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Alt 09.11.2003, 17:27
Gast
 
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Standard Abschiedsräume

Liebe Karina

Zuerst zwei Gedichte von mir



Sterbe-Ort Palliativ-Station / HOSPIZ
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Dort,
wo Besuchszeiten nicht gelten,
wo Tag und Nacht die Türen offen stehn,
dort möchte ich sein zum Sterben.

Dort,
wo nicht nur Verwandte Zutritt haben,
sondern Menschen, die mir wirklich nahe sind,
dort möchte ich sein zum Sterben.

Dort,
wo Kerzen und Musik keine Störfaktoren sind
und ich das Fell eines lebendigen Tieres streicheln kann,
dort möchte ich sein zum Sterben.

Dort,
wo ich mit meinen Nöten nicht auf taube Ohren stosse,
wo ich nicht sediert werde, wenn ich weine,
sondern beruhigt durch eine menschliche Hand,
dort möchte ich sein zum Sterben.

Dort,
wo Lachen und Weinen ganz selbstverständlich zu Hause sind
dort möchte ich sein zum Sterben.

Dort,
wo medizinisch das wirklich Not-Wendige noch getan wird,
aber keine sinnlose Quälerei mehr zum Alltag gehört,
dort möchte ich sein zum Sterben.

Und ich glaube nicht, dass dort in mir
je der Wunsch nach der Todesspritze erwacht,
egal, wie es mir geht,
ich werde es tragen können bis zuletzt.

Umgeben von menschlicher Wärme
ist das Sterben wohl nurmehr ein sanftes Hinübergleiten
auf die andere Seite der Geborgenheit...

Ladina, am 10.August 2001

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Gedichte und Gedanken über Sterben und Tod - 11.02.2003, 20:59

Gast Stationen
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Ich war in vielen Krankenhäusern,
auf vielen Stationen.
Manchmal kam ich als Notfall
und manchmal stand mir ein Aufenthalt lange bevor,
sodass ich vorher zum Reinschnuppern hingehen konnte,
um dem Fremden ein Gesicht zu geben,
der Angst vor dem Unbekannten ihren Grund
und den Alpträumen ihren Inhalt zu nehmen.

Doch immer, wenn ich auf so eine Station ging,
lebte die Hoffnung in mir, sie nach einer bestimmten Zeit wieder verlassen zu können.
So habe ich all diese Stationen unter dem Gesichtspunkt begutachtet,
dass sie nur Durchgangs-Station waren.

Nicht jede dieser Stationen war gemütlich,
doch ich wusste, ich würde zurechtkommen auf Zeit
und dann wieder gehen können.
Und alle in meinem Umfeld konnten mein Tun verstehen.

Vor kurzem aber habe ich meine Sterbe-Station besucht,
mich auf dieser letzten Station ganz bewusst umgesehen,
so, wie wenn man sich eine neue Wohnung anschaut.
Ich habe nicht wie früher Menschen besucht, die da wohnen,
sondern ging ganz bewusst für mich dahin,
und die letzte Angst vor diesem endgültigen Schritt auf diese Station,
ist einer besonderen Art der Vertrautheit und der Vorfreude gewichen.

Ich habe mich dieser angstbesetzten Station angenähert
und bin frei von jeglicher Furcht oder Panik wieder gegangen.

Die wenigsten Menschen in meinem Umfeld aber
brachten Verständnis auf für dieses Handeln,
quasi meine letzte Station freiwillig zu betreten und mich dort umzuschauen
unter dem Gesichtspunkt einer Bleibe auf restliche Lebenszeit.
Es hat sie befremdet
und dünkte sie makaber.

Nichts desto trotz,
mir hat es geholfen,
auf der Palliativ-Station reinzuschnuppern.
Es hat mir weder meine Zukunft getrübt,
noch den Wunsch zu sterben genährt.
Es hat mein jetziges Leben nicht verändert,
aber der Gedanke an mein Sterben irgendwann
ist um eine Hoffnung reicher....

Ladina, im Oktober 2001
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Auch ich kann mich dem Lob meiner Vorschreiberinnen nur anschliessen und Dich darin bestärken, diese Idee zu realisieren.
Ich bin in der glücklichen Lage, dass in meiner Stammklinik nicht nur ein Zimmer, sondern eine kleine Bettenstation mit 9 Zimmern zur Verfügung steht, für die aber der Andrang so gross ist, dass auch hier niemals alle, die gerne nach "oben" möchten, es auch können.

Kommt bei uns jemand neu in die Klinik, ist die Palliativstation vorerst noch kein Thema, wenn die Behandlung kurativ geführt wird. Sobald aber ein Patient mit Rückfall da ist, werden Patient wie auch Angehörige behutsam über die Möglichkeit einer palliativen Betreuung stationär im Endstadium aufgeklärt. Unsere Palliativstation bietet auch vorübergehende Aufenthalte zur Entlastung des Pflegepersonals zu Hause an.

Mit diesem Wissen im Hinterkopf kann man sich auseinandersetzen. Das ist kein Zwang, nur eine Angebot, das besteht.
Manche so wie ich,haben sich entschlossen, nach oben zu ziehen, wenn die Zeit reif ist. Ich habe aber auch Menschen kennen gelernt, die lieber unten bleiben wollten.
Dies genau abzuklären, könnte Teil der psychoonkologischen Betreuung sein.

Die einzige Schwierigkeit, die ich bei Deinem Projekt sehe, ist jene, was gemacht wird, wenn es zwei Patienten zugleich schlecht geht, die beide nach oben möchten. Dann ist es schwierig zu entscheiden, wer darf und wer nicht. Ich weiss, auch mit 2 solchen Zimmern kann es zu Engpässen führen, aber es wäre immerhin noch etwas Spielraum da.

Abgesehen davon glaube ich, dass auch ein normales Zimmer mit dem nötigen Aufwand und mit Sensibilität der Beteiligten sehr wohl zu einem Sterbezimmer umfunktioniert werden kann, in dem sich eine sterbende Seele geborgen fühlt.

Alles Gute für Dein Projekt wünscht

Ladina
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