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Alt 29.11.2015, 00:29
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Martina2015 Martina2015 ist offline
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Standard AW: Oh mein Gott ! Kleinzeller Stadium IIIB bei meinem Lebensgefährten

Liebe Tina, liebe Mari,

es tut so gut, einfach alles so schreiben zu können, das kann ich viel besser als reden und meistens sind die Menschen, mit denen ich dann rede, auch selbst hautnah betroffen (unsere Tochter, meine Eltern), oder stehen mir nicht so nah wie z.B. meine Kollegen, die ich aber z.T. seit 20 Jahren kenne und wir haben ein gutes freundschaftliches Verhältnis zueinander. Einige wenige gute Freunde haben wir auch, die wohnen aber z.T. leider weiter weg oder sind selbst älter und/oder krank.

Er überlegt, diese 2. Chemo abzubrechen, Gott sei Dank, denn sie raubt ihm alle Lebensenergie und er kann nichts mehr machen, was ihm Spaß macht. Ob sie überhaupt hilft, ist eh fraglich. Er bekommt täglich eine Spritze zur Stärkung der Leukozyten und unser Hausarzt möchte ihm gerne noch homöopatisch unterstützend was geben. Kann sicher nicht schaden. Am Donnerstag will ich mit zum Hausarzt und dann zusammen darüber sprechen, ob die Fortführung der jetzigen Chemo Sinn hat.

Eben habe ich ihm auf dem Weg zur Toilette geholfen, habe einfach Angst, mal nicht mitzukriegen, wenn er nachts aufsteht und umkippt. Er schwankte schon sehr, immerhin ißt er minimal jetzt täglich 2 Toasts mit Belag, 1 Brötchen und etwas Brühe. Morgen koche ich eine kräftige Hühnerbrühe, davon will er aber nur die Brühe und nicht die Indigrenzien. Der Darm ist total träge und anscheinend sind sämtliche Darmbakterien, die für die Verdauung nötig sind, abgestorben. Ich habe ich schon wieder Angst vor dem morgigen Bad.

Da unsere Tochter nicht kommen konnte, versuche ich alleine das Chaos in der Wohnung einigermaßen in den Griff zu kriegen. Es fallen ihm z.B. schonmal die Fresubinflaschen aus der Hand und das klebrige Zeug ist dann überall, auf dem Teppich, auf der frischen Tischdecke usw. Außerdem stapeln sich überall Medikamente, Blutdruckmesser, Thermometer, physiotherapeutische Sachen wie Handigel usw. Kennt ihr das Gefühl, das Chaos kommt in Wellen und man kann es nicht mehr bewältigen ? Ich möchte einfach schlafen, schlafen und aufwachen und alles ist wie vorher. Leider geht das nicht.

Ich darf nicht ausfallen und hatte übrigens das erste Mal seit langem in einem ganzen Jahr keine Erkältung. Als ob mein Körper sich sagt :"das geht jetzt nicht". Gestern war ich immerhin das erste Mal seit Januar beim Friseur, aber nur zum Schneiden und schnell. Zum Zahnarzt muss ich unbedingt noch in diesem Jahr, hoffe, das kriege ich irgendwie hin.

Ich bin ein Mensch, der Vieles alleine mit sich ausmacht und deshalb weine ich wenig und meistens im stillen, wenn es keiner sieht. Ich versuche, möglichst rational zu bleiben , sonst haut mich das Grauen um. Jetzt braucht er mich mehr als in den fast 40 Jahren, die wir zusammen sind und ich muss und will stark sein. Er sagt auch für jede Kleinigkeit danke, das ist sonst gar nicht so seine Art. Er ist bescheiden geworden, traut sich aber gut, um etwas zu bitten, das finde ich sehr schön. Irgendwie ist er mir fremd, er sieht ganz anders aus als vorher, aber er ist auch weicher geworden, nachdenklicher. Ich glaube es gibt keinen Menschen, der ihn besser kennt als ich und das weiß er. Wie es so schön heißt, in guten wie in schlechten Zeiten, jetzt sind die schlechten Zeiten.

Ich wünsche euch allen da draußen viel Kraft, unsere Kranken können jede Hilfe brauchen und wir sind ja im Grunde auch mit krank.

LG Martina

Geändert von Martina2015 (29.11.2015 um 00:36 Uhr)
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