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Alt 05.10.2004, 19:13
Gast
 
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Standard Was kann ich noch tun?

Hallo Beatrix,
wenn ich Deinen Kummer so lese, dann meine ich immer, meine Geschichte wiederholt sich. Auch mein Mann konnte zum Schluß gar nichts mehr essen. Am liebsten mochte er noch etwas Fruchtkompott oder Wassermelone in kleine Würfel geschnitten. Die letzten Tage ging dann gar nichts mehr. Erst hatte ich ihn noch in die Klinik gebracht. Dort haben sie ihm jeden Tag 3 x Normalkost hingestellt. Er konnte das Essen nicht einmal mehr riechen. Ich habe ihn dann wieder mit nach Hause genommen. Aber unser Hausarzt hat die künstliche Ernährung und Infusionen abgelehnt. Ich habe mich damals furchtbar aufgeregt. Im Nachhinein muß ich es aber doch so sehen, dass eine Verlängerung des Leidens nichts mehr gebracht hätte, auch wenn dies sehr hart klingt, es war einfach s c h r e c k l i c h. Achte darauf, dass er noch regelmäßig trinkt. Und vor allen Dingen, solange er noch kann Abführmittel nimmt. Schmerzmittel verstopfen arg, was noch mehr Bauchschmerzen verursacht. Mein Mann hatte zum Schluß hochdosiertes Schmerzpflaster und dazu Morphiumtropfen. Tabletten konnte er nicht mehr schlucken. Ich hab ihm die Flüssigkeit einfach löffchenweise eingeben müssen und warten müssen, bis der Schluckreflex automatisch gekommen ist. Es ist einfach schlimm, was ein Mensch so durchmachen muß.
Ja, ja und dann die Mütter. Meine Mutter war auch so ein Nervengeist. Am meisten hat sie mich die Tage bis zur Beerdigung genervt. Ich konnte einfach nichts richtig machen. Was sie da alles gemeckert hat, ist einfach unmöglich gewesen. Vor drei Tagen sagt sie doch glatt zu mir, andere Frauen trösten sich auch wieder und haben nach einem halben Jahr schon wieder einen neuen Partner. Ich habe sie dann eiskalt gefragt, warum sie sich dann in zwanzig Jahren, seit dem Tod meines Vaters keinen Mann mehr gesucht hat. Sie war dann zwar beleidigt, ist mir egal. Sie hat gut reden. Ist mit ihrem hohen Alter quitschlebendig. Wird wahrscheinlich bei dir auch so sein.
Mach dir nichts aus dem bißchen Kummerspeck. Du hast irgendwann so viel Hektik, da geht das wieder von selbst weg. Du schreibst, Du bist 54 Jahre alt. Ich bin 48 Jahre alt und auch wir hatten noch so viel vor. Wir haben doch unser ganzes Leben nur geschuftet. Jetzt sind unsere Kinder groß und wir haben noch auf ein paar gute Jahre gehofft. Diese Woche ist mein Sohn auch noch ausgezogen (Er macht seine Diplomarbeit weiter weg und ist nur noch 2 Tage die Woche zu Hause). Ich sage Dir, wenn ich abends von der Arbeit nach Hause komme, kann ich manchmal das leere Haus nicht mehr ertragen. Oft öffne ich nachts die Haustüre und meine, ich muß den Geist meines Mannes hereinlassen, damit er bei mir ist. Manchmal meine ich, ich werde verrückt.
Liebe Beatrix, was soll ich Dir nur wünschen. Am meisten wünsche ich Dir noch eine schöne Restzeit mit deinem Mann. Steck den Kopf nicht in den Sand, was nicht zu verhindern ist, kann man auch nicht verhindern. Lieber noch alles machen, was du deinem Mann noch gutes tun kannst. Ich habe meinen Mann 4 Tage und 4 Nächte gestreichelt. Wenn ich weggegangen bin zum Duschen, aus Kloo, oder was essen, ist er ganz unruhig und laut geworden. Er wollte noch so viel sagen zum Schluß, aber er konnte nicht mehr richtig sprechen. Sag Deinem Mann, wie lieb Du ihn hast. Klapp nicht zusammen, Du brauchst noch so viel Kraft. Ich würde Dich so gerne irgendwie trösten, aber es gibt keinen Trost in dieser Situation.

Thekla
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