Einzelnen Beitrag anzeigen
  #1  
Alt 24.10.2008, 12:19
auriculum auriculum ist offline
Neuer Benutzer
 
Registriert seit: 24.10.2008
Beiträge: 4
Standard Wie geht man damit um?

Hallo zusammen,

auch ich bin neu hier, und ich freue mich, daß es ein Forum gibt, in dem man sich über das Thema Krebs austauschen kann und sich informieren kann.

Ich erzähle mal ein bißchen, denn ich weiß sonst nicht, wo ich es loswerden soll, und vielleicht hat der eine oder andere auch einen Tipp für mich.

Mein Freund (39) hat auch Krebs. Anfang diesen Jahres wurde bei ihm Hodenkrebs festgestellt, jedoch haben sich die Ärzte geirrt, und es war eigentlich Prostatakrebs mit Ausstreuungen in Hoden und seit ca. 6 Monaten auch im Darm. Er bekommt Strahlentherapie, wobei ausschließlich der Darm bestrahlt wird, da laut den Ärzten das am wichtigsten ist. Ihr seht, ich kenne mich nicht wirklich aus, und das ist auch mein Problem, denn besonders kommunikativ ist mein Freund nicht.

Er ist eher der Typ, der alles mit sich selbst ausmacht, wobei ich ihm zugute halten muß, daß es sich schon gebessert hat. Aber trotzdem versucht er alles von mir fernzuhalten. Er hat es niemandem aus seiner Familie erzählt, und ich darf es eigentlich auch nicht. Er möchte mit mir auch nicht über seine Krankheit sprechen. Vormittags verschwindet er immer zur Strahlentherapie, kommt nach Haus und tut, als sei nichts gewesen. Daß der Krebs in der Prostata begonnen hat, weiß ich z.B. erst seit vorgestern (er hat sich verschwätzt), und jetzt wird mir klar, wieso er so viel Angst davor hat, es irgendwann im Bett "nicht mehr zu bringen". Gestern bekam er einen Ganzkörperscan (ihr seht, ein bißche nwas erzählt er doch mittlerweile), und es wurde festgestellt, daß die Tumoren kleiner wurden, im Darm sich aber weitere Metatstasen ausbreiten.

Mich macht es fertig, daß ich noch immer nicht alles weiß. daß er mir ins Gesicht sagt, ich wüßte nicht alles, und daß er alles von mir fernhalten wolle, damit ich ihn nicht irgendwann verlasse, und weil ich im Moment selber genug Probleme hätte (ich hab meinen Job verloren). Er behauptet, seine Prognose sei gut, und er selbst glaubt daran, daß er wieder gesund werden würde. Aber ich finde es schwierig, mit ihm umzugehen und ihm irgendwas zu glauben. Wieso hat er z.B. nie Striche auf dem Bauch von der Bestrahlung? Wieso hat er früher eine Chemotherapie bekommen aber keinen Port? Und so weiter. Es ist, als säße man auf einem Pulverfaß. Man weiß nie, warum er wieso ausrastet, und ein paar Tage später kommt raus, daß er neue Symptome hat, der Arzt was gesagt hat usw. Ich weiß, daß dieses Verhalten sicher nichts mit mangelndem Vertrauen zu tun hat, aber schwer ist es doch. Ihn darauf anzusprechen bringt ebenso wenig was, wie ihn nicht drauf anzusprechen und ihn "kommen zu lassen". Ich habe sogar schon unser Haus nach dem Arztbrief durchsucht, aber er kennt mich wohl so gut, daß er ihn bestimmt immer bei sich trägt.

An sich kommt er gut klar, außer, daß er körperlich nicht mehr viel auf die Reihe bekommt. Ich glaube, vor allem, um es sich selbst zu beweisen, hat er damit begonnen, das Haus zu renovieren, aber unter uns gesagt, mache ich alles alleine, obwohl ich es noch nie gemacht habe, weil er es nicht schafft, und das macht ihn glaube ich noch wütender. Schon ein Einkaufsbummel zwingt ihn nach 30min in die Knie, und da renoviert er das Haus! Einwände meinerseits schmettert er mit einem "Ich bin noch nicht tot und auch nicht behindert, und früher konnte ich noch viel mehr" ab. Hinweise auf eine etwas gesündere Lebensweise (er trinkt z.B. sehr viel Kaffee) kontert er, wahrscheinlich sogar ein bißchen zurecht, mit "Ich kann doch nicht alles verlieren, ich möchte auch noch etwas haben". Er verdrängt viel und sagt ständig, daß er seinen Alltag nicht durch die Krankheit dominiert sehen will und sich jetzt freuen will, daß wir zusammenleben (wir hatten vorher eine Fernbeziehung). Es ist schwer, damit umzugehen, es ihm rechtzumachen, und dennoch genug Kraft für sich selbst zu haben. Vor allem das Nichtwissen ist schlimm. ich darf ihn auch nie in die Klinik fahren, weil er sich vor mir schämt, falls er sich übergeben muß, da fährt er lieber selbst und macht auf jedem Parkplatz Pause -.- Und so weiter und so fort. Ich versuche, mich so weit es geht zurückzuhalten und ihm das Leben schön zu machen, aber manchmal klappt das einfach nicht.

Danke schon mal fürs Lesen. Wenn jemand eine Idee oder einen Vorschlag hat oder einige Erfahrungen mitteilen will, würde ich mich freuen

Lg,

Nadja

PS. Bitte denkt jetzt nicht, daß Erwin ein Unmensch ist oder nur noch garstig. Wir haben auch viele schöne Momente, und er ist ein wunderbarer Mensch.
Mit Zitat antworten