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Alt 18.10.2002, 13:45
Gast
 
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Standard Dokumentarfilm über das Tabu Sterben

Liebe Ingrid,
vielen Dank für Ihr Posting. Den Tod aus dem Tabu reissen ... Ich bin mir manchmal gar nicht so sicher, ob es tatsächlich ein Tabu ist oder nicht eher eine Art Vergessen... In jedem Fall wird so ein Film nur wenig bewegen können, vielleicht ist es nur allzu 'menschlich', die Augen zu verschließen. Nur vielleicht nicht für alle.
Was Sie beschreiben, hat auch meine Mutter durchgemacht: In kurzer Zeit starben ihr Vater, ihre Mutter, ihr Bruder und dessen Frau. Sie hatte niemanden, mit dem sie darüber sprechen konnte, was sie immens belastet hat, bis sie nach Jahren alles in einer Trauergruppe und durch ehrenamtliche Arbeit als Sterbebegleiterin aufarbeiten konnte. Sie ist viel 'weicher' geworden dadurch, hat einen Großteil Ängste abgelegt und konnte irgendwann auch mit meiner Schwester und mir über den Tod sprechen.
Ich finde nur, die Möglichkeit haben, über den Tod zu sprechen, wenn man das Anliegen hat, die sollte es geben. Und ich glaube tatsächlich, dass es ein gesellschaftliches Problem ist, dass dies manchmal so schwer möglich ist. Aber wie bei vielen gesellschaftlichen Dingen kommt es letztendlich auch auf den einzlenen an.
Und da, muss ich sagen, habe ich in all den Gesprächen, die ich bisher im Rahmen der Recherchen geführt habe, eine Menge gelernt. Über Vertrauen, Mut, Ängste und (Un-)Ehrlichkeit - auch gegenüber sich selbst.
Ich selbst beispielsweise hatte mich wirklich für offen und aufgeschlossen gehalten, aber wie ich in meinem Posting an Susan schon geschrieben habe: Dann tatsächlich mit dem Sterben eines anderen konfrontiert zu sein, ist eine andere Sache. Es war fast ein bisschen als hätte mir die Dame einen Spiegel vorgehalten. Es ist traurig, dass es dafür einer solch extremen Situation bedurfte, aber sie hat das gern getan und ich bin ihr dankbar dafür und wäre froh, wenn ich eines Tages so ehrlich mir selbst gegenüber sein könnte, wie sie es war.
Viele liebe Grüße, Ilona Bublitz
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