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Alt 15.10.2006, 21:12
Benutzerbild von Claudia Junold
Claudia Junold Claudia Junold ist offline
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Standard Bericht über Lungen-OP

Ich möchte für Leute, die eine ähnliche OP noch vor sich haben, meinen Erfahrungsbericht abgeben. Bevor evtl. komische Kommentare kommen, so betone ich ausdrücklich, daß es sich hier um meine ganz persönlichen Erfahrungen handelt, die natürlich bei jedem individuell verschieden sein können.


Mir wurden drei Kliniken zur Auswahl gestellt: München, Kutzenberg und Erlangen. Nach einem längeren Gespräch mit meinem Hautarzt legte der mir Prof. Hohenberger von der Uniklinik Erlangen sehr ans Herz. http://www.chirurgie.med.uni-erlange...che_klinik.htm Prof. Hohenberger wäre eine Koryphäe auf dem Gebiet der Thoraxchirurgie und ich wäre dort in besten Händen. Nachdem mein Hautarzt viele Jahre selbst leitender Operateur der Hautklinik dort war, hab ich ihm vertraut - und nicht zu Unrecht!

Das Gebäude der Chirurgie ist leider überhaupt nicht mehr zeitgemäß. Die Privatstation besteht aus winzigen 2-Bettzimmern mit schmalen Spinden, einem Waschbecken in einer höchst unbequemen Nische - ohne Bad oder Toilette. Gerade für mich als Sehbehinderte ist es ein Unding, sich nachts über einen langen Flur zum Klo tasten zu müssen. Nachdem die Privatstation schon so dürftig war, hab ich mich danach erkundigt, wie denn dann die Allgemeinstation aussieht... Tja, 6-Bettzimmer, in das notfalls auch noch ein 7. Bett geschoben wird... Selbstverständlich erst recht ohne Bad... Ich hätte nicht gedacht, daß es sowas überhaupt noch gibt!
Dafür entschädigt das Essen für so manches! Alle Fachrichtungen der Uniklinik bekommen das Essen von einer Großküche, die es sich offenbar (zumindest auf den Privatstationen) zur Aufgabe gemacht hat, den Patienten das Leben zu versüßen. Das Frühstück kann man sich aus x verschiedenen Sachen zusammen stellen, incl. Croissant, verschiedener Brötchensorten, O-Saft, Joghurt, Müsli usw., das Mittagessen wählt man aus sage und schreibe 7 verschiedenen Menüs und das Abendessen steht dem in nichts nach. Außerdem ist das Essen wirklich superlecker und abwechslungsreich.

Schon allein aus Platzgründen herrschte bei unserem Eintreffen auf der Station ein ziemliches Chaos und eine nette, aber völlig überlastete Schwester nahm mich auf. Mit vielen Sachen in meinem "medizinischen Lebenslauf" konnte sie überhaupt nichts anfangen und zum Glück wußte wenigstens die Stationsärztin was eine HLA-Typisierung ist. Nachdem mir ja sowieso literweise Blut abgenommen wurde, wollte ich die auch gleich mit durchgeführt haben, um mich nach der OP möglichst schnell um eine Impfstudie kümmern zu können. Ich dachte, ich könne mir damit einmal zusätzliches Blutabzapfen sparen. Fakt war aber, daß mir beim erstem mal zu wenig, beim zweiten mal die falschen Röhrchen und schließlich erst im dritten Anlauf die richtige Anzahl und Größe der Röhrchen abgenommen wurde...

Nach den Formalitäten ging es zum EKG und zur Lungenfunktion. Ich setzte den Arzt mit meinen 124% und den 4,7l Lungenvolumen (3,5l wären auch schon gut gewesen ) etwas in Erstaunen. Er war auch einigermaßen enttäuscht, als ich ihm wider seines Erwartens gestehen mußte, daß ich bis vor 8,5 Jahren kräftig geraucht hatte. Allerdings konnte ich das offenbar ganz gut kompensieren, da ich ja sehr lange als Sängerin meine Brötchen verdient hatte und meine Lunge immer noch gut trainiert sein dürfte.

Dann kam der Anästhesist zur Narkosebesprechung. Er war ausgesprochen nett, freundlich, kompetent und hat sich für meine spezielle Problematik (die letzte 8,5 Stunden dauernde Narkose hatte für fast drei Jahre Konzentrationsschwierigkeiten und Störungen im Kurzzeitgedächtnis hinterlassen, außerdem hatte ich Reinke-Ödeme mit einer entsprechenden Stimmband-OP, was beim Intubieren Schwierigkeiten machen kann) viel Zeit genommen. Er bot mir zwei Möglichkeiten der Schmerzstillung nach der OP an. Einmal durch einen normalen venösen Zugang (in der Halsvene) mit Morphinen oder durch einen Rückenmarkskatheder, beides mit Schmerzpumpe, die ich nach Bedarf betätigen könnte, mit einem Lokalanästhetikum plus Opiaten. Ich erklärte ihm, daß ich bis auf Triptane (das sind besondere Migränemedikamente) keinerlei Schmerzmittel nehme, weil ich stärkere Mittel nur äußerst schlecht vertrage und stellte klar, daß ich weder Morphine noch Opiate haben wollte. Der Arzt meinte, daß mir während der OP aber auf jeden Fall etwas in dieser Richtung verabreicht würde, aber man das hinterher durch etwas anderes ersetzen könnte. Die Frage Schmerzkatheder oder nicht bat ich mir aus, spontan erst am nächsten Tag im OP entscheiden zu dürfen. So weit war alles klar. Leider würde dieser nette Arzt meine Narkose nicht machen, aber er versprach mir, mich im OP zu besuchen

Dann kam die Stationsärztin zur OP-Aufklärung. Mir war wichtig, daß dieser Eingriff möglichst minimalinvasiv vorgenommen würde, damit der "Flurschaden" so gering und damit auch die Heilungsphase so kurz wie möglich gehalten werden kann, außerdem wollte ich in der Histo den Mitoseindex bestimmt haben. Beides hatte ich in der chirurgischen Ambulanz schon angesprochen gehabt - beides wurde mir nach Möglichkeit zugesichert.

Mein Mistteil war lt. CT vom 29.8.06 2,2 x 1,6 cm groß und lag im rechten Unterlappen am Lungenfell anhaftend.

Ok, ich wußte ja, daß diese OP kein Zuckerschlecken würde und war auf einiges gefaßt. Von den Risiken einer undichten Bronchusnaht (in diesem Falle würde nach der OP die Lunge wieder zusammenfallen...), dem Verletzen benachbarter Organe, starken Blutungen, einer Embolie, den üblichen Möglichkeiten auf Lagerungsschäden während der OP usw., mußte ich natürlich informiert werden. Ich fühlte mich in guten Händen und sollte am nächsten Tag gegen 9h in den OP kommen. Die obligatorische Schlaftablette hab ich abgelehnt und hätte auch damit nicht schlafen können, denn die Oma im Bett neben mir hatte sich damit die Dröhnung gegeben und war nicht mehr ansprechbar... Sie hat die ganze Nacht gesägt wie ein Elch! Gut, daß ich meine Hörbücher dabei hatte, die haben zumindest die Zeit verkürzt!

Am nächsten Tag die übliche Prozedur mir dem Anziehen der schicken weißen Kompressionsstrümpfe, des OP-Hemdes, der Prämedikamentation und gegen 10h traf ich mitsamt meinem Bett im OP-Vorraum ein. Ich bat nochmal jeden, der mir irgendwie über den Weg lief dringend, daß man doch bitte meinen Mann anrufen solle, sobald ich aus dem OP wäre, weil er sonst bis abends, bis ich wieder auf Station wäre, auf Nachricht warten müsse.

Ich entschied mich für den Rückenmarkskatheder mit Schmerzpumpe und das Legen, vor dem ich schon etwas Angst hatte, war echt ein Klacks. Der Arzt markierte die Stelle an der Wirbelsäule, spritzte ein Lokalanästhetikum ein und setzte sehr sicher und zügig den Katheder. Weh hat das überhaupt nicht getan. Tatsächlich kam der nette Narkosearzt vom Vortag auf einen Sprung vorbei, tätschelte mir die Hand und wünschte mir viel Glück. Das fand ich echt total nett. Danach ging es in den OP. Es wurden in beide Handrücken Zugänge gelegt, der Anästhesist begann das Narkosemittel einzuspritzen, fragte, ob ich schon was spüren würde. Ich sagte noch: "und tschüß" ------- und wachte in einem super angenehmen, wohlig warmen Bett auf und fühlte mich völlig schmerzfrei und richtig wohl. Es dauerte allerdings ziemlich lange, bis ich soweit zu mir kam, daß ich realisierte, daß ich die OP hinter mir hatte, es offenbar zu keinen großen Komplikationen gekommen war (ich lag im Aufwachraum und nicht auf Intensiv) und ich mit meinen salbenverschmierten Augen (das ist ein Schutz gegen mögliches Austrocknen während der Narkose) auf einer Uhr schräg über mir nach einiger Zeit erkennen konnte, daß es gegen 14h war. Ein Pfleger kam und zeigte mir den Druckknopf der Schmerzpumpe an meinem Rückenmarkskatheder, den ich drücken sollte, sobald ich Schmerzen hätte. Ich duselte so vor mich hin und in Abständen kam der Pfleger immer wieder und meinte, ich solle doch endlich die Schmerzpumpe drücken, weil ich gar nicht erst in einem Schmerzustand kommen sollte. Er erklärte mir, daß es nach einer Lungen-OP extrem wichtig ist, schmerzfrei zu sein, damit man gut durchatmen könne, was wiederum wichtig ist, damit die Lunge sich nach der OP wieder "entfaltet", gut belüftet wird und es nicht zu einer Lungenentzündung kommt. Es bereitete mir einige Mühe, ihm klar zu machen, daß ich absolut keine Schmerzen hätte, ich mich wohl fühlte und eigentlich endlich auf Station gebracht werden wollte. Nach einiger Zeit stellte er fest, daß ich nicht bockig und stur war, sondern über den venösen Zugang am Hals per Infusion permanent ein Schmerzmittel bekam... Gegen 18h hatte ich dann aber echt genug und bat energisch drum, auf Station gebracht zu werden.

Dort hing ich, wie gesagt, mit der Halsvene an mehreren Infusionen, die an einem Infusionsständer an der Schmerzpumpe hingen, die Schmerzpumpe war durch einen dünnen Schlauch, den ich überhaupt nicht spürte mit dem Rückenmarkskatheder verbunden, in der Nase steckte ein Schlauch mit Sauerstoff, ich hatte eine sog. Saugung, d.h. keine normale Drainage, sondern einen ziemlich dicken Schlauch aus der Seite hängen, der wiederum an einem großen Kasten hing, der mit merkwürdigen Geräuschen Blut usw. aus der Wunde saugte. Ich rief meinen Mann an, guckte Marienhof und duselte dazwischen immer wieder weg. Schmerzen hatte ich keine, aber es wurde mir etwas übel. Die Nacht war ziemlich lang und nervig, weil meine Nachbarin es sich wieder zum Ziel gesetzt hatte, einen startenden Düsenjet an Lautstärke zu übertreffen. Dazu kam, daß sie eine neue Hüfte bekommen hatte, nicht mobil war und in Ermangelung eines eigenen Bades,bzw. Klos einige male in der Nacht unter der natürlichen Geräusch- und Geruchsentwicklung auf den Klostuhl mußte. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich zum Glück noch einen Blasenkatheder, aber mir war klar, daß genau das mit dem Klostuhl mir auch blühen würde...

Am nächsten Morgen stand ich mit Hilfe zweier Schwestern auf, damit mein Bett gemacht und ich mich unter Mühen etwas am Waschbecken waschen und Zähne putzen konnte. Ich war schon ganz schön klapprig und nachdem mir immer mehr übel wurde, gab ich auf dem Rückweg ins Bett dann das her, was ich gar nicht zu mir genommen hatte. Den Vormittag über war mir immer wieder schlecht, ich duselte in üblen Träumen vor mich hin, bekam Schmerzen, drückte die Schmerzpumpe, wodurch mir wieder übel wurde und ich wieder in komische Träume versank. Am Nachmittag kam mein Mann zu Besuch. Ich war sehr kurzatmig, das Sprechen fiel mir schwer und ich schlief dauernd ein. Ich konnte den ganzen Tag über weder etwas essen noch trinken, mußte dafür aber immer wieder brechen.

Die Nacht war der blanke Horror: ich hatte Schmerzen, bekam immer wieder nur stereotyp zu hören, daß ich doch endlich die Schmerzpumpe drücken solle (was ich ja schon so oft getan hatte, daß sie mir nichts mehr gab), mein Rücken tat mir vom Liegen lausig weh, meine Nachbarin schnarchte wie eine Dampfmaschine und die Geräte rund um mein Bett gaben die seltsamsten Geräusche von sich, ich dümpelte immer wieder in kurzen, äußerst komischen Träume dahin und die Nacht nahm kein Ende. Zwischendurch mußte ich wieder brechen, obwohl ich weder etwas gegessen noch getrunken hatte. Gegen 4h war ich mit meinen Nerven am Ende, lag heulend im Bett und betete nur noch, daß auch diese Nacht irgendwann vorbei gehen möge. Am nächsten Morgen gab ich wieder mein Frühstück her, das ich gar nicht gegessen hatte und bestand trotz meines Tranzustandes darauf, daß ich mit dem Arzt der Schmerzambulanz sprechen möchte. Der kam dann auch, war sehr nett und sehr erstaunt, weil ich fragte, ob in meiner Schmerzpumpe wohl doch Opiate wären. "Selbstverständlich - aber nur ein kleiner Anteil... " Ok, da war mir alles klar und ich bestand drauf, daß dieser "kleine" Anteil sofort herausgenommen würde und daß er es erst gar nicht mit Ausschleichen probieren bräuchte - was er nach einigem Zögern auch tat. Als mich kurz drauf der Pfleger aus dem Bett auf den Klostuhl hievte, fiel mir auf, daß mir mein Nacken an meiner "typischen" Migränestelle kurz wehtat. Schlau, wie ich nunmal von Natur aus bin , kombinierte ich messerscharf, daß meine ständige Übelkeit evtl. auch von einer Migräne kommen könnte, die ich, zugedröhnt mit Opiaten usw. wie ich war, nicht als solche erkannt hatte. Also bat ich, den netten Arzt der Schmerzambulanz anzurufen und zu fragen, ob ich meine speziellen Migränemittel nehmen könnte. Ich bekam grünes Licht, warf eine "Relpax" ein - und siehe da, von Stund an war mir nicht mehr übel. Mein Mann kam nachmittags und es ging mir schon etwas besser als am Tag vorher. Er fütterte mich wie ein Baby mit kleinsten Stücken Käsekuchen - und das war das erste Essen, das ich nach 2 1/2 Tagen behielt. Später brachte mir ein Physiotherapeut einen Lungentrainer, machte mit mir Atemübungen, die ich ja aus meiner aktiven Sängerzeit kannte und so überließ er es schnell mir selbst, meine Lunge wieder auf Vordermann zu bringen. Abends gab es eine fränkische Schlachtplatte - genau das richtige für einen Magen, der schon lange nichts mehr behalten hatte... . Aber man höre und staune: das halbe Brot, das ich mit fetter Wurst aß, hat mir sehr gut getan.

Auch am nächsten Tag war ich immer noch sehr schwach und mußte beim Sprechen nach wenigen Worten Pause machen und nach Luft schnappen (für mich ja ein unhaltbarer Zustand! In diesen Tagen mußte ich leider auch alle lieben Anrufer abwimmeln, weil ich wirklich nur unter Anstrengung sprechen und den Hörer halten konnte. Aber ab da ging es aufwärts.

Allerdings wurde der Schmerz am Rücken durch das Liegen immer heftiger. Bei den Pflegern sagte ich schon gar nichts mehr, weil ich das ewige "Schmerzpumpe drücken" schon nicht mehr hören konnte. Mehr als drücken kann man halt nicht... Nachmittags kam eine Schwester der Schmerzambulanz, um nach der Schmerzpumpe zu sehen. Ihr erzählte ich von meinen Schmerzen, sie sah nach, massierte mir ewig lange diese bestimmte Stelle und schickte mir keine fünf Minuten später den Physiotherapeuten, der mir mit Hingabe eine halbe Stunde lang erst mit den Händen und dann mit einem Massagegerät den Rücken massierte. Zu meiner Freude bot er mir auch noch an, mit mir am Gang auf und ab zu gehen, damit mein Kreislauf in Schwung käme. Selbst konnte ich das ja weder von den Augen her, noch von den 1000 Sachen, die da an und aus meinem Luxuskörper hingen. Hätte man da vom Pflegepersonal oder von den Ärzten nicht schon längst mal auf diese Idee kommen können, mir den Krankengymnasten zu schicken? Ab da bekam ich zweimal am Tag diese wunderbare Spezialbehandlung.

Die Saugung lieferte pro Tag um die 200ml. Erst ab unter 100ml sollte sie gezogen werden. Am 4. Tag nach der OP waren es immer noch 180ml. Das war aber der Tag, an dem ich wieder mit Wobenzym anfangen konnte, weil ab da keine Nachblutungen mehr dadurch zu befürchten waren. Das sagte ich dem Professor und daß es deshalb ab morgen weniger als die Hälfte wäre, was die Saugung zutage fördern würde. Er schaute mich nur sehr mitleidig an, kurz davor, sich mit dem Finger an die Stirn zu tippen... Einen Tag und 15 Wobenzym später waren es gerade noch 80ml *ggggg* Bei der Visite herrschte großes Erstaunen - aber nicht bei mir, denn das war nicht die erste OP, bei der ich dadurch die Wundheilung und Schwellungen deutlich verringern konnte. Am nächsten Tag waren es dann noch 30ml und die Saugung sollte gezogen werden.
Davor hatte ich ziemliche Manschetten. Der Schlauch, der mir aus der Seite hin war ca. 1,5cm dick und verjüngte sich an der Eintrittsstelle in den Körper etwas, aber so 1cm war er sicher da auch noch. Die Schwester, der ich erzählte, daß ich Schiß vor dem Ziehen hätte, sagte: "Ach, da lassen Sie sich halt eine halbe Stunde vorher eine Schmerztablette geben." Na gut, dachte ich, wenn das hilft?! Gesagt, getan, die Schwester brachte mir eine Tablette, der "Saugungsentfernungstrupp" rückte drei Mann hoch an. Der Arzt entfernte den Verband und entwurstelte die verschiedenen Fadenenden, denn um den Schlauch herum war die Haut mit einer Tabaksbeutelnaht zusammengezogen, um möglichst luftdicht abzuschließen. Das Problem ist dabei, daß der Schlauch so gezogen werden muß, daß so gut wie keine Luft in den Körper eindringen kann. Der Arzt hatte buchstäblich die Fäden in der Hand , ein anderer begann langsam den Schlauch aus meinem Alabasterkörper zu ziehen und ich mußte die ganz Zeit dabei aaaaaaaaaaaaaaaaauuuuuuuuuussssssssatmen. Das Ganze dauerte keine Minute, das Loch wurde durch den Faden ratzfatz dicht verschlossen und die ganze Aktion hatte wirklich überhaupt nicht wehgetan! Ich war begeistert, endlich wieder frei und ohne "Ketten" zu sein. Nach einer halben Stunde wollte ich aufstehen und das erste mal seit einer Woche wieder allein aufs Klo gehen. Aber sobald ich die Füße am Boden hatte, begann die Zimmerdecke auf mich einzustürzen und alles drehte sich. "Hoppla", dachte ich, "das wird der Kreislauf sein". Legte mich wieder brav aufs Bett und wartete ab. Der zweite Versuch war noch kläglicher, außerdem begann mein Puls zu rasen und mir brach der Schweiß aus. Nachdem mir eingeschärft worden war, alle Veränderung in meinem Befinden nach dem Ziehen der Saugung sofort zu melden, rief ich die Schwester. Nein, das würde sich nicht anhören, als ob das was damit zu hätte, ich solle einfach noch etwas liegen bleiben. Ich bin dann ziemlich schnell eingeschlafen. Ein Pfleger kam und wolle mit mir zu Röntgenkontrolle, die nach dem Schlauchziehen sehr wichtig ist. Er hatte keine Chance. Ich wurde zwar wach, sah mich aber keinesfalls in der Lage mich in einem Rollstuhl zum Röntgen fahren zu lassen. Ich bin dann wieder weggeknackt. Eine Stunde später mußte ich dann aber endlich dringend zum Röntgen. Das Gefühl beim Aufstehen kann ich gar nicht beschreiben. So ähnlich muß man sich in der Schwerelosigkeit fühlen! Ich konnte einfach nicht einordnen, wo oben und unten ist! Mir war jeder Sinn für das Gleichgewicht abhanden gekommen. Schließlich wurde ich zu zweit in den Rollstuhl gehievt - und ich flehte um eine Brechschale... Die Fahrt zur Röntgenabteilung, das Brechen, das Röntgen (es war nach dem Ziehen der Saugung alles völlig ok) selbst und die dauernde Übelkeit und der permanente Schwindel waren echt der Horror. Wieder im Bett zurück, bin ich wohl sofort wieder eingeschlafen. Ich hörte, wie immer wieder eine Schwester nach mir sah und es ihnen dann doch etwas mulmig wurde. Schließlich wurde ein Arzt gerufen. Er fragte mich ganz genau nach meinem Befinden aus und meinte dann: "ja, sieht ganz nach Überempfindlichkeit gegen Morphine aus" WAS????? Ich dachte, ich höre nicht recht!!! Der Arzt der Schmerzambulanz wurde gerufen, der sich auch nochmal alles haarklein erzählen ließ. Der bestätige, daß ich die Morphine wohl nicht vertragen würde... Ach, wie komisch!!! Hatte ich nicht lang und breit und immer wieder darauf hingewiesen???? Mann, ich hatte eine tierische Wut im Bauch! Immerhin bekam ich dann von der Schmerzambulanz einen Brief, in dem steht, daß ich keine Opiate oder Morphine bekommen sollte, weil eine Unverträglichkeit bestünde... Klasse, jetzt hatte ich es zwar schriftlich, aber das nützte mir wenig. Ich war nicht mal in der Lage mich aufzusetzen. Diese Wirkungen sollten höchsten bis zum Abend andauern. Ok, tatsächlich dauerten sie - zwar schwindend, aber immer noch vorhanden - vier lange Tage an! Ich finde es furchtbar, wenn man als Patient nicht ernst genommen wird! Warum erzähle ich denn jedem, daß ich dieses Zeug nicht vertrage??? Normalerweise frage ich bei allen Medikamenten nach, aber wenn es heißt: "eine Schmerztablette" dachte ich, ich könnte es mir sparen. Gut, wieder was dazugelernt...

Am Vormittag dieses Tages wurde auch der Rückenmarkskatheder entfernt. Auch darauf freute ich mich nicht unbedingt. Aber das war überhaupt keine Sache, ich habe es kaum bemerkt. Als Schmerzprophylaxe bekam ich dann 3 x täglich 600mg Ibuprofen plus 1000mg Paracetamol. Nachdem ich an diesem Tag durch die Morphine ja schon völlig weggebeamed war, hab ich die nicht genommen. Am nächsten Tag nur die für die Nacht und dann überhaupt keine mehr. Es war einfach nicht nötig. Auch wenn ich die Tabletten als Schmerzprophylaxe nehmen hätte sollen, erscheint es mir nicht sinnvoll, meine Leber unnötig zu belasten, wenn ich doch offenbar gar keine Schmerzen mehr habe!

Am Freitag, also eine Woche nach meiner OP wurde ich entlassen. Ich war immer noch total schwach, klapprig und kraftlos. Ich konnte mich daheim nur mit Mühe fortbewegen. Aber es ging von Tag zu Tag besser. Am Montag nach meiner Entlassung wurde die erste Hälfte der Klammern aus der Narbe entfernt, am Donnerstag die zweite Hälfte und der Faden der Saugung.

Hinzufügen wäre noch, daß mein Mann vom Oberarzt tatsächlich gegen 12h nach meiner OP angerufen wurde. Ihm wurde gesagt, daß die OP gerade mal 40 min (angeblich wegen der hohen Kompetenz des Operateurs) gedauert hätte, es minimalinvasiv versucht worden wäre, aber weil die Meta ihr Volumen schon verdoppelt hatte , doch konventionell gemacht werden mußte. Die Narbe wäre 10cm lang.

Das ist nicht ganz richtig. Die Narbe ist genau 15cm lang, läuft ab der Mitte in der Brust kurz über der Umschlagfalte bis zur Mitte Achsel.

Der Histobefund hat bestätigt, daß es sich tatsächlich um eine MM-Meta gehandelt hat. Ein Mitoseindex wurde - trotz Zusage - nicht gemacht. Da wären wir wieder dabei, wie ernst ein Patient genommen wird...

Fotos von der Narbe stelle ich jetzt hier nicht rein, wer aber interessiert ist, kann mich gerne anschreiben, dann bekommt er welche.

So, jetzt hab ich Euch hoffentlich nicht zu sehr gelangweilt. Wenn noch Fragen auftauchen die ich beantworten kann, mach ich das , wie immer, gern.

Liebe Grüße

Claudia

P.S. Ergänzen möchte ich noch, daß ich ab ca. 2 Wochen nach der OP überhaupt keine Beschwerden mehr hatte und auch von der Lungenkapazität her überhaupt keine Einschränkungen habe.
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