Thema: September
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Alt 17.09.2006, 22:30
Bellinda
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Standard AW: September

Liebe Lucie, das hast du schön formuliert und ich kann mich da nur anschließen!!!! (Bin übrigens auch in dem Club der "200km-zum-Onkologen-Fahrer")

Lieber Struwwelpeter,

wir alle sind hier da für dich - und dort, wo dein Gefühl dir sagt, dass du gut aufgehoben bist, sind die richtigen Ärzte mit der richtigen Medizin für dich!!!!!


Hab' ganz lieben Dank dafür, dass du sagst, ich finde die richtigen Worte für dich. Das ist ein großes Geschenk für mich und tut riesig gut. Stell' mal dir vor, es gäbe niemanden, der um Hilfe bittet, dann hätten die ganzen Helfer auf der Erde keine Aufgabe und keinen Sinn in ihrem Dasein mehr. Ich weiß nicht mehr, was ich wem schon erzählt habe, also bitte verzeihen, falls ich mich wiederhole... - in meinem Privatleben gibt es derzeit niemanden mehr, der mich braucht. So manches Mal schon habe ich mich gefragt, warum ich überhaupt überlebt habe. Und so bastle ich daran herum, meinem Leben wieder einen Sinn und Erfüllung zu geben. Ein Schritt auf diesem Weg war der Gang hier ins Krebsforum. Ich habe zwar auch noch ein kleines Päckchen zu tragen, und es tut gut, zu erleben, dass ich mit alledem nicht alleine bin. Aber die größere Motivation war, das weiterzugeben, was ich für mich als hilfreich erlebt habe, zu unterstützen, wo und inwieweit ich es kann.

Du siehst - ich gehöre auch in den "Helfersyndrom-Club" - immer einfühlsam, immer verständnisvoll, immer lieb ... und mit sich selbst härter im Gericht, als wir es jemals wagen würden, mit einem Fremden umzugehen. Brrrrrr

Woher ich dich so gut verstehen kann - weil ich in deinen Sätzen oft das Gefühl habe mich selbst, die alte und manchmal immer-noch-Jutta zu lesen ....

Die Worte die ich finde, entstehen aus meiner eigenen Erfahrung heraus. In vielem, was du schreibst, erkenne ich mich wieder. Letztendlich ist es doch einfach so, dass wir für uns selber blind sind und bei den anderen alles klar erkennen, und darum brauchen wir uns gegenseitig - dafür haben wir uns auch hier in diesem Forum. Wissen tun wir sowieso schon alles, niemand sagt uns mehr was Neues, doch hören müssen wir es anscheinend tausendmal, in immer neuer Formulierung, damit wir immer wieder dran denken, dies auch für uns selber umzusetzen und nicht nur für andere.

Ach Struwwelpeter, seit vielen Jahren schon bin ich "auf dem Weg", manche nennen's Spiritualität, manche Selbstfindung - alles Worte, treffender wäre vielleicht "Selbstverschlimmbesserung" - die meisten Wege zeigten auf, was ich schon "wusste", nämlich dass ich nicht ok bin, dass ich noch soooo viel an mir arbeiten muss, bis ich endlich (für mich) akzeptabel bin, von Erleuchtung ganz zu schweigen .... Dass mein Parnter, der während der Krankheit so liebvoll für mich sorgte, sich hinter meinem Rücken abends im Internet eine Nachfolgerin für mich suchte, sich mit ihr während meiner Reha traf und mir dann bei kurz nach meiner Heimkehr per Brief auf dem Wohnzimmertisch mitteilte, dass ich ausziehen kann - nachdem ich noch mit Blumen vom Bahnhof abgeholt worden war .... - das war ja wieder Wasser auf die alte Ich-bin-nicht-ok-Mühle.
Doch damit ist nun Schluss: Ich werde mich nicht mehr für nichts und niemanden verbiegen. Ich gebe mein Bestes, versuche nach ethischen und moralischen Prinzipien korrekt, mit Achtsamkeit und Liebe zu handeln, und wer mich damit nicht so nehmen kann wie ich bin, der soll es einfach lassen. Oder noch krasser formuliert: Der hat mich nicht verdient.
Es hat wohl den Krebs gebraucht - und mit ihm das Geschenk meines Psychoonkologen (die Kasse zahlt übrigens einige Probesitzungen - ich glaube 5 - zum Ausprobieren, ob die Chemie stimmt), um so weit zu kommen. So sehe ich die Erkrankung mittlerweile als guten Freund und weisen Begleiter
Eine Zeitlang hatte ich in meiner Signatur den schönen Spruch von Elisabeth Kübler-Ross (der Sterbeforscherin): I'm not ok, you'r not ok and THAT IS OK !!!
Das ist inzwischen mein Lieblingsmotto.

Die Hauptfrage in meinen Therapiestunden ist übrigens jedesmal, was ich noch Gutes für mich tun kann, noch liebevoller mit mir umgehen kann ..... ?.

Ich bin noch lange nicht da, wo ich hin möchte, aber ich bin viel zufriedener mit mir als ich es je war.
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"Alles zu seiner Zeit, so habe ich stets gedacht! Jetzt, leider bin ich jetzt ganz in Rente, ist wohl die Zeit da, wo dieser Müll aufgewühlt und verarbeitet werden muß. Und, es ist unendlich viel, es steht eigentlich nur ein kleiner Teil dessen drin, was angefallen war."

Lieber Struwwelpeter, wenn ich diese Worte lese, spüre ich ein wenig Traurigkeit in mir und mir kommt die Frage:
Vielleicht ist's ja gar kein Müll? Vielleicht lauter kleine weinende Kinder, die endlich einmal gehört und von dir in den Arm genommen wollen ....?

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Für heute eine gute Nacht
und ganz schöne Träume

Bellinda