Einzelnen Beitrag anzeigen
  #15  
Alt 14.10.2007, 21:41
ericsson ericsson ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 27.08.2007
Beiträge: 18
Standard AW: Hilflos und allein

Hallo Ihr Lieben,
etwas eine halbe Stunde nachdem ich hier die letzte Nachricht geschrieben habe wurde ich von der Freundin meines Vaters um Hilfe gerufen.

Meinem Vater ging es dramatisch schlechter. Als er auf Toilette wollte, brach er wieder kraftlos zusammen und schleppte sich aufs Sofa zurück. Er lehnte es immer noch ab, einen Arzt zu rufen und ich versprach ihm, seinen Willen soweit zu respektieren, wie ich es auch mitverantworten konnte.
Minütlich wurde er schwächer und hatte immer mehr Schmerzen. Um Mitternacht rief ich den Rettungswagen und ließ ihn in die Klinik bringen, wo man mir sagte dass er innere Blutungen habe.
Auf seinen Wunsch hin hat man keinerlei Maßnahmen eingeleitet, was angesichts seines Zustandes nur verständlich war. Ich durfte die ganze Nacht mit meinem Vater in einem Einzelzimmer sein. Hörte unter riesiger Anspannung auf seinen Atem und konnte nur noch heulen und nachdenken...
Als er wach war, sagte ich zu ihm: "Danke, dass Du gewartet hast, bis ich von Amerika wieder zurück bin!", und er antwortete: "Das war mein größter Wunsch!"
Jedesmal wenn ich an diese Worte denke, muss ich weinen. Die ganzen 3 Wochen, als ich in Amerika war und regelmässig mit ihm telefoniert habe, ging es ihm großartig. Die Schmerzen hatte er mit starken Tabletten unter Kontrolle, er konnte immer wieder Ausflüge mit dem Auto machen, in der Herbstsonne spazierengehen und ohne grössere Beschwerden die Tage geniessen. Mit seinem Zusammenbruch hat er den Tag abgewartet, an dem wir aus Florida zurückgekehrt sind, sodaß ich ihm nahe sein konnte.

Wir beide wissen, dass er in den nächsten Stunden oder Tagen gehen wird und ich bin so überaus dankbar, dass er uns ermöglicht, gemeinsam diesen Weg zu gehen.

Bin heute morgen völlig erschöpft für 2 Stunden nachhause gefahren um mich schlafen zu legen und dann gleich wieder zu ihm gefahren. Er war aufgrund der hohen Dosis von Morphin schmerzfrei und wir konnten uns zwischen einigen Schlafminuten immer wieder ansehen und zunicken, Worte wechseln und beieinander sein.

Vorhin war ich mit meinem Mann und den Kindern nochmals in der Klinik und sein Zustand hatte sich wieder verschlechtert. Er bekommt jetzt eine Morphiuminfusion und schläft nur noch. Ich habe Abschied genommen von ihm, weil ich nicht weiss, ob wir nochmals dazu kommen...
Bin unendlich traurig, die Augen brennen vom weinen und fühle mich leer. Ich weiss, dass er bald ganz einschlafen wird und bin so dankbar, dass er nicht lange leiden musste. Und doch steht man völlig hilflos da und keiner kann einem dieses Gefühl erleichtern oder abnehmen.

Ich werde heute nacht zuhause sein und versuchen zu schlafen - mit dem Telefon neben dem Bett und der Hoffnung, dass es nicht klingeln wird...

Unendlich traurig und hilflos,
ericsson
Mit Zitat antworten