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Alt 29.01.2018, 12:02
nilreb nilreb ist offline
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Standard Eltern haben Krebs - (Wie) kann ich helfen?

Guten Tag liebe Forengemeinde ,

ich bin etwas verzweifelt. Ich (weiblich) bin 31 Jahre, lebe und arbeite in der Nähe von Göttingen und meine beiden Eltern sind an Krebs erkrankt. Bei beiden gibt es keine Chance mehr auf eine Heilung. Meine Mutti hatte 2x Brustkrebs, dann metastasiertes Lymphkarzinom und nun Pleuralkarzinose. Mein Papa leidet an Prostatakrebs, welcher im ganzen Körper in den Knochen metastasiert ist.

Ich bin damals nach meinem ABI für die Ausbildung + Studium in meine jetzige Wahlheimat gezogen. Gebürtig komme ich aus einer Kleinstadt 70km nordöstlich von Berlin. Meine Eltern und mich trennen 470km. Geschwister habe ich nicht. Verwandtschaft kaum. Väterlicherseits leben alle in Sachsen, also zu weit weg. Die Schwester meiner Mutter hat selber genug „um die Ohren“, da ihr Mann 2017 einen schweren Schlaganfall hatte und nun auf einen Rollator angewiesen ist und noch weitere Gebrechen hat.

Ich lebe mit meinem Lebenspartner zusammen in einem Haus, welches wir gekauft/finanziert haben. Wir beide haben einen Vollzeitjob und arbeiten min. 40 Std. in der Woche. Ich besitze ein Pferd sowie 3 Katzen.

Die letzte Diagnose meiner Mutter „Pleuralkarzinose“ ist gerade mal eine Woche her und hat mich mal wieder aus der Bahn geworfen. Ich lebe mit den Krebsdiagnosen meiner Eltern nun schon seit ca. 5-6 Jahren „auf Distanz“ und konnte es ehrlich gesagt lange erfolgreich verdrängen. Die zahlreichen Chomotherapien und die Krankheit an sich haben meinen Eltern nun aber im Laufe der Jahre sehr zu schaffen gemacht. Insbesondere meine Mutti ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Beide Eltern machen zurzeit und wahrscheinlich bis auf absehbare Zeit noch weiter Chemo. Dabei ist mein Papa „zum Glück“ im Ort ansässigen KKH in Behandlung, meine Mutti muss aber immer die 70km nach Berlin gefahren werden. Momentan übernimmt das mein Papa.

Nun zu meinem Problem, was mich aktuell fast in den Wahnsinn treibt. Ich fühle mich so unfassbar hilflos, dass ich momentan einfach nur heulen möchte. Mir fehlt jegliche Motivation, ich sitze auf der Arbeit und starre ins Leere, habe schreckliche Angst und bin voller Sorge. Diese Distanz macht mich fertig. Ich möchte meinen Eltern so gerne helfen oder einfach nur Zeit mit ihnen verbringen. Für mich ist momentan alles so sinnlos. Was interessiert mich denn der Kunde XY mit seinen dämlichen Problemen, wenn doch meine Eltern so krank sind und kaum die Treppe hochkommen? Aufgrund der Distanz sehen wir uns so selten, gerade jetzt wo die nächste Horrorbotschaft ins Haus geflattert ist, bin ich wieder schrecklich traurig. Ich bin leider auch ziemlich angebunden, durch die Katzen und das Pferd. Die wollen natürlich versorgt werden. Dadurch ist es für mich schwer, spontan für eine längere Zeit von Zu Hause wegzubleiben. Wochenendfahrten sind eigentlich mehr Stress als alles andere, da ich selbst am Freitag bis 17 Uhr arbeiten muss und dann, wenn ich mich gleich ins Auto setzen würde, abends um ca. 21-22 Uhr erst da wäre. Mal einen Freitag früher Feierabend machen ginge natürlich, das kann man mal machen aber nicht dauerhaft. Hinzu kommt, dass meine Eltern sich jedes Mal, wenn sie wissen ich komme, viel zu sehr vorbereiten. Sie gehen übertrieben einkaufen, backen Kuchen etc. was ich gar nicht will und brauche. Und mein Bedürfnis zu helfen kann ich so auch nicht befriedigen, da Behörden, Ärzte etc. für gewöhnlich nur Mo.-Fr. geöffnet haben.

Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll. Ich möchte so gerne bei meinen Eltern sein und nicht einfach nur aus der Distanz zusehen/zuhören. Ich liebe sie über alles und sie sind, neben meinem Lebenspartner und meinen Tieren, alles was ich habe und das Wichtigste in meinem Leben. Was ist, wenn es sich plötzlich rapide verschlechtert und ich konnte keine Zeit mehr mit ihnen verbringen? Ich denke pausenlos daran, wie ich das hinkriegen könnte. Hatte schon den Gedanken meinen Job einfach an den Nagel zu hängen, zu meinen Eltern zu ziehen, mir dort einen Minijob zu suchen und erst mal nur für sie da zu sein solange es eben nötig ist. Ich könnte ihnen beim Einkaufen helfen, sie zum Arzt begleiten, Termine machen vielleicht sogar beim Umzug helfen, denn momentan wohnen sie im 3. Stock ohne Fahrstuhl und mein Papa kommt durch seine Knochenmetastasen kaum noch die Treppen hoch. Das wird ja tendenziell immer schlimmer und ich weiß nicht, wie lange das noch gut gehen soll. Also ich will wirklich auch eine Hilfe sein und nicht nur am Wochenende mal hallo sagen und dann mit verheultem Gesicht wieder die Fahrt nach Göttingen antreten.

Mein Pferd würde ich zu meinem Trainer stellen und die Katzen könnte ich vielleicht meinem Lebenspartner überlassen.

Ich habe über diesen Gedanken bisher mit niemandem geredet. Ich weiß nicht ob das überhaupt Sinn macht oder ob dieser Gedanke einfach Schwachsinn oder dumm von mir ist alles aufzugeben. Zumal ich gar nicht weiß, ob ich das so alles finanzieren kann.

Ehrlich gesagt habe ich niemanden, mit dem Ich über dieses Thema reden kann, niemanden der mich berät und von dem ich mich verstanden fühle. Es gibt noch nicht mal eine Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht. Ich stehe da wie der letzte Depp und weiß nicht, wie ich das alles hinkriegen soll. Meine Eltern verdrängen und ich verdränge – na wunderbar.

In einem anderen Gedanken hab ich mir vorgestellt, meine Eltern zu mir zu holen. Aber ich glaube davon kann ich sie nicht überzeugen. Sie sind beide ziemlich eigensinnige alte Leutchen und außerdem glückliche Besitzer eines tollen Bungalows am See. Den würden sie wohl nur aufgeben, wenn sie blind sind oder man ihnen die Beine abhackt.

Ich benötige irgendwie einen Rat oder eine Hilfestellung was ich machen kann. Gibt es hier im Forum vielleicht sogar jemandem, der in einer ähnlichen Situation steckt? Jemand, der auch schon mal eine Auszeit genommen hat und nur für die Angehörigen da war? Ich brauche dringend eine Beratung. An wen kann man sich denn da wenden? Ich habe echt Sorge um mich, dass ich das psychisch irgendwann nicht mehr verkrafte. Ich war/bin immer die Starke. Nach außen hin merkt man mir nichts an, aber ich lebe momentan nur so vor mich hin, die Arbeit ergibt für mich keinen Sinn. Einzigen Trost finde ich in meinen Tieren, meinem Lebenspartner und der Ablenkung in abendlichen Trinkgelagen oder Freunden, mit denen man sich treffen kann. Aber irgendwann holt es einen doch wieder ein.

In der Hoffnung auf Gleichgesinnte/Ratschläge oder Ideen!

Gruß
Claudia

ps. sorry für den eeeewig langen Text aber jetzt schon mal Danke an denjenigen, der es liest.
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