Thema: Raus damit!
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Alt 09.08.2018, 22:24
Papstanwärter Papstanwärter ist offline
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Standard AW: Raus damit!

Liebe Mitstreiter,

nach dem Höhepunkt der Hitzewelle geht es jetzt wesentlich entspannter zu.
Die Temperaturen haben meinen ohnehin schon labilen Kreislauf dermaßen unterdrückt, dass ich vorläufig die Nase vollhabe vom ständigen Achterbahnfahren.

Die neue Form der Chemo ist ja nun, wie soll ich sagen, eigentlich auch schon nicht mehr aktuell.
Vor der ersten Gabe wurde noch ein EKG sowie ein Herz-Echo gemacht.
EKG ohne Auffälligkeiten, beim Echo die erste Aussage: ihre Herzklappen sind undicht. Aber macht nichts, ich sehe gerade, wie alt sie sind!

Ähm, hallo? Sagen sie es mir bitte so, ohne das ich jetzt irgendetwas reininterpretieren kann?! Steht bei Ihnen auch, das ich 49 Jahre alt bin?

Ach so, ja... die Undichtigkeit ist minimal und für einen Mann ihres Alters absolut alterskonform. Kein Grund zur Sorge.

Puuh, da habe ich ja Glück gehabt.

Rein körperlich stand einer Gabe also nichts im Wege.
Mein Onkologe gab mir direkt noch Rezepte mit, da die zu erwartenden Hautprobleme direkt von Anfang an gemildert werden sollten.
Und bei ersten Anzeichen von "außergewöhnlichen Entwicklungen" sollte ich mich unverzüglich melden.

Eine Stunde, und die Mixtur war durch die Vene gespült.
Zuerst spürte ich nichts, bei der zweistündigen Rückfahrt machten sich dann erste Schmerzen, allerdings erträglich, in der Bauchhöhle bemerkbar.
Zuhause angekommen schaffte ich es gerade noch auf die Couch.
Meldeten sich bisher immer vereinzelte Hotspots in Form von Schmerzen zu Wort, schien jetzt das ganze Konvolut einen Chor anzustimmen. Schön, wenn sich die Krebszellen einig zeigen und versuchen mir zu zeigen, wo es langgeht.
Naja, es ging nicht weit, wie gesagt nur auf die Couch, doch das reichte auch schon. Nach gefühlt ewiger Zeit fand ich endlich eine Position, die am wenigsten Beschwerden verursachte.
Jetzt zeigte ich es dem Schalentier und...schlief ein.
Zum Abend hin wurde es besser. Gerade rechtzeitig, die erste "Mahlzeit" in Tablettenform stand ja auch noch an. Drei winzig kleine Pillen. Mit einem Happs waren sie weg.
Tagelang wartete ich auf Veränderungen der Haut: Fehlanzeige.
Direkt nach Einnahme der Tabletten stellte sich jedoch massiver Durchfall ein.
Nach einer Woche rief ich in Essen an und schilderte mein Problem.
Ergebnis: Tabletten absetzen und massiv etwas gegen den Durchfall unternehmen. Loperamid wurde mein zweiter Vorname, nutzte jedoch nichts.
Schwierig wurde es, das sich der Flüssigkeitsverlust durch das Wetter nicht gerade verringerte und ich kaum, nein, gar nicht, dagegen antrinken konnte.
Letzten Freitag also wieder in Essen, folgende Probleme kamen auf den Tisch:

- Durchfall
- ansteigender Schmerzpegel
- die letzten acht Wochen 10kg Gewicht verloren
- körperlich nicht belastbar

Der Onkologe sah mich an: dann werden wir Ihnen doch mal ein paar Tage Ruhe gönnen und stationär aufnehmen. Zum aufpäppeln.

Ich dachte, nicht richtig zu hören. Stationär? Nur über meine Leiche, und so weit ist es noch nicht.
Nun ja, Kurzform der Lösung:
- Tabletten bleiben abgesetzt, Loperamid weiter konsumieren
- veränderte Schmerzmitteldosierung: morgens und Abend jeweils 20mg Morphin, alle sechs Stunden Novalgin und ein schnell wirkendes Morphin zusätzlich "für zwischendurch"
- parenterale Ernährung über den Port mit 1200kcal sowie 1,5ltr Flüssigkeit

Und an dem Tag halt doch noch die Infusion mit dem Antikörper.
Zuhause angekommen entwickelte es sich zuerst wie beim ersten Mal.
Komisch wurde es, als ich bei 36 Grad Aussentemperatur anfing zu frieren.
Zum Abend zeigte das Fieberthermometer muntere 39,9Grad.

Da begann für Wanja ein kleiner Telefonmarathon. Zuerst Anruf beim palliativen Notdienst. Die wünschten sich weitere Infos aus Essen. An einem Freitagabend Infos zu besorgen ist schon ein kleines Abenteuer.
Drei Bänder in Folge wiesen auf den Feierabend hin. Der letzte Hinweis betraf die Station in der Bettenklinik. Der dort versprochene Rückruf des diensthabenden Arztes erfolgte tatsächlich innerhalb fünf Minuten. Sämtliche Daten konnte er im System abrufen und stellte fest, das das Blutbild vom Morgen wesentlich erhöhte Entzündungswerte zeigte. Darauf kam dann noch die Infusion und siehe da: ich brodelte vor mich hin. Er empfahl ein Antibiotikum, die Ärztin des palliativen Notdienst kam vorbei und stellte das Rezept aus.
Dann noch schnell zur Notapotheke im Nachbarort und die Pillen (sehen eigentlich fast wie Zäpfchen aus, ich hoffe ich nehme sie korrekt ein) lagen auf dem Tisch.
Seit Freitagabend nehme ich jetzt also das Antibiotikum, das Fieber ist weg, dafür der Durchfall in verstärkter Form wieder da.
Und letzte Nacht kam ich das erste Mal in den Genuss der Flüssignahrung.
Mal schauen, was es bewirkt.

Manchmal sitze ich auf der Terrasse und schaue voller Wehmut auf die Ecke, die eigentlich zum Umbau in die Open-Air-Küche geplant war. Nun ja, der Wille war da...

@Kaffeetrinkerin
Liebe Nina,

ich habe mich besonders gefreut, von Dir zu lesen. Ich wünsche Dir alles erdenklich Gute

@fluturi und lunetta
Vielen lieben Dank für die guten Wünsche.

@zebra01
Liebe Katharina,

ich wünsche Dir und Deinem Mann viel Kraft und die Möglichkeit, anhand der Chemo dem Schalentier ein Schnäppchen zu schlagen. Welche Therapie soll denn versucht werden?