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Alt 17.10.2002, 10:13
Gast
 
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Standard Was bin ich nach BK???

Hi Ute,
nachdem ich Deine Zeilen gelesen habe, stösst mir der ganze "Behördenkram" wieder mal so ziemlich sauer auf. Ich kann Dich sehr gut verstehen, denn ich stecke in einer ähnlichen Situation, auch wenn meine Geschichte eine völlig andere ist. Tatsache ist jedenfalls: Ich sitze seit diesem Monat auch auf dem Sozialamt!
Ich bin zwar Schweizerin, und bei uns sind manche Gesetze und Regeln ein bisschen anders als bei Euch, aber was das "Ernst-Nehmen", das "Helfen" bei den Behörden betrifft, ... so geht das wohl bei uns in etwa in die gleiche Richtung.
Da hat man Krebs, und was da in einem vorgeht, was man da fühlt und welche Ängste man durchsteht, ist für viele "gesunde" Menschen kaum nachvollziehbar. Okay, damit kann man irgendwann leben, aber wenn dann auch noch die Behörden, Krankenkassen, usw. so wenig Verständnis aufbringen - gerade DA, wo man die Hilfe so dringend braucht - dann ist das gleich noch ein zusätzlicher Schock!
Regeln, Gesetze, Weisungen, Richtlinien, ... jede einzelne Behörde oder Institution trägt ihre ganz eigenen Weisungen, und in dieser Beziehung sind sie allesamt ziemlich stur. - Wobei sie manchmal übersehen, dass genau IHRE Regeln, Gesetze, Weisungen und Richtlinien ein Widerspruch sind zum "Menschlichen", ein Widerspruch für weitere Möglichkeiten um zu LEBEN, ... und den Betroffenen schlussendlich zum Sozialamt führen!
So, und dann sitzt da also ein Krebspatient beim Sozialamt, wird vom Staat - sprich: Steuerzahler - bezahlt! Das tut dem Krebspatienten ja so gut! Er hat ja sonst keine anderen Sorgen! Nee, man kann ihm ruhig noch ein paar Sorgen MEHR aufhalsen!
Gut, okay, sie sind alle am sparen! Ist ja ein gutes Argument. Aber leider kann ein Krebspatient damit nichts anfangen. Es geht am Ende auf SEINE Gesundheit.
Manchmal frag ich mich da echt: WOLLEN diese Behörden eigentlich, dass man wieder gesund wird? Oder denken sie nach ihren Statistiken vielleicht, dass man als Krebspatient ja eh nicht mehr lange ...?

Klingt alles ziemlich negativ, ich weiss. Nur leider ist es manchmal eine harte Realität.
MUSS man aber nicht akzeptieren!
Wir Schweizer sind ja anscheinend ein Völkchen, dass sich von allen Seiten gerne versichern lässt. Damit "im Notfall" nichts schief gehen kann. (Ist aber leider auch eine finanzielle Frage.) Immerhin habe ich vor Jahren mal eine "Rechtsschutz-Versicherung" abgeschlossen. Habt Ihr sowas auch bei Euch? Da kann man rechtlichen Beistand bekommen, auch selber einen Anwalt aussuchen.
Ich habe also meine "Rechtsschutz-Versicherung" vor kurzem eingeschaltet. - Nachdem diese "gehandelt" hat, ist komischerweise endlich mal ein Türchen für mich aufgegangen!
Also mein Fazit: Offenbar muss man zuerst mit Anwälten drohen, bevor man zu seinem Recht kommt!
Ich hasse aber Drohungen. Dachte immer, dass das menschliche im Menschen in einem sozialen Staat DA ist. - Ist aber anscheinend nicht so, daher ist man eben gezwungen, Druck zu machen, zu drohen! - Ist das nicht schlimm?

Liebe Ute, ich habe hier nur meine Gedanken dazu aufgeschrieben, ohne Anklage gegen irgend jemanden, gegen irgend eine Behörde. Es ist das GANZE, das einen am Ende fertig machen kann. So gesehen habe ich Deine Frage: "Was bin ich nach BK?" eigentlich schon - aus meiner Sicht - beantwortet.
Krass, aber damit ist mein Eintrag hier noch nicht beendet, nein-nein. Denn ich will Dir gerne noch die "gute Seite" an der ganzen Misere aufschreiben. (Obwohl das "Gute" in dieser Situation immer schwerer zu sehen ist, als das Negative.)
Also, gut ist schon mal, dass Dich der Staat auffangen MUSS. Er hat Dir Dein Existenzminimum zu bezahlen, so dass Du wenigstens DAS hast.
Weisst Du schon, wann Du wieder gesund geschrieben wirst? Das wäre dann der Moment, wo das Sozialamt Dir helfen müsste, eine neue Arbeit zu finden. Vielleicht verweisen sie Dich dann auch zum Arbeitsamt.
Gut ist ebenfalls, dass Dir durch das Sozialamt aber auch andere Türchen offen stehen. Sag ihnen, was Du WILLST. Wie wäre es mit einer neuen Ausbildung? Oder ein kurzfristiger Kurs, welchen Du so langsam, nach Deinem Gesundheitszustand entsprechend, besuchen könntest? Sozialämter bezahlen manchmal sowas, manchmal suchen sie aber auch Stiftungen dafür, welche sich da einsetzen können.
Gut ist auch, dass es eine "Veränderung" für Dich gibt. Egal, wie auch immer sie aussehen wird, ... und naja, manchmal muss man für "Veränderungen" auch zuerst "unten durch", um sie zu SEHEN, ... so dass sich für Dich vielleicht ganz neue Perspektiven in Deinem Leben ergeben.
Gut ist wiederum, dass Du einen Ansprechspartner auf dem Sozialamt hast, welcher Dich in allen rechtlichen Dingen, aber auch allen Möglichkeiten, die Du hast, BERATEN kann! Dazu sind diese Leute ausgebildet, bzw. sollten es sein. Ich weiss, es ist viel Papierkram zu erledigen, aber am Ende ist es ja nur zu Deinem Vorteil.

Tja, und gut ist ebenfalls noch, liebe Ute: Du bist nicht allein, gell?
Versuche Dich überall zu informieren, wo und wie es nur geht. Damit Du weisst, welche Rechte Du hast, welche Möglichkeiten Dir offen stehen. Wenn Du "verstehst", wie Euer Rechtssystem funktioniert, kannst Du auch neue Wege einschlagen. Lass Dich nicht unterbuttern, lass Dich nicht "krank" machen. "Belohne" Dich zwischendurch mit etwas Schönem, wenn Du einen "Papier-Termin" hinter Dir hast, denn jeder Schritt kann ein kleines Erfolgserlebnis sein.
Du bist es wert, dass man Dir hilft. Du bist es wert, dass Du akzeptiert wirst, auch MIT dem Krebs. Du hast ein Recht auf Dein Leben, so, wie Du es gerne leben möchtest. Denn es ist DEIN Leben, und nicht jenes, der Behörden.

Ich drücke Dich ganz fest, liebe Ute, und wünsche Dir für Deinen Weg ganz, ganz viel Powerkraft, gell?
Liebe herzliche Grüsse
von der "krassen" Brigitte
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