern und nicht mehr in die Nähe von Patienten kommen.

Zum Glück haben mein Freund und ich uns zu diesem Zeitpunkt nicht von unseren Gefühlen übermann lassen, sondern sind so analytisch wie möglich vorgegangen um die besten Ärzte und Therapien herauszufinden. Der nächste Schritt war nach Kanada zu fliegen. Mein Freund ist Kanadier und seine Familie lebt in Vancouver. Aufgrund der Lage dachten wir wir sollten die Familie aufsuchen..... Praktischerweise gibt es dort einen sehr bekannten GIST Spezialisten - Dr. Blanke. Wir flogen also nach Vancouver. Glücklicherweise konnte ich mich für 7 Wochen von der Arbeit freistellen lassen.

Blanke wollte nicht lange herumexperimentieren und empfahl uns einen der weltweit besten Chirurgen Dr. Billingsley in Portland, Oregon USA aufzusuchen. Gesagt getan. Dr. Billingsley betonte den Ernst der Lage, sah sich aber imstande zu operieren (wären wir bei dem ersten Arzt geblieben wär das sein Todesurteil gewesen).

Die Operation wurde kurzfristig 2 Wochen nach Erstgespräch mit Dr. B. durchgeführt; er verlegte dafür sogar einige Termine. Laut Dr. Blanke und Dr. Billingsley konnte man aber nicht absolut sicher sein das es ein Wild-typ GIST sei, jedoch war nicht genügend Zeit für eine weitere Biopsie. Es wurde operiert. 13 Std!!!! dauert die OP - seine Mutter und ich haben das Wartezimmer währenddessen nicht einmal verlassen.

Es wurde eine radikale Multiorganresektion durchgeführt und ein Tumor in Größe einer Wassermelone entfernt (22 x 21 x 13 cm). Neben dem Tumor wurde ein Teil des Pankreas, ein Teil der Leber aufgrund einer kleinen Metastase, die linke Niere, die Milz, ein Teil vom Dünndarm und ein Teil vom Dickdarm entfernt.

Die Operation verlief in Anbetracht der Umstände fantastisch. Tumor und Metastase wurden in weitem Sicherheitsabstand mit intakter Kapsel entfernt - chirurgisch eine absolute Meisterleistung - R0 Resektion!

Es folgten 4 grauenhafte Tage auf der Intensivstation mit einer Menge Schläuchen, Morphium, Schmerzen, Halluzination aufgrund des Ketamins..... Nach 4 Tagen kam er auf die normale Station und es wurde von Tag zu Tag immer besser und weniger Schläuche. Nach 9 Tagen wurde er tatsächlich schon entlassen!!!!

Der Pathologe erhielt nach der Operation mehr als genug Biopsie Material. Die entgültige Diagnose: LEIOMYOSARKOM Grade III, Stage T2bN0M1 - geht es noch schlimmer???

Ich musste wieder nach Hause fliegen und zurück zur Arbeit. Mein Freund blieb noch weitere 5 Wochen in Vancouver bei der Familie da er auch noch mal zur Nachuntersuchung nach Portland fahren musste und er für den langen Flug noch nicht fit genug war. Sich unter diesen Voraussetzungen 5 Wochen nicht zu sehen war die Hölle. Gott sei Dank gibt es Skype.

Da ich mich im medizinischen Bereich ganz gut auskenne und auch private Kontakte im onkologischen Bereich habe, wurde es schnell zu meiner Sache jede Information aufzusaugen und alles herauszufinden was möglich ist. Leider ist das was man über diese Art von Krebs erfährt nicht besonders erfreulich und ich habe vergeblich nach wenigstens einem Fall gesucht, der nach einer OP geheilt war..... Dieses Thema ist für uns leider noch nicht vom Tisch - es hat gerade erst angefangen.

Ich kann nur versuchen so optimistisch zu sein wie möglich und lasse die Statistiken ausser Acht. In diesem Forum befinden sich schließlich auch Leute, die den Statistiken schon das Gegenteil bewiesen haben. Ich kann nur raten, die Behandlung so aktiv wie möglich selbst zu entscheiden und grundsätzlich ALLES in Frage zu stellen was einem erzählt wird, denn Ärzte sind auch nur Menschen. Menschen können sich irren. Was der eine nicht operieren kann, das kann vielliecht ein anderer wie man in unserem Beispiel sehen konnte.

Adjuvante Chemotherapien und Bestrahlungen des Abdomens haben bisher mehr Schaden als Nutzen gezeigt, daher sollte sich jeder genau überlegen ob er soetwas über sich ergehen lassen möchte, wenn es kaum einen positiven Effekt aufs Gesamtüberleben gibt. Da mein Freund derzeit NED (non evidence of disease) ist, gibt es erst Recht keine empfohlene Nachbehandlung ausser Abwarten. Abwarten ist für uns keine Option, wenn man doch im Klaren ist das ein Rezidiv bei dieser Krankheit kaum zu vermeiden ist. Er nimmt ab Anfang Juni an einer Klinischen Studie in Seattle teil bei der gegen diese Art von Krebs "geimpft" wird. Klar ist das experimentell, zumindest aber eine Phase II Studie und er hat ein noch häufigeres Follow up als die regulären 3 monats Checks. Da das Rezidivrisko in den ersten 2 Jahrem am höchsten ist, ist dies schonmal sinnvoll, da man es im Falle eines Falles sehr früh entdeckt...

Ich hoffe hier bald mal mehr Erfolgsgeschichten zu lesen. Ich drücke Euch Allen ganz fest die Daumen.

Be strong and fight!

Geändert von gitti2002 (10.02.2012 um 23:06 Uhr) Grund: zusammengeführt
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