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Alt 26.02.2013, 16:11
Carora Carora ist offline
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Unglücklich AW: Schuldgefühle, noch so viele Pläne... er leugnet Krebs, lässt sich nicht behandel

Hallo ihr Lieben Mitfühlenden,


danke für die einfühlsamen und ehrlichen Zeilen. Ich habe still mitgelesen, auch im Forum viele Schicksale mitverfolgt, aber habe erst jetzt den Mut selbst wieder zu schreiben.

Wie ging es weiter?

Der Opa meines Freundes, er heißt übrigens Andrej, hat nach und nach doch nochmal gesagt, dass er gerne zur Kontrolle irgendwann nochmal zum Arzt gehen würde. Sein Gedanke: "Wenn es Krebs ist, dann muss es gewachsen sein. Wenn nicht, dann haben sich die Ärzte geirrt." (Vor etlichen Jahrzehnten hatte er schonmal einen Fleck in der Lunge, der nach 3 Monaten wieder verschwunden ist - vielleicht hat er deshalb Zweifel gehabt?)
Nach langem Zögern bat er uns, in weiter ferne einen Arzttermin auszumachen und der Arzttermin war letzte Woche Freitag.
Ein kurzes Röntgenbild, dann hat der Arzt die Bilder nebeneinander gehängt: ein Bild von 2008 (ohne Befund), ein Bild von 08/2012, eins von 10/2012 und das neu entstandene Bild (also 02/13). Die Größe des Tumors hat sich in etwa verdoppelt...

Da stand für ihn fest, dass er sofort, so schnell wie möglich, eine Bestrahlung möchte. Er ist seitdem aber sehr traurig, zurückgezogen, scheint wohl jetzt erst den Krebs realisiert zu haben - und es trat damit leider auch genau das ein, was ich befürchtet hab: dass er tatsächlich kämpfen will und vermutlich immer schon kämpfen wollte, es aber vorher einfach nicht wahrhaben wollte und dadurch 3-4 wertvolle Monate verloren hat.
Seine kämpferische, fest entschlossene Reaktion hat ja gezeigt, dass er sich vom Krebs nicht kleinkriegen lassen will!
Seit zwei Tagen hat er auch noch Blut gehustet, er fühlt sich seit dem Röntgenbild wieder schwach und kraftlos, wollte nichtmal zum Geburtstag seiner Urenkelin (sie ist 6 Jahre alt geworden), weil er fragt, was er denn dort lachen soll.
Aber er will kämpfen und hat diese Woche am Freitag sein CT und weitere Untersuchungen, um dann mit der Bestrahlung anfangen zu können.

Mich macht es so traurig, dass die 3-4 Monate (viele bemerken den Lungenkrebs ja erst, wenn sie tatsächlich schon Blut husten), in der die Diagnose schon da war, ungenutzt blieben - undzwar nicht, weil er keine Behandlung wollte, sondern weil er es (so vermute ich) schlichtweg nicht realisiert hat und er deshalb so getan hat, als hätte es die Diagnose nie gegeben.
Ich stelle mir deshalb viele Fragen, aber mein Verstand weiß, dass all diese Vorwürfe unbegründet sind. Hätten wir ihm den Krebs vielleicht anders erklären sollen? Hätten wir einen russischen Arzt konsultieren sollen, damit ihm in seiner Muttersprache das Röntgenbild erklärt wird? Weil er deutschen Ärzten vielleicht nicht so sehr traut? Oder oder oder?
Aber das alles ändert jetzt nichts mehr, jetzt ist es nunmal so wie es ist und ich bin froh, dass er kämpfen möchte und seinen Mut nicht verliert.

Wenn mein Freund und ich zu Besuch sind, dann kommt innerhalb von 5-10 Minuten solch ein Leben und Lachen in sein Gesicht... da fühlt er sich dann plötzlich auf fit und gar nicht mehr krank. WIr sollten ihn viel öfter besuchen....
Letztes mal hat er mir sogar ein Lied gesungen. Ich möchte die Zeit, die ihm jetzt noch bleibt, so gut wie möglich nutzen und hoffe jetzt einfach, dass die Therapie (erstmal Bestrahlung, danach evtl. noch palliative Chemo) ihn nicht leiden lässt, sondern ihm ein kleines wenig zusätzliche Lebenszeit schenkt, die aber unbedingt mit genügend Lebensqualität einhergehen muss - sonst wird die Bestrahlung abgebrochen. Wir wollen, dass es ihm gut geht und er sein Leben genießen kann.
(Ich belege jetzt übrigens einen Russischkurs und hoffe, dass ich ihm bald erste Briefe schreiben kann. Er ist leider schwerhörig und meine Aussprache ist so schlecht, dass er mich selbst auf russisch nicht versteht und andere Sprachen spricht er ja leider nicht. Mein Freund musste immer übersetzen...)


Es tut gut, das einfach niederschreiben zu dürfen. Nächste Woche habe ich - wie sollte es anders sein - noch dazu mein 1. Staatsexamen in der Uni und eigentlich ist mein Kopf so gar nicht in der Lage zu lernen. :-( Andererseits möchte ich schließlich mal eine gute Apothekerin werden (ich studiere Pharmazie) und je mehr ich lerne, desto eher kann ich Andrej auch helfen - sei es bei der Schmerztherapie oder oder oder.


Danke für eure offenen Ohren. Ich hoffe, dass in eurem Leben momentan ein wenig mehr die Sonne scheint?


Carora
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