Einzelnen Beitrag anzeigen
  #35  
Alt 26.06.2003, 08:34
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Nierenzellkarzinom und Lungenmetastasen

Lieber Heino,

auch ich würde Deinen Zustand nach so vielen Jahren der Tumorfreiheit medizinisch z.Zt.als geheilt bezeichnen. Aber ich bin immer etwas vorsichtig mit diesem Begriff.
Erstens, weil das Nierenkarzinom sehr, sehr tückisch ist und auch noch nach Jahren metastasieren kann. DU weißt um diese Gefahr und schätzt sie, wie ich Deinen Berichten immer wieder entnehme, auch sehr realistisch ein. Viele Menschen tun das leider nicht. Im Gegensatz zu vielen anderen nutzt Du die regelmäßigen Kontrollen, OBWOHL Du schon so lange tumorfrei bist. Und Du WEISST, daß diese Krankheit nicht zu unterschätzen ist.
Zweitens ist Dein Erfolg sehr, sehr selten! In der Regel stimmt es schon, daß man ein metastasierendes Nierenkarzionm nicht mehr heilen kann ( das ist dann die palliative Therapie ). Man kann einen Krankheitsstillstand erreichen und man kann im besten Fall eine totale Remission erreichen. Beides kann über Jahre erhalten werden. Aber man ist nie vor einem Rückschlag sicher.
Ich habe zu oft schon erleben müssen, daß man GLAUBTE, geheilt zu sein und dann kam das böse Erwachen, weil irgendwo wieder etwas vom Nierenzellkarzinnom auftrat und das auch bei nicht metastasierten Formen. Zu oft wird leider diese Krankheit unterschätzt. Auch vom ärztlichen Bereich wird oft zu dieser Fehleinschätzung verholfen. Die Patienten werden als "geheilt" nach der Operation aus der Klinik entlassen, denn man konnte den Tumor vollständig entfernen und für Metastasen gab es keinen Anhalt. Und dann kommt das Problem: der Klinikarzt spricht die Empfehlung aus: Gehen sie mal jedes Jahr zum SONOGRAMM, um zu sehen, das alles in Ordnung ist. (manchmal ist zuvor NIE ein CT der Lunge z. B. durchgeführt worden ) Und damit nimmt das Unheil häufig seinen Lauf: das Sonogramm ist definitiv zu ungenau, jährliche Kontrollen sind viel zu wenig, der Patient denkt nicht mehr an seine Erkankung ( er ist ja kein Krebspatient mehr, er ist ja schließlich geheilt )und wird nachlässig und dann kommt die böse Überraschung: irgendwo meldet sich der Tumor wieder.
Deine Berichte zeigen mir, daß Du sehr wohl weißt, welche Erkrankung bei Dir festgestellt wurde und daß Du NIE, auch nach den vielen Jahren, den Respekt vor dieser Erkankung verloren hast. Daran können sich viele ein Beispiel nehmen. Und ich wünschte, daß mehr Patienten in den Genuss eines solchen Erfolges kommen könnten.
Auch WIR hoffen, daß uns vielleicht der Weg dahin vergönnt ist. Wir WISSEN es aber nicht. Wir WISSEN, daß wir auf einem sehr guten Weg sind ( das hat die Pathologie des Lymphknotenpaketes gezeigt ). Wir WISSEN, daß die Immun-Chemo z. Zt. nicht nur bei Jürgen einen Krankheitsstillstand bewirkt, sondern,daß das Immunsystem AKTIV durch die Immunchemo die Krebszellen regressiv, also rückbildend, beeinflusst. Und das ist ein sehr, sehr schönes Wissen und berechtigt zu Hoffnung. Ob es von Dauer sein wird und ob die Rückbildungstätigkeit bestehen bleibt, können wir nur abwarten. Das werden die Zeit und die nächsten Untersuchungen nach weiterer Immun-Chemo zeigen. Aber dieser Weg lohnt sich, auch wenn er manchmal sehr schwierig zu gehen ist und wenn manchmal die Nebenwirkungen der Therapie die Hoffnung auf Erfolg zudecken und man kurz vor dem Aufgeben ist. Denn auch Jürgen war schon so weit, daß er mit dem Gedanken an das Aufgeben der Therapie gespielt hat. Denn wie schwer ist es, zu erleben, daß man während und noch einige Zeit nach der Therapie kräftemäßig ganz unten ist ( obwohl man vorher doch topfit war und auch keine Beschwerden hatte ), daß man sich erst nach jeder Therapie wieder aufbauen muß, von ganz unten langsam wieder nach oben päppeln muß, nur um dann nach kurzer Zeit des Wiederaufbaus in einen neuen Kurs einzusteigen und dasselbe wieder von vorn zu erleben!!! Ich denke, daß da den meisten Patienten irgendwann einmal der Gedanke ans Aufgeben kommt! Und dann sind die Angehörigen oder Freunde gefragt, so wie auch Du, lieber Heino, von Deiner "starken" Frau berichtet hast.
Und diese Worte möchte ich gezielt an Dich, lieber Jörg richten: Hier kannst DU eingreifen, unterstützend dasein, Mut geben oder einfach nur da sein, verständnisvoll, liebevoll....
Das ist es, was ich meinte, wenn ich gesagt habe,vielleicht kannst Du Deinen Vater unterstützen....
Ich weiß nicht, ob man sich vorstellen kann, wie es manches Mal in mir ausgesehen hat: die Krankenschwester, die WEISS, daß die Immun-Chemo die EINZIGE reelle Chance ist, die aus meiner Sicht durchgeführt werden "MÜSSTE", die aber auch weiss, mit welchen Nebenwirkungen sie behaftet ist und wie schwer sie manchmal zu ertragen ist. Und die Ehefrau, die sich oft gefragt hat, WAS KANNST DU DEINEM MANN NOCH ALLES ZUMUTEN?????, wenn sie gesehen hat, wie sehr er unter den Nebenwirkungen ( die medizinisch gesehen, viel schlimmer hätten sein können )gelitten hat! Und trotzdem möchte ich jedem Mut machen:
VERSUCHT ES, ES IST EINE REELLE CHANCE AUF LEBEN !!! Und es ist zu schaffen!!! Ich stehe gerne jedem, der die Immun-Chemo macht, mit Rat zur Seite (sofern ich kann ), wenn er mal nicht mehr weiter weiß, oder wenn es mal brennt. Gerne gebe ich Erfahrungen, die wir gemacht haben, weiter - vielleicht mützen sie dem einen oder anderen. Ich kann niemandem die Therapie abnehmen, das kann keiner, aber ich kann nur darin bestärken, den Versuch zu unternehmen.
Lieber Heino, Dir möchte ich von ganzem Herzen noch viele, viele Jahre Gesundheit wünschen. Und ich finde es toll, wie sachlich Du aus Deiner Sicht Deinen Erfolg schilderst und damit bestimmt vielen Menschen Hilfstellung geben kannst. Mach weiter so.
Liebe Grüße,
Ulrike

Lieber Heino,
zuerst einmal bewundere ich Dich, wie Du mit wenigen Worten das ausdrücken kannst, wozu Ulrike oder ich mehrere Seiten benötigen. Ich wollte, ich könnte das auch. Für mich bist Du auch geheilt, aber Du hast begriffen, daß "nach dem Spiel - vor dem Spiel" ist. Das, was bei Dir jetzt "Vorsorge-Untersuchungen des Geheilten" ist (und das machst Du ja peinlichst genau, wie ich Deinen Berichten entnommen habe) ist bei mir (noch) "Nachsorge" und damit auch wieder Vorsorge, um ggfls. schnellstmöglich eingreifen zu können. Danke für das "Weichei" - ich habe immer gesagt, "man muß schon ganz schön gesund sein, um die Krankheit zu überleben" (und die Therapie durchzustehen). Da ich natürlich nicht von mir ausgehen konnte, wie ich die Therapie durchstehe, hätte ich mich nicht getraut, Dein "Weichei"-Wort zu benutzen. Aber: Umsonst gibt es nichts. Für nix gibts nix. Man muß schon was für sich tun - oder die Chancen sind zumindest erheblich geringer - oder wir warten auf Wunder. Ich kann nur jedem raten, ES ZUMINDEST ZU VERSUCHEN - ABBRECHEN ODER EINE ANDERE THERAPIE MACHEN KANN MAN IMMER NOCH. Aber eines meiner wichtigsten Lebensgrundsätze war immer : Der schlechteste Versuch ist der, den man nicht unternimmt.
Heino, ich fühle mich als "Nicht-Weichei" und grüße alle
Jürgen
Mit Zitat antworten