Einzelnen Beitrag anzeigen
  #57  
Alt 02.11.2002, 17:51
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Kübler-Ross und ihr Sterbephasen Modell

Hallo anja32 und tanja,

anja32, du schreibst :
>>Das Ziel des Prozesses ist es nämlich, sein eigenes Sterben anzunehmen. <<

So sagt das Modell und das war ja der Grund, warum ich mir das Wort "widerwärtig" im Eingangsbeitrag erlaubte. So unterschiedlich scheinen wir das "Modell" in der Tat nicht zu interpretieren. Nur völlig anders zu bewerten.

und weiter schreibst du :
>>Und ich als Angehöriger wünsche mir nichts sehnlicher, als dass der Betroffene dies auch schafft (s.o.)<<

Und das ist der Punkt, der das Modell so "attraktiv" macht für Angehörige. Man darf sich das demnach nämlich tatsächlich "wünschen". Man könnte bei diesem "Wunsch" sich auch irgendwie schäbig fühlen...... aber wer will das schon ? KR beruhigt uns. Wir dürfen ja und *sollen* sogar!

Die Panik der Angehörigen bei der Vorstellung, sie müssten unter Umständen tatsächlich irgendwann einmal sagen "Er wurde aus dem Leben *gerissen*" kann ich schon verstehen.
"Er ist *gegangen*", hat natürlich was viel tröstlicheres.
Aber Angehörigen Bedürfnisse, die sich auf eine Zukunft beziehen, die sie sich bereits *ohne* den Betroffenen vorstellen, haben in der gemeisamen *Gegenwart* mit einem Betroffenen wohl nicht Priorität zu beanspruchen !
(Wenn sie sich schon sowas vorzustellen anmaßen .....)

Kannst du dir vorstellen, dass für einen Betroffenen manchmal vielleicht die Angst vor der *Angst der Anderen* die größte sein könnte ? Nämlich die Angst, dass jene aus eben dem genannten Grunde um nichts in der Welt riskieren wollen, noch mit im Boot der Hoffnung zu sitzen, wenn es unterzugehen droht ? Und sich dann lieber in ein "loslassen" flüchten werden ?

>>Jemand, der nie auch nur einen Gedanken daran verschwendet hat, dass er eines Tages gehen muss, wird es schwerer haben. Er braucht vielleicht sehr lange bis er akzeptieren kann, dass er bald nicht mehr sein wird. So, ich denke, bis zu diesem Punkt sind wir uns einig, oder? <<

Nein, sind wir nicht. Denn ich behaupte ja, dass dieses *akzeptieren* der eigenen Nicht Existenz ein absurdes Paradoxon ist. Leider. Ich hab mich aus eigenen Gründen fast zwei Jahre lang nahezu *ausschließlich* damit beschäftigt. Und zwar mit dem erklärten Ziel, für mich zu einem anderslautenden Ergebnis zu kommen ! Nun kannst du natürlich einwerfen, dass ich mein Unvermögen nicht verallgemeinern könne usw usw.
Doch meine "Voraussetzungen" waren immerhin "optimal", um das mal zynisch zu sagen. Denn den maximal möglichen Stand eines "nicht-mehr-leben-wollens" hatte ich wohl erreicht. Vor einem halben Jahr habe ich es als *unmöglich* leider aufgeben müssen. Nicht, weil das Leben so viel schöner geworden wäre, sondern weil sich das Paradoxon auch mit größter Mühe nicht auflösen lässt. Und glaub mir, die hab ich mir jeden Tag gegeben.
Interessant in diesem Zusammenhang wäre auch folgendes :
Ich bin mir 100% sicher, dass wenn heute hier jemand eine suizid Ankündigung reindrücken würde, er morgen schon die Polizei in der Bude hätte. Und mein Instinkt sagt mir, dass am lautesten danach genau jene schreien würden, die ebenso laut hier die "Natürlichkeit und Akzeptierbarkeit" des T'des predigen. Findest du nicht, dass das ein grober Widerspruch wäre?
(von religiösen Grundanschauungen mal abgesehen. Und weiche jetzt ja nicht auf "Unterlassene Hilfeleistung" im juristischen Sinne aus.)

Und in diesem Sinne auch eine Frage an Tanja. Du hast in einem früheren Beitrag geschrieben :
"Zwischen uns liegen Welten, weil ich ganz persönlich glaube das der Tod zum Leben dazu gehört und nur das Tor zu etwas anderem und neuem ist. "

Mich würde mal interessieren, wo für jemanden, der davon *wirklich* überzeugt ist *überhaupt* noch ein Problem ist ??
"Etwas anderes und neues" ist doch spannend und positiv und wenn man dabei sogar seinen lästig gewordenen, weil schmerzenden Körper los wird, kann das doch *nichts* als erstrebenswert sein. Jeder müsste sich dann eigentlich geradezu in erwartungsvoller Ungeduld auf sein eigenes (irdisches) Ableben *freuen*.
Und jene, die sagen, dass sie "fest davon überzeugt" seien, dass ihre Angehörigen immer "um sie sind" und in ihren "Gedanken weiterleben" etc dürften auch nicht groß trauern. Im Gegenteil. Zu mal wenn sie glauben, dass sie sich im Jenseits wieder sehen.
So scheint mir all das ziemlich wackelig und kaum schlüssig zusammen zu passen.
Ich erwähne es nur deshalb, weil auf dieser Grundlage nun leider auch für das KR Modell argumentiert wird.
Denn nur auf einer solchen oder ähnlichen Grundlage ist so ein Satz wie der von anja32 (siehe erstes Zitat) überhaupt auch nur formulierbar.

anja32 :
>>Denn dieser teilt dem Angehörigen auf seine Weise den Stand seiner Entwicklung in der Auseinandersetzung mit seinem Sterben mit. Niemand außer dem Sterbenden selbst kann sagen, ob und wann dieser sterben wird. Aber der Betroffene WEIß es. Und dieses Wissen teilt er mit, mal deutlicher, mal weniger deutlich, je nachdem, wie viel sein Angehöriger ertragen kann.<<

Wie ? Der Patient "verleugnet" zum Beispiel und teilt damit einem Angehörigen seinen "Entwicklungsstand" mit ?
Und das wäre nach deiner Interpretation eine "undeutliche Andeutung" des *genauen Gegenteils*, um die Angehörigen zu schonen ? Nee, das wirst du anders gemeint haben, aber da komm ich jetzt nicht drauf.

Und Tanja, deine Definition von Verleugnen" hatte ich schon beim ersten Mal verstanden gehabt. KR hat aber nicht unbedingt die Gleiche. Sie nennt drei Beispiele (!), wie sich das "Verleugnen" äußern könnte und nur eine davon entspricht eindeutig deiner Definition. Die anderen nicht.

>>Der Begriff "Phase" ist nur die Verpackung, reiß sie auf und schmeiß sie weg, aber behalte was drin ist. <<

Worte haben entweder Bedeutung oder nicht. Wenn sie natürlich nur leere Hülsen ("Verpackungen") sein sollen, lässt sich schwer über ihre Botschaften diskutieren. Stimmt.
Dann *haben* sie aber auch keine.

Lillebror
Mit Zitat antworten