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Alt 04.06.2005, 23:43
Gast
 
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Standard Nicht nichts ohne dich, aber nicht dasselbe.......

Hallo Briele,

schön, dass du wieder schreibst und es dir besser geht- Ich hatte mal in schlimmen Zeiten Angststörungen,die sich massiv in Herzrasen geäußert hat, deshalb auch meine Besorgnis, denn das war wirklich schlimm.Da hat man ja das Gefühl, dass sich gleich mal das Herz überstolpert, das macht Angst.Hast du auch manchmal Angst dabei?

Ach ja,die Wohnung meiner Mama.Schon ganz seltsam, dass du jetzt danach fragst,habe mich nämlich gerade gestern intensiv damit auseinandergesetzt.Nein, zum Glück mußte ich die Wohnung nicht gleich räumen,sie ist ja in unserem Haus,in dem wir, nach dem Auszug meines Lebensgefährten, jetzt zu zweit wohnen ,mein Bruder und ich und alle vierzehn Tage sein Sohn bzw.mein Neffe. Nein, Briele, ich hätte mir nicht vorstellen können,da gleich herumzuräumen, das wäre herzzerreißend gewesen.Ich habe Mama noch ca.ein halbes Jahr in dieser Wohnung intensiv gespürt,sie war noch "da" und ich habe irgendwie das Gefühl gehabt, sie braucht die Wohnung noch, bevor sie dann endgültig weitergeht. Nun,nach 10 Monaten ist es anders geworden. Sie ist nun wirklich weggegangen- so fühle ich es und nun braucht sie die vertrauten Räume nicht mehr.Was mit ihrer Wohnung passieren soll, hat sie mir noch gesagt.Sie soll für ihren Enkel und meinem Hund sein ( Für den Hund deshalb,weil Mama wußte, dass unser Hund die Treppen in den ersten Stock in meine Wohnung aus Alters-und Krankheitsgründen bald nicht mehr schaffen wird und deshalb dann in ihrer ebenerdigen Wohnung schlafen kann.Außerdem ist mein Hund ihre Wohnung so gewohnt gewesen,lag sie doch während Mamas Krankheit wie einbetoniert immer neben ihrem Bett.)Jetzt ist für mich die Zeit gekommen, wo ich ihre Wohnung ordnen und ausmustern kann, ohne dass mich der Schmerz "wie ein wildes Tier anspringt-Zitat Briele".Ein weiterer wichtiger Schritt wird es trotzdem sein für mich.Aber jetzt fange ich an wirklich zu verstehen, was du mit dem Ausdruck " die Mutter fest in sich haben" wohl meinst bzw. welches Gefühl das ist. Ich brauche die Wohnung meiner Mama nicht mehr so zu belassen wie sie war, weil ich Mama jetzt in mir habe und nichts von Außen mehr brauche um sicher zu sein, dass ich sie nicht verliere.Die Bilder von ihr sind da, meine Erinnerungen an sie verbunden mit Zärtlichkeit auch. Das ist ein schönes, befreiendes Gefühl. Einen Brief werde ich wohl auch nicht finden von ihr, wir hatten Gott sei Dank noch Zeit zu reden und zu ordnen. Eines habe ich aber doch gefunden, das mich sehr verstört hat:Meine Mama hatte sich eine Art Lebensbuch angelegt, da schrieb sie Gedichte, Gedanken und Geschehnisse hinein,die ihr wichtig waren.In diesem Buch fand ich eine Art Gedicht von ihr, fünf Jahre zurückliegend, in dem sie ihren Tod beschreibt. Sie schrieb u.a., dass sie nachts sterben wird und wenn die Morgendämmerung einsetzt,habe sie es geschafft und Ruhe gefunden. Sie hatte recht, sie starb nachts und als wir danach das Krankenhaus verließen, war das erste Morgenrot da. Ach ,meine Mama, die Hexe- sie fühlte wirklich viel voraus.Wie vermisse ich unsere Gespräche !
Wollte noch sagen, dass ich nach dem, was du mir von dir und deiner Mama geschrieben hast, auch denke, dass es keinen Abschiedsbrief mehr gebraucht hat.Euer Austausch dauerte bis zuletzt an, du bist mit ihr den Weg bis zur Schwelle gegangen, zwei Frauen, die in innerer Verbindung standen bis zum Schluß.Das ist mein Eindruck, Briele, ein ganz schöner, ich freue mich für dich, dass ihr euch das sein konntet.

Im übrigen bin ich heute sehr traurig und besorgt. Papa geht es schlecht, immer wieder hat er mit den Auswirkungen der Nierentransplantation und den Nebenwirkungen der 23 Tabletten,die er täglich nehmen muss,zu kämpfen.Er ist so tapfer und schon so lange krank, aber mir scheint,jetzt geht ihm schön langsam "die Luft aus".Es tut mir so weh,ihn so zu erleben,andererseits bin ich froh, dass er mir endlich mal zeigt,wie es in ihm ausschaut.In mir ist seit heute ganz stark wieder der Gedanke:"Nütze die Zeit mit ihm " und das werde ich tun.Hoffentlich haben wir noch viel Zeit !

Ach, das Hundetraining-da liegt mein ganzes Herz daran. Ich mache das neben meiner Arbeit,habe es als Gewerbe angemeldet und bekomme nun auch Geld dafür. Habe es aber jahrelang ehrenamtlich in einem Verein gemacht, aber nach vielen Seminaren und Weiterbildungen haben ich und meine Freundin beschlossen,das nun doch gewerbl.zu machen. Es ist einfach schön, mehr oder weniger unwissende Hundebesitzer mit ihrem Hund "zusammenzuführen" und ihnen die Sprache der Hunde zu übersetzen.In kleinem Ausmaß konnte ich das auch neben der Krankheit meiner Mutter weitermachen und das war gut für mich, das holte mich aus meiner Angst heraus, wenn auch nur für ein,zwei Stunden.Und es waren diese "Hundeleute", die mir mehr beistanden als einige viel engere Freunde.U.a. haben sie eine Menge Geld gesammelt, als mein Hund gleich nach Mamas Tod einen Bandscheibenvorfall hatte( wohl nicht zufällig zu diesem Zeitpunkt) und notoperiert werden musste.( eine teure Op,und das nach Monaten des Hospizkarenz, was ja ein Nulleinkommen bedeutete)Das klingt vielleicht unverständlich, aber sie wußten einfach, dass ich meinen Hund gerade nach Mamas Tod dringend "brauche".

Briele,danke für dein Interesse ! Es tut so gut,über all das zu schreiben und ist Therapie für mich ( apropos Therapie- komme ja beruflich aus einem ähnlichen Eck, habe doch einige Kenntnis darüber und meine, es gibt wertvolle Therapeuten, aber viele ,die nicht so viel bringen.Es ist einfach so wichtig,welches Menschenbild der Therapeut hat, wichtiger als seine Therapieausrichtung,finde ich )

Noch ein schönes Wochenende für dich und deinen fair streitenden Werner,

alles Liebe für heute,Alina