Thema: Angst
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Alt 27.05.2002, 21:33
Gast
 
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Standard Angst

Hallo,Franjo!
Ich war vor 3 Jahren in haargenau der gleichen Situation wie deine Frau jetzt: - und ich habe immer noch Angst, aber sie hat sich immerhin etwas relativiert. Vor jeder Nachsorge-Untersuchung kriege ich Bammel und jetzt habe ich in der mir verbliebenen Brust auch selbst wieder eine Zyste getastet. Das ganze "Spiel" geht also wieder von vorne los.
Doch nun konkret zu den Ängsten deiner Frau: sind sind verständlich und in der Situation, in der sie ist, völlig normal. Ich hatte das Glück, daß die krankenhauseigene Psychotherapeutin mich im Krankenzimmer aufsuchte (meist hat jedes Krankenhaus so eine Therapeutin)und mir mit Gesprächen sehr über die Anfangsphase der 1. Chemo nach EC-Schema hinweg geholfen hat. Sie gab mir viele wertvolle Tipps, z.b. hilft Visualisieren nach Simonton. Bei mir wandelte sie das etwas ab und wollte wissen, wo ich denn zum Zeitpunkt der Chemo denn lieber wäre. Spontan sagte ich, auf Sylt am Meer in einem Strandkorb. Dann solle ich mir dies so vorstellen. Wenn dann die Flasche "Chemie" angepropft wird, solle ich mir vorstellen, ich bekäme neues, frisches Blut, statt darüber zu grübeln, dass da lauter Zellen absterben. Und ob ich denn eine Lieblingsmusik hätte, klar ich hatte meinen Walkman dabei und höre gerne Mozart und andere Klassiker. Dann stellte sie sich hinter mich und legte mir leicht die Hände von hinten auf meine Schultern. Sprach mir ganz ruhig zu und stellte mir auf einmal die Frage, wie ich mich denn in der jetzigen Situation fühlen würde. Da brach es aus mir hieraus, ich weinte herzzerreissend und fühlte mich elendig allein, von allen verlassen. Das hat eine ganze Weile gedauert, bis die Tränen versiegten. Aber irgendwie war ich getröstet: ich hatte über meine tiefste und innerste Ur-Angst sprechen können! In so einer Situation allein zu sein, ist schon arg - ob mit Partner oder ohne, die Chemo muss frau ganz alleine durchstehen. Aber mit der oben beschriebenen Visualisierung habe ich die 1. Chemo als fast angenehm empfunden: ich war in Gedanken auf Sylt, sah von meinem Strandkorb auf´s Meer hinaus und hörte meine Lieblingsmusik von Mozart und Co. Es war tatsächlich alles halb so schlimm!
Was ich damit sagen will, ist, es gibt professionelle Hilfe (die man ruhig annehmen sollte) und private Unterstützung, die du deiner Frau allein durch deine Anwesenheit geben kannst (wenn sie das in dem Moment will). Die Nachfrage im Krankenhaus nach einer Therapeutin lohnt also in jedem Fall.
Die Panik- und Angstattacken wurden danach bei mir aber so schlimm, daß ich in therapeutische Behandlung gehen mußte. Leider erst, als fast mein Job und mein ganzes Privatleben auf der Strecke geblieben sind. Auch hier rate ich dringend, direkt zu reagieren und ohne falsche Scham eine(n) entsprechende(n) Therapeutin/Therapeuten zu Rate zu ziehen. Die Krankenkasse zahlt dies als Nachsorge-Behandlung. Die Behandlung schlägt bei mir ganz gut an, aber so ganz ohne kleinere Attacken komme ich auch nicht weg. Doch Verständnis von Familie und Freunden hilft hier enorm. Wenn frau also nicht mehr so funktioniert wie vorher, dann muss jeder im Umfeld sich darüber klar sein, daß das eben auch nicht mehr möglich ist. Dazu ist die Krankheit zu tiefgreifend und die Folgen für das restliche Leben sehr einschneidend. Wenn ich also merke, daß ich am Mittagstisch bei Freunden sitzend unruhig werde, Schweißausbrüche und Zittern, Durchfall und Übelkeit verspüre, dann stehe ich meist rechtzeitig auf und gehe einfach. Den Weg nach Hause schaffe ich meist noch zu Fuß, wenn nicht, fährt mich jemand nach Hause. Ich habe also keinerlei Skrupel mehr, ein Event zu verlassen, nur um durchzuhalten: denn das ist eine Kraftanstrengung, die kann frau nach Brustamputation, Chemo und Tablettenbehandlung einfach nicht mehr durchstehen. Ich stehe dazu, und bei dieser Gelegenheit teilt sich die Spreu vom Weizen und erkennt sehr schnell, wer seine wahren Freunde sind. Bei diesen wirklichen Freunden kann ich dann relativ angstfrei jetzt wieder aktiv am Gemeinschaftsleben teilnehmen. Aber das dauert eben so seine Zeit. Daher mein letzter Rat: die Angst zulassen und nicht einfach wegdrücken oder verdrängen! Denn dieser Versuch macht die Situation über kurz oder lang nur noch schlimmer und dann wird´s für deine Frau nur noch härter, manche Situationen zu meistern.
Bei dem von dir genannten Status quo (2,5 cm Knoten, 1 Achselknoten befallen)ist es ratsam, die Chemo zu machen (mein Knoten war 3,5 cm groß, ebenfalls 1 Achselknoten befallen). Ich bekam 4 Zyklen nach EC-Schema (vorsorglich, wie die Ärztin sagte, dann bräuchte nicht bestrahlt zu werden). Ich gebe zu, daß ich mich damit doch sehr auf der sicheren Seite sehe. Ich bekam dann ebenfalls Tamoxifen, das habe ich aber nicht sehr gut vertragen (das ist allerdings sehr individuell, es gibt andere Frauen, die haben damit kein Problem).Der Zeitfaktor ist sowohl unerheblich wie auch gleichzeitig umstritten, denn keiner weiß, was das Schicksal für ihn vorgesehen hat. Daher halte ich es unter den gegebenen Umständen, soweit ich körperlich und seelisch dazu in der Lage bin, mit dem Ausspruch: Carpe diem (Nutze den Tag)! Eine positive Lebenseinstellung hilft auf jeden Fall, diese schwere Zeit durchzustehen. Zum Glück bin ich als rheinisches Mädel von Natur aus mit Humor gesegnet, das hilft dann schon sehr über die trüben Tage hinweg.
Gar nichts an Therapien zu machen, wäre meines Erachtens bei dem Status quo fatal, denn das hieße, daß Schicksal herausfordern. Obwohl es schon Frauen gegeben hat, die dies taten und es auch überlebt haben.
Eine Entscheidung, was zu tun ist, kann und sollte allerdings meiner Meinung nach nur aus einem fundierten Wissen über die Krankheit heraus gefällt werden. Denn meine Erfahrung mit den behandelnden Ärzten hat mich gelehrt, daß diese mich nicht ausreichend und vollständig über alles informieren, also habe ich beschlossen, dies selbst zu tun. Insofern bist du hier im Brustkrebs-Forum gut aufgehoben, die Frauen hier wissen ja, wovon sie reden und können Hinweise und Tipps über gute Ärzte und Medikamente sowie Therapien weitergeben.
Für Fragen, die dennoch entstehen, gebe ich dir gerne zwei Bücherhinweise (mir haben sie nachträglich sehr geholfen, aber es wäre besser sie vor der zu fällenden Entscheidung zu lesen):
1. Das Brustbuch von Susan Love im DTV-Verlag, kostet ca. 13 Euro und enthält viele wertvolle und sachliche Informationen
2. Der Brustkrebs-Ratgeber von Hermann Delbrück im Kohlhammer-Verlag (Untertitel: Rat und Hilfe für Betroffene und Angehörige., ca. 15 Euro.
Und zum guten Schluß noch ein spezieller Rat von mir, weil ich in dieser Hinsicht sehr schlechte Erfahrungen gemacht habe: Bitte jeden Einverständnisbogen sorgfältig durchlesen, leere Stellen durchkreuzen (damit der Arzt nicht die Möglichkeit hat, nach Unterschriftsleistung entlastende Kommentare hineinzuschreiben! - ist alles schon vorgekommen, wenn bei der OP mal was schief geht-) und sich eine Kopie davon aushändigen lassen, die steht dem Patienten nämlich zu. Es empfiehlt sich auch dringendst, ab sofort eine eigene Krankenakte mit allen Befunden zu führen (die Ärzte im Krankenhaus sind verpflichtet, dem Patienten von allem eine Kopie auszuhändigen!), denn bei einem eventuellen Arztwechsel braucht man dem neuen Arzt nur wiederum eine Kopie der eigenen Akte in die Hand zu drücken und er weiß über alles Bescheid. Arztfehler sind leider gar nicht so selten und mit dieser Handlungsweise signalisiert man dem Arzt auf jeden Fall, mit mir kannst du nicht alles machen!
So, jetzt war meine Antwort sicher lang genug und für dich hoffentlich erstmal informativ. Ich drücke dir und deiner Frau beide Daumen, zusammen seid ihr auf jedenfall stärker als einer alleine.
Herzliche Grüße von Monika :=)
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