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Alt 30.11.2006, 08:57
shalom shalom ist offline
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Standard AW: Abschläge bei Erwerbsminderungsrente für unter 60 jährige gesetzwidrig !!

Hallo,

jeder Betroffene fühlt sich wohl mehr oder weniger unseren juristischen Gegebenheiten und Institutionen ausgeliefert, fühlt sich in seiner eigenen Situation vielleicht ungerecht oder unzureichend behandelt und reagiert verständlicherweise emotional.

Obwohl ich beruflich aus einer ganz anderen Ecke komme, kann ich die Gliederung unseres Rechtssystems sehr wohl nachvollziehen (obwohl ganz gewiß nicht alles verständlich für mich ist oder meinem persönlichen Empfinden entspricht) und ich bestreite den höchsten deutschen Gerichten ganz gewiß nicht ihre fachliche Kompetenz.

Ein Urteil z.B. der höchsten deutschen Sozialgerichtsbarkeit hat Auswirkungen für sehr viele Betroffene, jedoch auch ganz erhebliche finanzielle Folgen für die Versicherungsträger. Das übliche Verfahren: "Klagen durch die Instanzen" wird ja nicht gemacht, um die Betroffenen persönlich zu ärgern oder bewußt auf die lange Bank zu schieben, sondern um den Rechtsweg "wasserdicht", d.h. in sich widerspruchsfrei zu machen. Zugelassene Revisionen dienen zudem dazu (wie es die Juristen ausdrücken), das "Recht auf diesem Gebiet weiterzuentwickeln". Und genau das läuft im Augenblick im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 16.05.06.

Bei komplexen Sachverhalten ist von der höchsten Gerichtsinstanz hohe sachliche Kompetenz zu erwarten und erwünscht. Das Gleiche erwartet man von der beklagten Institution. Die Durchdringung der Probleme benötigt dabei auch ZEIT. Aber nicht allen betroffenen Klägern bleibt noch viel Zeit.

Revisionsurteile vor hohen Instanzen deutscher Gerichte haben meist ganz grundsätzliche Rechtsbedeutung und gehen über den Einzelfall (mit seinem speziellen Schicksal und seinen Verästelungen) hinaus. Das ist für die Vereinheitlichung und Weiterentwicklung des Rechts sicher verständlich, für mich als ggf. Betroffenen kann das durchaus einen ziemlich säuerlichen Beigeschmack haben, da das eine oder andere meiner speziellen Situtation im grundsätzlichen Urteil evtl. aus übergeordneten Rechtsgründen keine von mir erwünschte Berücksichtigung mehr findet. (Wenn man selbst juristisch betroffen ist, steht man vor der Situation: Geduld zu lernen, auch emotionale Distanz zu gewinnen und manches nicht persönlich zu nehmen).

Gerichte wenden dabei Gesetze lediglich an, sie haben vorhandene Gesetze umzusetzen, ggf. auszulegen, auf Gesetzeslücken hinzuweisen. Es ist jedoch allein Sache des Gesetzgebers (Bundestag, Bunderat) Gesetze zu erlassen, zu verbessern usw.

Mit besten Grüßen
Shalom

Randbemerkung:

Auf meiner eigenen juristischen zivilrechtlichen "Baustelle" (Landgericht , Oberlandesgericht, Bundesgerichtshof) läuft auch der lange Instanzenweg schon seit 2002 und erst wenn die höchstrichterlichen Urteile gefällt sind, wird die beklagte Institution beginnen, ihre Satzung den Urteilen entsprechend umzuändern UND DAS KANN DAUERN.
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Es ist nicht genug zu wissen, man muß es auch anwenden.
Es ist nicht genug zu wollen, man muß es auch tun.


(Johann Wolfgang von Goethe)
"Wilhelm Meisters Wanderjahre", 3. Buch, 18. Kapitel
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