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Alt 22.06.2003, 14:36
Gast
 
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Standard Kontaktsuche bei Blasenkrebs

Hallo Karoline,
Ich hoffe, Dein Vater hat die OP gut überstanden und ist soweit wohlauf. Ich (52 Jahre) habe nächste Woche Jubiläum (1 Jahr mit Neoblase) und es geht mir gut!

Mittlerweile kennt Ihr ja wohl auch ein paar "Fachausdrücke" und ich brauche nicht alles bis in´s letzte Detail zu erläutern. Nach dreimaliger TUR innerhalb von drei Monaten (T2-a/G2) wurde mir am 24.06.02 eine Neoblase angelegt. Bei der Gelegenheit wurde auch ein Tumor T2 in der ohnehin mit entfernten Prostata festgestellt, zwei Wochen vorher wurde mir nach Abtasten noch gesagt, die Prostata sei leicht vergrößert, "da werden wir uns wohl die nächsten zehn Jahre irgendwann mal wiedersehen"! Nach 4 Tagen auf der Intensivpflege kam ich zurück auf Station und konnte endlich wieder aufstehen (die Nachtschwester hat Zustände gekriegt als ich nachts mit meinem "Fiffi" (der Infusionsständer) und meinen ganzen Beuteln daran über die Flure gelatscht bin) und hatte zuerst mal am meisten mit einem seltsamen Phänomen zu kämpfen. Es war das Mißverhältnis zwischen Gefühl und Verstand. Der Kopf wußte, daß die OP lebensnotwendig war, das Gefühl sagte, ich bin topfit und ohne Beschwerden hier reingekommen und jetzt schleiche ich wie eine Leiche auf Urlaub durch die Flure.

Im weiteren Verlauf wurden dann nach ca. 10 Tagen (ich weiß den Tag nicht mehr sicher) die Harnleiterschienen entfernt, die mir bis dahin gelegentlich Schmerzen bereitet hatten. Die Nieren waren ständig leicht gestaut und wurden öfters per Ultraschall kontrolliert, war aber unkritisch. Nach 21 Tagen wurde der Katheter aus der Harnröhre entfernt und da hatte ich ein Aha-Erlebnis: die Ärzte hatten mich darauf vorbereitet, daß ich danach zunächst den Urin nicht halten könne und lernen müßte, mit dem verbliebenen Schließmuskel das Wasser zu halten, was ich dann auch versuchte. Erst mal war ich stolz, daß das von Anfang an so gut klappte, die Überraschung kam dann am nächsten Morgen. Als ich auf der Toilette pressen mußte, um den Stuhlgang loszuwerden, trat entlang des SPK Urin durch die Bauchdecke aus!!! Das heißt, daß der Urin bei mir in liegender Haltung abfließen konnte, jedoch bei aufrechter Haltung sich die Öffnung verschloß. In der Folge entwickelte ich eine eigene Methode, die Blase zu entleeren: Mehrmals aus Rückenlage von einer möglichst hohen Liege aufstehen und dabei pressen bzw. husten. Dabei brachte ich jeweils für ca. 1 bis 2 Sekunden einen kräftigen Strahl zustande und konnte die Blase auch ausreichend entleeren. Die Ärzte haben sich übrigens köstlich über meine Methode amüsiert - kannten sie bislang noch nicht!

Da sich an diesem Zustand nichts änderte, wurde ich nach 4 Wochen mit SPK zur AHB entlassen mit dem Hinweis, wenn sich nichts ändere, müsse man in ca. 2 Monaten nochmal "schlitzen". Es blieb alles beim Alten, aber ich entwickelte immer mehr Übung beim Urinieren und vor der Nachuntersuchung holte ich mir in einer anderen Klinik noch eine zweite Meinung ein und bekam dort das Phänomen auch zum erstenmal plausibel erklärt. Es ist ganz einfach so, daß das Darmstück, weil es ja keine Muskulatur besitzt, in leerem bzw. teilweise gefüllten Zustand schlapp daliegt wie ein ausgeleierter Luftballon. In diesem Zustand legt sich bei mir eine Falte vor die Abflußöffnung und verschließt sie. Auf eigenen Wunsch blieb der SPK noch weiter drin und erst Mitte Oktober ließ ich ihn mir von meinem Urologen ziehen und es klappte auf Anhieb alles ausgezeichnet. Jetziger Zustand: Bis zu einem halben Liter speichert meine Neoblase zuverlässig ohne daß ich den Schließmuskel anspannen müßte. Nachts brauche ich nach wie vor Windeln (Vorlagen genannt) da in liegender Stellung ab ca 300 ml der Urin abzufließen beginnt und ich aufgrund meines sehr tiefen Schlafs bis heute nicht von dem "Völlegefühl" in der Blase aufwache.

Anfang November nahm ich zunächst in Teilzeit die Arbeit wieder auf und bin seit Anfang diesen Jahres wieder voll im Einsatz. Was bleibt ist Impotenz (dafür gibt´s Hilfsmittel-den Urologen fragen!) und die nächtliche Inkontinenz - mit beidem kann ich leben. Ansonsten habe ich keinerlei Einschränkungen durch die Operation.

Was Ihr sonst für ihn tun könnt - behandelt ihn wie einen ganz normalen Menschen und nicht wie einen Invaliden!!! Beschäftigung ist die beste Therapie und verdrängt nichts, redet über das Thema!!! Meine Frau hat mich noch zur AHB begleitet und sich dort einen Anderen angelacht, mit dem sie jetzt zusammenlebt. Seit Ende Januar sind wir geschieden und nachdem sich meine beiden erwachsenen Söhne weder an der Hausarbeit noch an den Kosten (Miete und Essen etc.) beteiligt haben, habe ich sie jetzt vor die Türe gesetzt. Zu Weihnachten habe ich mir selbst ein Cabrio "geschenkt" und genieße jetzt mein "neues Leben". Ich lebe heute bewußter und habe insgesamt an "Lebensqualität" eher gewonnen. Es kommt ohnehin darauf an, was man unter "Lebensqualität" versteht. Nach meiner Meinung spielt sich das ohnehin im Gefühlsbereich ab und läßt sich nicht mit dem Grad der Behinderung messen, aber auch da habe ich es besser als beispielsweise ein Diabetiker. Ich kann alles essen und trinken und mein Tagesablauf ist in keiner Weise eingeschränkt.

Ich hoffe, ich konnte Euch etwas von Eurer Angst nehmen, wenn Ihr noch weitere Fragen habt, könnt Ihr mich direkt anmailen.

Liebe Grüße, auch an Deinen Vater

Klaus

klaus.maier@ntz.de[/email]
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