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Alt 15.01.2003, 19:23
Gast
 
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Standard Welche Hilfe gibt es f. Angehörige

Hallo Petra,
also ich als Krebsbetroffene gehe auch zu einer Psychiaterin. (Ein Psychologe wäre bei mir nicht ganz von der Kasse bezahlt worden, weil er kein anerkannter Arzt ist.)
Es ist schwierig, durch solche Zeiten zu gehen, und manchmal schafft man das gar nicht alleine, sei es nun, wenn man selber Betroffener ist oder Angehöriger.
Wenn Du selber das Gefühl hast, Du bist mit all dem überfordert und kommst da gar nicht mehr richtig raus, dann würde ich Dir schon raten, Dir professionelle Hilfe zu suchen. Soooo schlimm ist es gar nicht. Ich weiss, es braucht ein bisschen Überwindung dazu, ganz besonders am Anfang.
OB es was bringt, hängt erst mal von einem selbst ab, und dann natürlich auch von dem Psychologen oder Psychiater.
Also hier mal ein "Nähkästchen"-Tip:
Zuerst den Richtigen finden: Ein Psychiater/Psychologe sollte aufmerksam zuhören können, er sollte aber auch aktiv sprechen können! (Ehrlich, es gibt Psychiater, die fragen nur und hören nur zu, und dann ist für sie die Sache schon erledigt! Das hilft einem zwar im Moment, weil man selber reden kann, aber da könnte man ja das Ganze auch genau so gut nur in ein Tagebuch schreiben!) Er sollte also auch neben seinen eigenen Fragen Ideen vorbringen können, wie man selbst von seinen Problemen und Sorgen heraus kommen kann.
Das ist natürlich immer einfach gesagt, denn manche Psychiater gehen so psychologisch vor, dass sie durch ihre Fragerei den "Patienten" zu eigenen Antworten heraus fordern. Ist aber ja eigentlich auch okay so. (Nur, manchmal merkt man's nicht so schnell! - Grins!)

Also meine Psychiaterin fordert mich da manchmal auch ein bisschen heraus. Manchmal meine Wut, manchmal meine Einsichten. Manchmal versucht sie mich auch zu "spiegeln", indem sie meine eigenen Sätze wiederholt. Manchmal lobt sie mich und lacht mit mir.
Manchmal gehe ich aus unserer "Sitzung" raus, wobei ich das Gefühl habe, dass es überhaupt nichts gebracht hat heute. Manchmal gehe ich aber auch aus der "Sitzung" heraus, mit einem wirklich guten Gefühl. Es ist immer verschieden.
Ich kann nicht sagen, wie lange meine "Therapie" bei ihr dauert. Aber mir tun die Gespräche einfach gut. Wenn ich das Gefühl habe, es ist nicht mehr nötig, dann kann ich die "Sitzungen" jederzeit wieder beenden.

Die "Bereitschaft" zu einem Psychiater oder Psychologen hin zu gehen, sollte schon von Anfang an da sein. Damit meine ich, die Bereitschaft dazu, sich ein gutes Stück öffnen zu können und nachdenken zu können. Auch Veränderungen bei sich selbst zuzulassen. Hilfe zuzulassen.
Ich war auch nie ein "Fan" von sowas, Petra, denn manchmal hat man schon mal Mühe damit, wenn Leute einen dann plötzlich fragen: "Waaaaas? Du gehst zu einem Psychiater?" Zudem hatte ich immer den Grundgedanken, dass Psychiater ja sowieso nur immer in der ganzen Kindheitsgeschichte "herum wühlen" wollen!
Aber ich bin da trotzdem durch gegangen. Mir ist egal, was andere Leute darüber denken, WEIL ich zur Psychiaterin gehe. Zudem habe ich in den ganzen ersten Monaten NIE über meine Kindheit gesprochen, und ... erstaunlicherweise hat meine Psychiaterin nie gross danach gefragt! Sie überliess es wirklich mir selbst, WANN ich damit anfangen wollte. - Also eigentlich ganz locker, das Ganze.

Es gibt natürlich auch solche Geschichten, die man hört, ... dass der Besuch bei einem Psychiater alles nur noch schlimmer machen könnte! - Vielleicht? Ich denke, es liegt auch ein bisschen an uns selbst, den "richtigen" Mann (oder Frau) für diese Hilfe zu finden. Man kann den Psychiatern oder Psychologen auch den Vorschlag machen, nur mal zu einem "Probegespräch" zu kommen, oder es auch einfach mal für drei Monate oder so zu versuchen. In der Regel gehen sie darauf ein (ausser, sie sind völlig ausgebucht!)

Was meinst Du, Petra? Vielleicht kann Dir eine Krebsorganisation die entsprechende fachliche Hilfe anbieten? Dort kennt man vielleicht eher Psychologen oder Psychiater, welche auch Krebspatienten und deren Angehörigen helfen können.

Sich in psychologische oder psychiatrische Behandlung zu begeben, ist nichts, wofür man sich schämen muss. Es "klebt" eben noch immer dieses Etikett an dem Ganzen, dass man "Gaga" sein muss, sobald man so eine Hilfe braucht. Dem ist ganz und gar nicht so. Die Psyche gehört zum Menschen, und wenn diese überfordert ist - wie auch immer - dann benötigt sie genau so einen Arzt, wie der Körper einen Arzt braucht.
Finde ich jedenfalls.

Ich wünsche Dir alles, alles Liebe und viel Kraft, und Deinem Mann ganz, ganz viel Gesundheit.
Liebe Grüsse von
der "krasse" Brigitte

PS. Liebe shushu, ich umarme Dich ganz fest.
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