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Alt 02.07.2012, 16:27
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eos eos ist offline
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Standard AW: Organspenden - Für und Wider

Hallo bifi65 und andere,

in Anlehnung an den Hippokratischen Eid ist ein Arzt in der Pflicht alles ihm mögliche zu unternehmen, um zu heilen und den Patienten am Leben zu erhalten (soweit keine anderslautende verbindliche Patientenverfügung vorliegt). So weit so gut. Die Quintessenz dessen ist also, dass bei Patienten in lebensbedrohlichem Zustand erst einmal sämtliche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um sie am Leben zu erhalten. (Die einzelnen Maßnahmen die hierbei ergriffen werden, hast Du bifi65 mir ja bestätigt.)

Nun ist es aber so, dass der eigentlichen Hirntodfeststellung zwingend erst eine Hirntoddiagnostik vorangehen muss. Diese Diagnostik darf jedoch solange nicht durchgeführt werden, solange sich ein Patient in der Intensivbehandlung befindet, d. h. unter Medikation steht (Schmerzmittel, Sedierung etc.) und an eine Herzlungenmaschine (künstliche Beatmung etc.) angeschlossen ist. Alle diese lebens- erhaltenden Maßnahmen/Medikation müssen also unterbrochen werden, um eine unverfälschte Hirntoddiagnostik überhaupt erst einleiten zu können. (Wobei zu diesem Zeitpunkt noch nicht sicher abschätzbar sein kann, ob nach erfolgter Diagnostik das Ergebnis "Hirntod festgestellt" oder aber "Hirntod nicht einwandfrei feststellbar" sein wird.)

Die gängigen Szenarien in Verbindung mit einer eventuellen Organspende können sein:

a) Intensivpatient wird eingeliefert - lebenserhaltende Maßnahmen einschließlich Medikation werden eingeleitet - Hirntoddiagnostik kann und darf(!) in diesem Zustand nicht durchgeführt werden.

b) Intensivpatient wird eingeliefert - lebenserhaltende Maßnahmen incl. Medikation werden eingeleitet - aufgrund negativer Einschätzung der Wiedererlangung von eigenständigen Lebensfunktionen wird Hirntoddiagnostik beabsichtigt, was jedoch wegen unverfälschtem Ergebnis zwingend rechtzeitiges vorheriges Absetzen sämtlicher lebenserhaltender Maßnahmen erfordert (alle verabreichten medikamentösen Stoffe müssen vom Körper abgebaut sein(!) künstliche Beatmung muss abgeschaltet sein(!) bevor mit der Diagnostik [Feststellung ob hirntot oder nicht hirntot] überhaupt begonnen werden kann).

c) Intensivpatient wird eingeliefert - keine weitreichenden lebenserhaltenden Maßnahmen aufgrund Vermutung ihrer Aussichtlosigkeit - Existenz einer entsprechenden Patientenverfügung, die ausdrücklich und konkret besagt, dass keinerlei lebenserhaltenden Maßnahmen erwünscht sind.


Szenario a) ist selbstredend.

Szenario b) setzt voraus, dass sämtliche lebenserhaltenden Maßnahmen eingestellt werden müssen, um eine Hirntodprüfung überhaupt erst durchführen zu können. D. h. ein Patient, der aufgrund seiner lebenserhaltenden Maßnahmen möglicherweise eine Überlebenschance gehabt hätte, hat durch das zwingend vorgeschriebene Abschalten von Beatmung und Medikationseinstellung (incl. Wartezeit bis diese vom Organismus abgebaut bzw. verstoffwechselt) spätestens zu diesem Zeitpunkt diese Chance nicht mehr.

Szenario c) ist dem Arzt ohnehin verboten aufgrund des von ihm geleisteten Hippokratischen Eids, sodass er (falls keine anderslautende Patientenverfügung existiert) alles ihm mögliche tun muss, um das Leben des Patienten zu erhalten (also Medikation und lebenserhaltende Maßnahmen).


Ungeachtet dessen, ob der/die Einzelne sich für oder gegen eine Organspende entscheidet und ungeachtet dessen, ob jemand die Organspende für ethisch vertretbar hält oder auch nicht und ungeachtet dessen, ob ein als hirntot eingestufter Patient noch spürt und empfindet oder nicht, frage ich mich (und vielleicht kann da auch bifi65 als Praktikerin zur Aufklärung beitragen), ob es denn vertretbar sein kann, bei jemandem die lebenserhaltenden Maßnahmen allein deshalb abzustellen, um eine Hirntoddiagnostik (Beurteilung) überhaupt erst möglich machen zu können. Möglicherweise hätte eine durchgehende Medikation und Intensivbehandlung ihn/sie doch noch retten können. Jedenfalls für diejenigen, die durch die kontinuierliche Intensivbehandlung eine gewisse Chance gehabt hätten, würde ein Beendigen dieser Maßnahmen (aufgrund geplanter Hirntoddiagnostik) bedeuten, dass man ihren Tod zumindest billigend in Kauf genommen hat.

Nichtzuletzt wäre noch zu hinterfragen, ob aufgrund der Regelungen im Organspende- und Transplantationsverfahren und den sich dadurch in der Praxis zwangsläufig ergebenden Problemstellungen z. B. manch ein Patient möglicherweise eben nicht (mehr) in den Genuss notwendiger Maßnahmen kommt, die ihm jedoch durchaus zuteil würden, wenn sich die Frage nach der Organspende erst gar nicht stellen würde. Dass die Handlungen, die für die Hirntoddiagnostik vorgeschrieben sind, nicht mal eben der Würde des Patienten dienlich sind (weil schmerzhaft und qualvoll), sei hier nur am Rande angemerkt.

Für die, die es interessiert, stelle hier noch den Link zum offenen Brief von Frau Dr. med. Regina Breul, München ein. Kommentare dazu sind selbstverständlich willkommen.

http://www.organspende-aufklärung.de/offener-brief/

http://www.organspende-aufklärung.de...organentnahme/

auf www.organspende-aufklaerung.de

LG eos
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