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Alt 26.11.2012, 22:04
Carora Carora ist offline
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Registriert seit: 26.11.2012
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Standard Schuldgefühle, noch so viele Pläne... er leugnet Krebs, lässt sich nicht behandeln

Guten Abend ihr Lieben,

wo fang ich nur an? Vielleicht am Anfang: ich bin Pharmaziestudentin, habe ein Helfersyndrom, wollte eigentlich immer Arzt werden und laufe vor der Verantwortung weg. Also werde ich Apotheker(in).
Mein Lebensgefährte ist Russe und seine Familie hat mich mit einer Herzlichkeit aufgenommen, die es nicht oft gibt. Leider habe ich viel zu lange zugesehen: sein Opa hat beachtlich an Gewicht verloren. Ich habe immer wieder was gesagt, dass er endlich zum Arzt soll, zumal er vor einigen Jahren Kehlkopfkrebs hatte, der aber "geheilt" werden konnte. (Da mein russisch so schlecht ist, konnte ich es dem Opa nie selbst sagen, dass ich so besorgt war, alles musste (und muss) übersetzt werden)
Mein Freund und auch seine Mutter sagten immer, dass er nicht zum Arzt will, der würde ihm nur sagen, dass er nicht mehr rauchen darf - deshalb geht er nicht gerne zum Arzt, er mag diese "Standpauke" nicht. Und sie haben es dabei belassen. Sie haben es ja selbst nicht sehen wollen.

Fazit: ich habe viele Monate zugesehen, nach 4-5 Monaten (oder waren es 3?) habe ich endlich Druck gemacht, ziemlich viel Druck. Er war dann beim Arzt, wohin ich ihn natürlich begleitet habe, es gab einen Schatten im Röntgenbild, der Arzt sprach noch davon, dass nichts auf Krebs hindeutet... unzählige Untersuchungen, dann die Ernüchterung: mein Bauchgefühl lag richtig, es ist Lungenkrebs, keine Entzündung, wie es noch anfangs hieß, nicht sein blöder Raucherhusten, es ist tatsächlich Lungenkrebs. Scheiße. Ich mache mir Vorwürfe - hätte ich nicht früher Druck machen müssen? Dann hätte er die Diagnose früher erhalten, aber hätte das etwas verändert?

Der Opa liebt mich von ganzem Herzen, er sprach letzte Woche noch davon, dass er noch so viel vor hat in seinem Leben. Sagte, dass er keinen Krebs hat, er hat schließlich keine Schmerzen und keine Atemnot, seine Lunge ist voll in Ordnung, er hat nichts. Er leugnet die Krankheit völlig. Und er will auch keine Therapie, keine Chemo, keine palliative Bestrahlung. Dabei hat er solch einen Lebensmut! Er sagte, dass er noch so lange leben möchte, dass er noch so viel vor hat in seinem Leben. Dass er zwar 83 Jahre alt ist, aber dass ihm das noch nicht reicht. :-)

Und ich? Ich möchte doch unbedingt, dass er mal seine Urenkelchen in den Arm nehmen kann. Ich wollte doch unbedingt, dass er bei der Hochzeit dabei ist - würde seinetwegen eine zweisprachige Hochzeit machen, das habe ich doch alles schon tausendmal in meinen Träumen ausgemalt!

Ich bin wirklich verzweifelt, wurde noch nie mit Tod konfrontiert. Der Arzt sagte, dass es gut wäre, wenn er noch ein Jahr gut überstehen würde. Aber mein Studium dauert doch mind. noch 2 Jahre, vorher werden mein Freund und ich nicht heiraten, vorher darf ich nicht schwanger werden - aber er soll das doch alles noch erleben?!
Mein Verstand weiß, dass seine Erkrankung kein Grund ist überstürzt zu heiraten oder gar mein Studium zu unterbrechen für ein Kind, was viel zu früh wäre. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich irgendetwas tun muss, weil sonst immer eine Lücke bleiben würde. Ich fühle mich so hilflos, so ohnmächtig. Sein Opa soll das doch alles erleben! Wir hatten doch noch so viele Pläne! :-( Wir wollten doch noch mit seinen Großeltern 700km verreisen....


Tut mir Leid, dass der Text so lang geworden ist. Geht es euch genauso? Versteht ihr, was ich fühle? Mein Freund tickt da leider völlig anders, er verdrängt es, will kaum darüber reden, geschweige denn überstürzt heiraten.


:-(


Danke für das Lesen, für Antworten, für eure Gedanken,


eine traurige Carora
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