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Alt 18.10.2002, 13:10
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Standard Dokumentarfilm über das Tabu Sterben

Liebe Susan,
hier meldet sich die Regisseurin des geplanten Films. Ich verfolge diese Diskussion, seit sie begonnen hat und sie bestärkt mich in dem Gefühl, dass das Thema Tod eines ist, das starke Gefühle provoziert und das uns in den Grundfesten erschüttert, wenn wir selbst damit konfrontiert sind - und auch eines, mit dem man oft allein gelassen wird, ob als Gesunder oder Kranker.
Ich verstehe beide Seiten: Wenn man sein Leben lebt, solange das möglich ist, ohne sich mit dem unweigerlichem Ende auseinanderzusetzen. Aber auch jene Menschen, die sich mit dem Thema beschäftigen, daraus Konsequenzen ziehen, Dinge verändern. Welche Dinge dies sind, welche Veränderungen und Erkenntnisse eine schwere Krankheit auslöst, dadurch, dass ein Mensch sich akut intensiv mit Leben und Tod auseinandersetzt, das ist das Thema meines Films. Was heisst das, 'bewusster' zu leben, wie es oft erwähnt wird?
Es ist nicht mein Anliegen, Menschen bis an ihr Ende zu begleiten, es geht mir nicht darum, das Sterben zu zeigen, sondern einen Ausschnitt aus dem Leben einiger Menschen, die sich in dieser Auseinandersetzung befinden, oder sie bereits hinter sich haben.
Mir war es etwas unangenehm, wie Du über die 'wunderbare Frau' aus Berlin gesprochen hast. Wir haben in kürzester Zeit ein recht enges Verhältnis entwickelt. Sie wollte diesen Film machen, weil sonst niemand mit ihr über ihr Sterben gesprochen hätte, Familie und Freunde haben das Thema konsequent abgeblockt. Doch für sie war es seit zehn Jahren präsent. Ich hatte den Eindruck, als würde sie am meisten bedauern, dass man damit einen wichtigen Teil ihres Lebens nicht akzeptieren würde. Sie wollte mit diesem Film ihre Gefühle und Gedanken hinterlassen, die ihre Krankheit und alle Veränderungen, die damit einher gingen, begleitet haben.
Vor kurzem starb sie, zwei Tage vor Drehbeginn, obwohl die Ärzte ihr noch Jahre bescheinigt hatten. Ich bin ehrlich gesagt sehr froh über die Zeit, die ich mit ihre hatte, für die Gespräche und dafür, dass ich einfach dabei sein konnte.
Ich habe gesehen, wie überfordert ich dem Thema oft gegenüberstand, ich traute mich mehrfach nicht, sehr intime Fragen zu stellen und sie war es, die immer wieder sagte: Mädchen, frag mich, was Du willst! Wir sterben alle. Schäm Dich nicht.
Und natürlich empfinde ich als derzeit gesunder Mensch sowetwas wie Scham oder fast sogar schlechtes Gewissen dabei, wenn ich mit Menschen rede, die das eben nicht sind. Aber für mich - ganz persönlich - möchte ich genau das durchbrechen: Diese Kluft zwischen Krank und Gesund.
Warum können Freunde - wie hier einige Male beschrieben - nicht mit der Krankheit eines engen Bekannten umgehen? Wie wichtig ist es, dass wir das Thema Tod nicht allzu sehr in den Alltag lassen? Oder verpassen wir damit vielleicht eine Chance? Dies sind die Fragen, die mich beschäftigen, sie sind die Ausgangsbasis für diesen Film, und diese Fragen kann ich nur jenen Menschen stellen, die diese Auseinandersetzung bereits führen oder geführt haben.
Viele Grüße aus Berlin, Ilona Bublitz
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