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Alt 15.01.2007, 11:17
thomue thomue ist offline
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Standard AW: Wenn die Angst unberechtigt ist...

Hallo Marc,

mit großer Aufmerksamkeit habe ich Deine Schilderungen gelesen. Erstaunlicherweise hatte ich während des Lesens einen Gedanken, den Du wenig später selbst ausgesprochen hast:

Es wäre sicherlich kein Fehler, würdest Du Dich um einen Psychiater, Psychologen bemühen. Die Sorgen um die eigene Gesundheit, können nämlich tatsächlich eine Eigendynamik gewinnen und zu Angstzuständen und Depressionen führen.

Bitte verstehe mich nicht falsch, ich meine damit nicht, dass Du irgendwie verrückt oder nicht zurechnungsfähig bist, was leider viele Leute mit dem Wort "Psychiater oder "Psychologe" assoziieren.

Ich kenne diese Problematik persönlich sehr gut. Bei mir war der Auslöser eine entsprechende Erkrankung eines Familienmitglieds, genauer gesagt meiner damals neunzehnjährigen Schwester. Ich habe körperliche Symptome ebenfalls überbewertet und fehlinterpretiert. Jedes aussergewöhnliche Aufstoßen, jeder Schmerz und jeder ungleichmäßige Pickel wurde von mir beobachtet und schließlich als Frühsymptom einer Krebserkrankung dargestellt.

Irgendwann hat dann mein Hausarzt die Reissleine gezogen und mich überwiesen. Bis dahin hatte ich in einem Zeitraum von sieben Jahren, einige dutzend Blut-, Stuhl-, Urin-, Röntgenuntersuchungen, Szintigramme, CTs, Darm-, Magenspiegelungen und Fachärzte hinter mir. Flankiert wurde der Wahnsinn durch das Studium zahlreicher Bücher zum jeweiligen Thema.

Der Psychologe hat mir schließlich erklärt, dass aus den anfänglichen Sorgen eine regelrechte Sucht entstanden ist. Der Kick bestand dann immer aus dem von Dir beschriebenen Adrenalinstoß nach einem Befund.

Es war unglaublich schwer den selbst erlernten Kreislauf von Symptom -> Angst -> Arztbesuch -> Untersuchung -> Warten -> Diagnose -> Erleichterung zu durchbrechen. Es hat mich im wahrsten Sinne des Wortes (nahezu) um den Verstand gebracht. Ich musste sogar mein Studium unterbrechen, weil ich körperlich und psychisch am Ende war.

Ich kam kurz vor der Therapie in einer Tagesklinik, auf ca. 10 - 15 Arztbesuche pro Monat - mit der entprechenden Panik im Gepäck! Ich habe jede Diagnose angezweifelt, ja, den Ärzten sogar unterstellt sie würden mir die Wahrheit vorenthalten. In dieser Endphase habe ich Todesängste ausgestanden, war depressiv, unruhig und vollkommen antriebslos gegenüber den Dingen des täglichen Lebens.

Irgendwann tauchten die Ängste auch in Momenten auf, in denen ich nicht über Krankheit, Arztbesuche, Tod und Leid nachgedacht habe. Alles war mit Ängsten behaftet. Von A wie Autofahren, bis V wie Vorlesung. Alles!

Letztlich habe ich es geschafft, inkl. Studium, aber die Erinnerung an diese Zeit ist noch heute ein Alptraum. Damals hätte der Besuch, z.B. dieses Forums in mir einen Super-GAU ausgelöst. Gott sei Dank surfte man in jenen Tagen noch mit 9600 Baud Modems durchs WWW und die Möglichkeiten der Recherche waren noch nicht so gut entwickelt wie heute ...

Wenn ich Dir einen guten Rat geben darf: Sollten diese Sorgen anhalten oder erneut auftreten, versuch es mit einem Psychiater \ Psychologen. Er wird Dir dabei helfen Deine Ängste in den Griff zu bekommen!

Liebe Grüße,

thomue.
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