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Alt 06.02.2002, 12:49
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Standard Trauer - und kein Ende?!

Liebe Sandra,
ich kann eigentlich nicht sagen, das mein Mann mir die Stütze ist /war, die ich im letzten Jahr benötigt hätte.Er ist ein Mensch , der sich mit seinen Gefühlen sehr schwer tut (habe ich in ihm meinen Vater gesucht ?) und es gab in unseren gemeinsamen 12 Jahren einige Situationen, in denen ich mich sehr alleine gefühlt habe.
Die Ursache seiner Probleme liegt in seinen schlimmen Kindheitserlebnissen, aber ich kann es nicht immer als Entschuldigung vor mir selbst gelten lassen, (er selbst leidet ebenfalls unter seiner "Gefühlsarmut" )
Solche Extremsituationen wie der Tod meines Vaters decken "Schwachstellen" einer Beziehung sehr schnell auf... Im letzten Jahr gab es eine Phase, in der ich nicht wusste, ob wir unser Leben gemeinsam weiterführen werden (ich hatte Dir ja am Anfang geschrieben, dass ich in einem Veränderungsprozess bin), da habe ich mich sehr in mich zurückgezogen...

Dein Vorschlag Dir von den schönen Erlebnissen mit meinem Vater zu berichten, hat mich sehr ins Grübeln gebracht, es gibt so wenig davon, wenn ich das auf mein ganzes Leben beziehe:

Ich habe 19 Jahre bei meinen Eltern gewohnt (und wenn ich gekonnt hätte, wäre ich schon eher ausgezogen...)
Ich erinnere mich daran, dass mein Vater immer spät nach Hause gekommen ist. Einmal hat er mir einen blauen Puppenstuben-Sessel in Folie eingeschweisst mitgebracht und ich war selig, weil er mir so Aufmerksamkeit zeigte, das war selten, weil er dann meist mit mir nichts anzufangen wusste...

Meine Mutter musste samstags immer arbeiten und dann kochte mein Vater (war ein Superkoch !!) und wir hatten vor ein Suppenhuhn zu essen. Sandra, ich weiss nicht wieviele Stunden das gekocht hatte und einfach nicht weich wurde. Irgendwann habe ich dann gar nicht mehr die Fage gestellt, wann wir denn essen würden, sondern habe nur um die Ecke geschaut und wir haben losgelacht. Das war etwas sehr Seltenes. Wir haben eigentlich nie ein Gespräch führen können, der einzige Tag, wo "zwangsläufig" eine Unterhaltung zustande kam, war eben der Samstag und das war immer sehr schleppend, gegen Mittag wurde es dann irgendwie besser.
Dann kam aber meine Mitter gegen 14.00 Uhr von der Arbeit, und schon hat mein Vater "den Platz geräumt", hat sich total von mir zurückgezogen....
Als kleines Kind ist mein Vater mit mir samstags einkaufen gegangen. Ich habe dann seine Hand nehmen wollen (Gott, waren die Hände gross in meiner Erinnerung), aber er hat dann meine Hand nur kurz gehalten und sie dann losgelassen. Das versteht man als Kind natürlich als Zurückweisung und ihn nach dem Grund zu fragen , habe ich mich nie getraut, dazu hatte ich zuviel Angst vor ihm (Schläge, etc..)
Meine Mutter hat mir später mal erzählt, dass es ihm einfach peinlich war, weil er feuchte Hände hatte. Dabei hat das mich überhaupt nicht gestört
, aber das habe ich erst erfahren, als ich schon gar nicht mehr mit ihm samstags einkaufen gegangen bin ...
Lockere Stimmung war auch immer, wenn wir in den Urlaub gefahren sind...zumindest auf der Fahrt)

Mein Vater war sehr musikalisch (habe ich auch von ihm), er konnte Instrumente ohne Noten zu kennen spielen, "einfach" nach Gehör und ganz toll zeichnen. Aber das hat er ganz selten mal gemacht.

Ich denke heute, dass er seine Neigungen nicht ein bisschen ausleben konnte. Ich glaube, am besten ging es ihm in seinen letzten 9 Lebensjahren, als er nach dem Tod meiner Mutter (12 Jahre her) wegzog und dann eine Freundin hatte...
So "locker"war er vorher nie gewesen und ich muss ihr zugute halten, dass sie oft versucht hat, uns einander näher zu bringen, aber das war meist sehr einseitig.
Im März 2001 hatte sie sich von ihm getrennt und im November hat er dann eine Wohnung gefunden, die er nur einige Wochen bewohnt hatte , bevor alles zu Ende war. Ich hatte die Wohnung zum ersten Mal gesehen, als wir sie auflösten....(und hat mir so unendlich leid getan, wie wenig Möglichkeiten er nach einem harten Arbeitsleben hatte, sich schöne Dinge auszusuchen...)

Sandra es gibt nicht viel Schönes, es gibt sehr viel Trauriges, da könnte ich wohl ein Buch schreiben, umso mehr hänge ich eben in den 3 Wochen fest...
Ein grosser Schock entstand, als mir die Ex-Freundin ein Tag nach Papas Tod ein Testament auf den Tisch knallte (ich musste ja wegen der Beerdigungsunterlagen dorthin fahren und der Auszug von meinem Vater war durch die Krankheiten im Vorfeld noch gar nicht richtig abgeschlossen, es waren noch Papiere bei ihr, die ich brauchte ) ,in dem mein Vater seine damalige Lebensgefährtin zur Alleinerbin bestimmte. Das hat sehr ,sehr weh getan, ich hatte das Gefühl mir die Nähe und die Liebe zueinander in den 3 Wochen nur eingebildet zu haben. Es ging mir nicht um irgendwelches Geld, es tat einfach nur sehr, sehr weh.
Und noch heute finde ich es geschmacklos, dass mir die Ex-Freundin ein Testament aus `94 vorgelegt hat . Mir war damals richtig schlecht, als ich das so serviert bekam...Aber das ist ein anderes Thema, ich denke er hat es in dem Trubel einfach vergessen...

Tut mir leid, dass Du leider nicht erreicht hast, dass mir die Erinnerungen ein Lächeln ins Gesicht zaubern konnte.(der Ansatz war schon richtig...)
Aber ich bin ganz froh die Sache mit dem Testament mal losgeworden zu sein...

Ich danke Dir fürs "Zuhören".
Katja
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