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Alt 19.12.2001, 20:11
Gast
 
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Standard Sterben , jeden Tag ein bißchen mehr

Hallo zusammen!
Die letzten Wochen waren die traurigsten und schlimmsten Tage meines Lebens. Ich bin Einzelkind (33 J.), wohne im Ruhrgebiet (Bochum), arbeite bei einer Krankenkasse im Leistungsmanagement und habe so tagtäglich mit sehr kranken Menschen zu tun......... Soweit sogut. Meinen Job mache ich gerne, freue mich immer den Menschen ein wenig im Bürokraten-Jungel helfen zu können. Tja, und dann erkrankte plötzlich mein Vater. Abends fiel er einfach um, kam mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus. Zuerst dachten wir er hat vielleicht einen Herzinfarkt etc. gehabt, aber nein es sei vielmehr eine leichte Lungenentzündung, also überhaupt gar nichts Schlimmes und einfach zu behandeln. Ja, so ging es dann 2 Wochen weiter, die Lungenentzündung ging nicht weg. So folgten Bronchoskopien. Man stellte zwar einen Tumor fest, dieser sei jedoch operabel. Hörte sich alles super einfach an. Man entfernt einen Lungenlappen, durch eine Atemtechnik in der Reha-Maßnahme lernt er dann neu zu atmen. Wir haben ihn dann nach Bochum in die Spezialklinik Augusta-Krankenanstalt verlegen lassen. Hier ist man im Bereich Lungenstudie (Früherkennung etc.) durch Prof. Nahkosteen sehr erfolgreich. Papa kam also dann ins Augusta und dort kam dann ganz schnell die richtige Wahrheit ans Licht: Tumor in der Luftröhre, direkt mittig gelegen und inoperabel. Einzige Chance: Chemo- und Strahlentherapie. Diese hat er dann ganze 4x über sich ergehen lassen, weiter noch 1 Laserbehandlung und noch 3 weitere Bronchoskopien. Dann ging alles ganz, ganz schnell - viel zu schnell meiner Meinung nach. Mutti, mein Freund und ich waren immer sehr oft bei ihm im Krankenhaus, haben täglich außerdem auch mehrmals telefoniert. Bis zum Schluß war Papa eigentlich ganz fit, konnte noch Treppensteigen etc. Ja, und dann kam der Sonntag, 11.11.2001. Morgens rief Papa nicht wie gewohnt meine Mutti an. Mutti also in heller Aufregung, warum Papa sich denn nicht meldet. Ich rufe im Schwesternzimmer an. Antwort: "Machen Sie sich keine Sorgen. Ihr Vater liegt nur auf einem anderen Zimmer." Um
13.00 Uhr dann der Anruf aus dem Krankenhaus. Papas Zustand habe sich verschlechtert, man müsse nochmal 1 Bronchoskopie machen. Weiter wies mich der Arzt darauf hin, daß wir mit einem kurzfristigen Ableben rechnen müssen, sollte diese Behandlung nicht gut verlaufen. Habe dann mit meinem Freund meine Mutti mit dem Auto abgeholt und sind direkt zum KHS gefahren. Wir wußten ja, daß diese Bronchoskopie sicherlich ca. 1 Stunde in Anspruch nimmt, so hatten wir es nicht eilig............
Hier hatte ich schon ein komisches Gefühl im Bauch - leider sollte ich Recht behalten. Im Krankenhaus angekommen kam uns die Schwester entgegen und meinte nur: "Tut mir leid, Herr S. hat es leider nicht geschafft." Meine Mutter schrie nur noch, ich fürchtete sie klappt zusammen. Ja, da war Papa praktisch in der Zwischenzeit verstorben und lag schon alleine auf einem Zimmer, mit Kerze, Kreuz etc. Mir zog es die Beine weg, mir wurde schlecht, alles war ein schlechter Traum für mich.
Abends mußten wir dann schon beim Bestatter alles mögliche klären, hierzu hat man da wirklich überhaupt gar keinen Kopf.
So ist mein Papa nun schon 5 Wochen tot und es ist einfach die Hölle. Papa wurde im Februar gerade mal 60 Jahre alt, er starb einen Tag vor meinem 33. Geburtstag.
So habe ich nur noch meine Mutti und meinen Freund und die Erinnerung an diesen super-lieben Menschen - der nur für die Arbeit und die Familie gelebt hat :-((((
Über eines bin ich mir jedoch ganz sicher: ich glaube ganz fest daran, daß er wußte, daß er bald sterben wird. In den letzten Tagen hat er mir noch soviel gesagt - einige Dinge haben wir richtiggehend geklärt.
So sagte er z.B., er werde den EURO eh´ nicht mehr erleben und ich solle Elterns großen Wagen "dann" verkaufen. Tage zuvor sagte er einem Freund gegenüber, er habe von seiner eigenen Beerdigung geträumt und Engel gesehen................. Ob was dran ist?????
Dieses Jahr fällt bei uns Weihnachten ins Wasser. Meine Mutter kommt zu Besuch, wir werden es uns gemütlich machen und ihr ein wenig Trost spenden. Die Einsamkeit am Abend können wir ihr nicht nehmen, jedoch kann sie unsere ganze Liebe gut gebrauchen.
Meine Eltern waren am 23.09. genau 35 Jahre verheiratet, ich wurde 33 Jahre dieses Jahr und meine Mutter am 20.09. 55 Jahre - komische Zufälle, oder?
Oh, ich habe ja soooo viel geschrieben, das wollte ich gar nicht - aber es tat richtig gut.
Ich wünsche Euch allen die ganze Kraft der Welt, Vertrauen, Hoffnung, Mut und Stärke.
Es kommen wieder bessere Zeiten, dessen bin ich mir sicher - momentan sind am Himmel dennoch zu viele graue Wolken.
Die momentane Zeit ist verdammt hart. An Papas Grab kommt mir alles gar nicht wahrhaftig vor. Habe ich seine Bilder in der Hand so denke ich: kneift mich, es kann und darf doch alles gar nicht wahr sein :-((((
Innerhalb von 6 Wochen ist Papa nun so schnell gestorben. Sicherlich viel zu schnell. Aber es gibt mir Trost, daß er nicht noch lange gelitten hat, aber auch das ist nur ein ganz schwacher Trost.
Lieben Gruß aus dem Ruhrpott,
Kerstin
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