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Alt 01.10.2008, 12:36
Annika0211 Annika0211 ist offline
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Standard AW: Opa liegt im Sterben

Liebe Miriam.
Es tut mir leid, dass dein Opa diese Qual erduldet und es ihm sichtbar schlechter geht - und dir so schrecklich zumute ist.

Ich möchte dir gerne von meinem Papa berichten, der Silvester an den Folgen seiner Krebserkrankung (kein Hautkrebs) im Hospiz gestorben ist.
Mein Papa bekam bis zu seinem Tod 9 Monate lang parenterale Ernährung über seinen Port. Als er Weihnachten immer schwächer wurde und sein Zustand sich sichtlich verschlimmerte, war unser Doc nochmal da, da Papa starke Schmerzen im Brustbereich durch Husten hatte. Der Doc diagnostizierte eine einseitige Lungenentzündung, die eben diese Schmerzen durch das starke Husten des so arg schwachen Papas verursachte.
Der Doc erkannte, dass Papas nun bald seine letzte Reise antreten würde und wies uns darauf hin, mit dem Transport ins Hospiz nicht mehr zu lange zu warten. Er bot an, ihm Morphium zu spritzen, damit er nur noch schläft.
Das wollten wir nicht, denn Papa war - wenn er nicht geschlafen hat -, noch voll da und hat alles mitbekommen und gesprochen. Allerdings auch Beschwerden gehabt.
Der Doc fragte ihn selbst, ob er die Nahrung noch möchte oder nicht.
Papa wollte sie.
Er ist nach Weihnachten für seine letzten 4 Tage ins Hospiz gezogen und wir waren rund um die Uhr bei ihm.

Diese Nahrung (das erklärte uns der Doc und auch das Pflegeteam im Hospiz) entspricht nicht dem Hospiz-Sinn, denn sie verlängert das Leben und steigert nicht die Lebensqualität.
Aber es war Papas Wille bis zu letzt, dass er sie bekommt. Zusätzlich bekam er auch Flüssigkeit, obwohl er nebenbei trank - wohl nicht genügend.

Es ist richtig, was JF schreibt, dass ein Mensch eher ohne Essen als ohne Trinken auskommen kann. Ich teile JFs Meinung in seinem/ihren Beitrag.

Jeder praktizierende Human-Mediziner hat einen hippokratischen Eid abgelegt, dass er Menschenleben rettet.
Frage dich bitte nicht, ob es daher richtig ist, deinen Opa "verhungern" zu lassen, ihn dadurch zu "quälen".
Das darf der Doc nicht und das tut er damit auch nicht, "nur" weil er ihm die Nahrung abhängt. Er sorgt dafür, dass er Flüssigkeit bekommt, die in diesem Zustand wichtiger ist.
Viele Ärzte arbeiten mit Palliativ-Zentren zusammen. Und der Sinn der Palliativ-Behandlung ist, das Leben qualitativ zu verbessern und nicht quantitativ (verlängern um Tage/Wochen/Monate).

Als ersten Tipp möchte ich dir mitgeben, dass ihr deinen Opa in einem wachen Moment fragt, ob er die Nahrung will und was es für ihn bedeutet.
Ihr solltet das zu seiner Entscheidung machen. Es ist sein "Leben" bzw. sein Weg, den er geht.

Als zweiten Tipp bzw. Frage: habt ihr auch Unterstützung von einem ambulanten Hospiz-Dienst? Diese Leute wissen um die Steigerung der Lebensqualität bzw. können euch hilfreiche Hinweise geben und sind auch für euch als Angehörige da.
Es ist sehr, sehr schwer, einen Angehörigen, der so arge Schmerzen hat, zu Hause zu betreuen, wenn man "nicht vom Fach" ist.
Wir hatten einen Pflegedienst, der Papas Nahrung an- und abschloss und ihn wusch. Wir, die Familie, die ihn täglich betreute, hatten rund um die Uhr Angst, ihn falsch anzufassen, wenn er auf den Toilettenstuhl musste, wenn er aufgerichtet werden wollte, wenn er überhaupt etwas wollte... unsere Angst war so präsent, dass er sie bemerkt hat und sich uns zuliebe für das Hospiz entschied. Eine großartige, mutige, sehr sehr starke und Liebe zeigende Entscheidung von unserem Papa - so war er.

Ich wünsche deinem Opa, dass er keine Schmerzen mehr hat - die sind nicht nötig mit der richtig Schmerzbetreuung.
So, wie sich dein Bericht anhört, darf man deinem Opa wünschen, dass er seine Reise hinter den Horizont ganz friedlich und im Kreis seiner Lieben antreten darf, sobald er es möchte.

Ich wünsche auch dir unendlich viel Kraft, deinem Opa beizustehen, für ihn da zu sein, seine wachen Momente mit ihm zu teilen und ihm zu zeigen, wie sehr du ihn liebst. Ich wünsche dir auch, dass du ihn loslassen kann, damit er sich keine Sorgen machen muss und weiß, dass um ihn herum alles iO ist.

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Alles Liebe.
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Papa, für immer in meinem Herzen - 31.12.2007

Geändert von Annika0211 (01.10.2008 um 12:42 Uhr)
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