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Alt 08.12.2009, 09:25
Schneekugel Schneekugel ist offline
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Standard AW: Papa hat Flügel bekommen...

Lieber Papa,

mir geht es gerade so richtig dreckig. Ich kann mir auch überhaupt nicht vorstellen, dass es mir je wieder besser gehen wird. Es wirds alles nur immer schlimmer, statt besser. Um mich herum erwarten einige, dass es "jetzt doch auch mal gut sein muss". Ich bin ja schließlich kein kleines Kind mehr. Dabei fühle ich mich kleiner und hilfloser, als je zuvor. Ich hasse mein Leben gerade total und finde überhaupt keinen Spaß mehr an irgendwas. Ich lebe einfach nur noch von Tag zu Tag und versuche die Situation auszuhalten, zu ertragen, zu überstehen. Aber an manchen tagen muss ich fast von Stunde zu Stunde leben. Ich bin so wütend und mein Leben ist nur noch von Angst oder Trauer oder beidem gleichzeitig bestimmt. Wenn ich durch die Straßen gehe und die Weihnachtsbeleuchtungen sehe, könnte ich durchdrehen. Was für einen Sinn hat das alles noch für mich? Weihnachten ohne die wichtigsten Menschen, ist nicht Weihnachten. Scheiße mir geht´s echt hundeelend und ich überlege, ob ich mich noch mal an eine Therapie herantasten soll. Ich will nicht, dass es nun mein ganzes Leben so weitergeht. Diesen Monat ist Weihnachten und mein Geburtstag und Silvester. Und ich habe einfach nur pure Angst vor diesen Tagen. Es wird nie mehr so wie früher und ich kriege mein Leben nicht mehr in den Griff. Ich bin nicht mal über Omas und Opas Tod hinweg. Und das ist nun 10 bzw. 6 Jahre her. Aber dass Du nicht mehr bei mir bist, ist noch viel viel unerträglicher. Dazu kommt, dass ich seit ein paar Monaten ganz schrckliche Verlustängste habe. Ich habe dauernd Angst um Mama. Was passiert an dem tag, wenn ich auch sie verliere? Mir wird das alles zuviel. Ende Oktober waren wir für ein langes Wochenende auf Borkum. Einfach mal nur abschalten. Aber leider waren die Tage viel zu kurz. Ich bin einfach völlig erschöpft. Nicht körperlich, aber seelisch.
Wie sehr habe ich Weihnachten noch vor 10 Jahren geliebt, aber dann kam ein Hammer nach dem nächsten. Mittlerweile habe ich nur noch Angst davor.
Verdammte Scheiße...ich vermisse Dich sooo sehr Papa. Du fehlst mir unendlich. Ich würde so gern Dein Gemecker hören. Ich würde so gerne Deine Launen ertragen. So gerne würde ich genervt zum 10.Mal meine Sätze wiederholen, weil Du zu eitel bist Dein Hörgerät zu tragen. Wie gerne würde ich im Frühling die ekligen Geräusche hören, die Du im Hals machst, weil er vom Heuschnupfen juckt. Ich wünsche mir alle Sachen, die mich je gestört haben auf einen Schlag. Für immer. Wärest Du nur wieder hier bei uns.

Ich liebe Dich
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*1949 +2009
Mein lieber Papa durfte nur 60 Jahre jung werden

31.07.2008: Überweisung ins Krankenhaus
13.08.2008: Diagnose "Nasopharynx CA T4N2M0 G3". Chemo und Bestrahlung!
09.01.2009: 60.und letzter Geburtstag
02.02.2009: Diagnose "Frühprogression" und Einleitung einer Antikörpertherapie.
01.04.2009: Schlaganfall als Nebenwirkung der Antikörpertherapie. Papa hat Flügel bekommen

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