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Alt 26.04.2018, 08:25
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mohnblume79 mohnblume79 ist offline
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Standard AW: Nehmt ihr Psychopharmaka

Liebe Carina1000, ich habe keine Psychopharmaka genommen, aber möchte mir dafür jetzt manchmal eine runterhauen . Gegen alle Nebenwirkungen (Übelkeit etc.) habe ich mir etwas "gegönnt", aber bei Psychopharmaka habe ich mich verwehrt, warum eigentlich? Und vielleicht habe ich mich damals hier tapfer gelesen oder tapfer auf mein Umfeld gewirkt oder was auch immer, aber ich war es garantiert auch nicht mehr als Du Dich jetzt fühlst.

Ich habe zwei Verwandte in der Palliativsituation (bis zu 3 Jahre mit unheilbarem Krebs) erlebt und sie haben beide Psychopharmaka genommen und es hat wirklich gut unterstützt. Und gerade wenn die Zeit nach allem Anschein knapper wird: warum soll man sie dann darauf verschwenden, etwas aushalten zu müssen, wenn wirksame Medikamente etwas unterstützen können, z.B. den so nötigen Schlaf.

Eine Freundin von mir hat sich ebenfalls in der unheilbaren Situation dafür entschieden, Angstlöser und ein Antidepressiva zu nehmen, einfach damit die Zeit mit ihren drei Kindern nicht noch zusätzlich belastet ist und ist für diese Entscheidung jetzt sehr dankbar, weil sie ein bisschen mehr Kraft für den Alltag gewonnen hat. Und sie ist zusätzlich derzeit mit einem völligen Stillstand der Krankheit gesegnet, so dass die gewonnene Zeit doppelt gut ist.

Psychoonkologe muß man ausprobieren, ob man jemanden findet, der einem "schmeckt" aber auch da: die Krankenkasse bezahlt dafür, dass man evtl einen netten Menschen mehr an der Seite hat, der das Ganze erträglicher macht. Ich hatte großes Glück, an zwei ganz tolle Frauen zu geraten (eine während der akuten Krankenhausbehandlung, eine danach) und bin beiden sehr dankbar für eine warmherzige, kluge und emphatische Begleitung dieser Zeit.

Und ansonsten gebe ich Marsella völlig recht: bei Krebs ist alles möglich. Und auch Situationen die dem Anschein nach zum Verzweifeln sind, können sich anders entwickeln als die Statistik sagt. Ich habe einmal in einem Artikel den Wunsch einer Frau (in einer Gefängnissituation) gelesen, dass sie sich nicht innerlich (mit ihrem Wesen) sterben lassen wollte, bevor der Körper sie nicht im Stich lässt.
Deshalb: es lohnt sich beide Ebenen anzugehen und sich alle Unterstützung zu holen, die man brauchen kann.

Und Psychopharmaka sind ja nicht unumkehrbar. Wenn Dir ein Medikament nicht gut tut, kannst Du es wieder absetzen und ein anderes probieren. Wenn es gut tut, aber Du irgendwann nicht mehr weiterhin auf Tabletten angewiesen sein möchtest, kannst Du sie auch ausschleichen. Die Entscheidung, die Du heute triffst, kannst Du danach jederzeit wieder überdenken und neu treffen.
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