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Alt 23.04.2011, 21:45
undine undine ist offline
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Standard AW: Adeno, die Psyche macht nicht mehr mit

Hallo Gabriele,

es tut mir leid, dass du vom Forum enttäuscht bist. Ich habe es an anderer Stelle auch schon einmal bei jemanden gelesen, der angehörig war. Als selbst Betroffene wiegt die Enttäuschung sicherlich schwerer.

Ich kann dir nur meine Perspektive sagen, warum ich nicht bei allen etwas schreibe und warum ich auch selektieren muss:

Es ist mir nicht egal. Es prallt nicht an mir ab. Es trifft mich ins Herz.

In den paar Monaten, die ich hier bin, habe ich schon erleben müssen, dass Menschen gestorben sind oder ihre Liebsten verloren haben. Für mich sind viele hier - trotz des anonymen Mediums - nicht fremd, auch wenn ich nur von ihnen lese. Es zerreißt mir das Herz bei dem Gedanken, einige Menschen hier zu verlieren. Und ich habe schon so viele Tränen mit anderen geweint, die ihre Väter verloren haben.
Mit am wichtigsten ist mir Reinhard, den du ja auch sehr schätzt. Wer weiß, ob wir uns in der Welt "da draußen" überhaupt gemocht hätten . Aber hier ist er mir dermaßen ans Herz gewachsen, dass es mir hundselend geht, wenn ich länger nicht von ihm lese, oder Angst habe, sein Gesundheitszustand hätte sich verschlechtert. Ähnlich geht es mir mit den Adeno-WGlerinnen, die in Christels (mouse') Thread schreiben und ein paar anderen Usern, die ihre Väter verloren haben und mit denen ich zuvor mitgebangt und mit gehofft habe.
Gleichzeitig trete ich gegen meine eigene Angst an, meine Ma zu verlieren und habe meine eigenen (gesundheitlichen) Gespenster.
Deshalb MUSS ich selektieren, lese manchmal gar nicht bei anderen, weil ich es nicht mehr ertragen kann. Denn sobald ich es tue, bin ich auch emotional dabei. Und manchmal habe ich hier auch heulend gesessen und gedacht, die Welt besteht nur aus Krebs.

Und auf der anderen Seite ist es aber auch ein gegenseitiges Nehmen und Geben: Zum Beispiel unterstützen sich die Adeno-WGlerinnen sehr gegenseitig, telefonieren ,tauschen sich aus, motivieren sich. Jede braucht ihre Kraft ja eigentlich für sich, aber durch den ständigen Flut an positiven Worten, hilft es auch gegenseitig.
Und es schafft natürlich Bindung. Wenn man meist nur liest und sich nicht aktiv einbringt, kann diese Bindung nicht entstehen und so intensiv werden.

Und eigentlich brauchen wir ja alle unsere Kraft für uns selbst. Es ist manchmal schwer zu entscheiden, ob man sich auf einen neuen Menschen einlässt, weil man ohnehin so viel tragen muss. Aber das ist nie böse gemeint, sondern hat einfach natürliche Grenzen. Deshalb solltest du dich nicht ausgeschlossen fühlen.

Liebe Gabriele, ich wünsche dir von Herzen alles Gute und dass du hier die Unterstützung finden wirst, die dir helfen kann.

Ganz liebe Grüße,
Undine
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Ich habe mit Hilfe der Menschen im Krebsforum meine Mutter 2010-2011 bei ihrer Lungenkrebserkrankung (Adenokarzinom) begleitet.
Sie starb Weihnachten 2011.
Danke an alle, die mir geholfen haben. Und alles Liebe für alle, die den Kampf gegen Krebs bestreiten.