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Alt 18.02.2016, 16:10
Tonwerk Tonwerk ist offline
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Standard AW: Krebsbewältigung

Liebe Pia,

dein Beitrag hat mich sehr berührt, vielleicht weil es mir so ähnlich ging wie dir. Ich komme allerdings aus dem Brustkrebs-Forum und bin auch ein paar Jährchen älter als du.

Tja, ich würde mich auch als sehr positiven Menschen mit einer guten Portion Kampfgeist bezeichnen und trotzdem hatte ich nach OP, 6 Monaten Chemo und Bestrahlung irgendwie gar keine gute Zeit durchgemacht. Ich war auch in psychotherapeutischer Behandlung während der Chemo etc., das hat etwas geholfen. Richtig viel gebracht haben mir allerdings meine beiden Reha-Aufenthalte! Warst du denn schon bei einer Reha? Ich war anfangs furchtbar skeptisch, denn ich wollte nicht mit lauter "Kranken" zusammen sein. Alleine schon Leute zu treffen, die wieder ein ganz normales Leben führen, war dann aber für mich sehr ermutigend.

Und bei der zweiten Reha habe ich mich auch in der "Tumorgruppe" angemeldet sowie in der Streßbewältigungsgruppe, beides von einer genialen Psychologin geleitet und das hat den Stein dann so richtig ins Rollen gebracht. Sie hat auch gesagt, dass es ganz normal ist, sich während der aktiven Krankheitsbewältigung auf die körperlichen Aspekte zu konzentrieren, denn das steht im Vordergrund. Und dann folgt die Seele und die geht gerne zu Fuß, während die Entwicklung vorher mehr der ICE war. Sie hat uns auch einige Strategien für Angstattacken etc. beigebracht und außerdem bin ich ein großer Fan von Meditation, Qi Gong und Fantasiereisen. Auch das kannst du in den meisten Reha-Kliniken mal ausprobieren und sehen, ob das etwas für dich ist.

Tja, der Rückweg vom Planet Krebs ist noch länger, anstrengender und einsamer als die Hinreise. Ich fand es auch nicht besonders prickelnd zu sagen, dass ich zwar Chemo und alles ziemlich gut hinter mich gebracht habe, mir es aber nicht wirklich gut geht. Das ist für das Umfeld schwierig zu verstehen, denn jetzt hat man es doch "geschafft" und alles ist gut.

Bei mir sind es nun 1,5 Jahre nach der letzten Chemo und jetzt erst habe ich langsam den Eindruck, wieder dazu zu gehören. Irgendwie hatte ich das Vertrauen zum Leben und zu meinem Körper verloren und das hat weh getan. Dass auch noch zwei deiner Freundinnen gestorben sind, tut mir sehr leid. Auch aus meinem Chemogrüppchen haben es nicht alle geschafft und das ist sehr, sehr hart zu akzeptieren. Man fühlt sich verletzlich, wenn das Überleben anscheinend auch eine Glückssache ist.

Ich habe auch viel über das Thema gelesen, unter anderem ein Buch mit dem Titel "Wer vor dem Schmerz flieht, wird von ihm eingeholt", das fand ich sehr hilfreich. Und übrigens habe ich etwas ähnliches wie Hans gemacht: ich war als "Abschluß" meiner Krankheit jetzt für 4 Wochen in Neuseeland und dort konnte ich tatsächlich so einiges aus den letzten 2 Jahren hinter mir lassen.

Liebe Pia, ich bin mir sicher, du schaffst es! Hol dir so viel Hilfe, wie du nur kannst und wenn du noch mehr Anregungen zu Literatur oder Fantasiereisen etc. brauchst, kannst du die gerne von mir bekommen. Ich genieße mein Leben heute viel intensiver als früher, auch wenn manchmal große Wolken vorüberziehen und Platz für Trauer und Traurigkeit fordern.

Alles, alles Gute!

Ingrid
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