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Alt 16.04.2020, 17:28
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remeni remeni ist offline
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Standard AW: Lebermetastasen, wahrscheinlich Darmkrebs

Hallo,
ein letztes Update: mein Liebster, mein Ehemann ist am 12.01.2020 verstorben.

Im Oktober 2019 wagte er noch eine OP, um den Primärtumor im Darm zu entfernen. Aber unter der OP sah die operierende Ärztin, dass sämtliche Lympfknoten im Bauchraum bis hoch zur Lunge befallen waren. Sie hat weggenommen, was sie konnte, aber es reichte nicht.

Nach der OP gab es einige Wundheilungsstörungen und unterm Strich war diese OP sinnlos und raubte ihm gute Zeit. Aber wer so verzweifelt ist, nimmt das in Kauf.

Im November schlug die Situation um, der bisher gute Allgemeinzustand meines Mannes verschlechterte sich rapide.

Sein Onkologe schlug weitere Chemos vor, auf die mein Mann mit heftigen Abwehrreaktionen reagierte. Mein Mann wurde gelb, inzwischen ging es auf Weihnachten zu. Es ging ihm immer schlechter, er hatte große Tumorschmerzen, litt an Durchfall, durch das Kortison konnte er nicht schlafen, er befand sich in einem furchtbaren Zustand.
Ich versuchte, Hilfe beim örtlichen Palliativteam zu bekommen. Aber hey, es war gleich Weihnachten, erst im neuen Jahr ab dem 6.01. hatten sie wieder Kapazitäten frei.

Sein Onkologe wusste nichts besseres, als für den 23.12. nochmals eine Chemo anzusetzen, die mein Mann aber verweigerte. Er wollte auf gar keinen Fall über Weihnachten im Krankenhaus liegen mit Notbesetzung, am Tropf hängend. Er wusste genau, dass dies sein letztes Weihnachten wird und er wollte zuhause sterben. So bekam er Infusionen zur Stärkung.

Der Onkologe ging dann in seinen wohlverdienten Weihnachtsurlaub und ich war hilflos mit meinem Mann allein zuhause, kochte Kamillentee und versuchte aus unserer Hausapotheke so gut es ging, die richtigen Medikamente rauszufinden.

So schafften wir Weihnachten. Mein Mann freute sich über Ganz mit Kraut und Kohl, nächstes Ziel: Silvester. Am 27.12. mussten wir doch wieder in die Onkologie fahren, weil es einfach nicht mehr ging. Der Bereitschaftsarzt ordnete fürs neue Jahr ein MRT an und hing meinen Mann für paar Stunden an den Tropf, damit er wieder kräftiger wurde.

So haben wir Silvester geschafft. Nächstes Ziel: 2. Januar, da hat unser Sohn Geburtstag. Nach dem Geburtstagsfrühstück fuhren wir zum MRT und baten den Arzt, uns gleich im Anschluss die Bilder zu zeigen. Mein Mann war inzwischen am ganzen Körper gelb mit dazugehörendem Fettdurchfal, er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten.
Die Bilder waren eine einzige Katastrophe: befallene Lympfknoten drückten so den Leberzugang ab, dass nichts mehr ging. Die Lebermetas waren zurück, Metas in Lunge, am Becken wurde was gesehen. Das wars!

Gegen 12 Uhr habe ich meinen Mann zur Hausärztin gebracht und mich geweigert, wieder wegzugehen. Sie hing sich ans Telefon und hat alles in die Wege geleitet, damit uns das Palliativteam sofort aufnimmt.

Am 3.01. abends kam das erste Mal eine Ärztin vom Palliativteam zu uns nach Hause. Allein die simple Tatsache, dass sie unsere sehr umfangreiche Medikamentensammlung gesichtet hat und daraus einen Medikamentenplan und Notfallplan erstellte, empfand ich als so unendlich beruhigend. Mein Mann hat gute Medis verschrieben bekommen, auch schon Opiate. Aber nie hat sein Onkologe im Blick behalten, was wir schon haben, was zusammen genommen werden kann, was in welcher Notsituation....

Mein Mann konnte das erste Mal seit langem wieder eine Nacht durchschlafen und fühlte sich am nächsten Tag wie ausgewechselt. Er war schmerzfrei, konnte ein bisschen essen, die Angst und Unruhe wurden ihm genommen.

Für mich war es eine enorme Erleichterung, ich konnte ein wenig Verantwortung abgeben, hatte auch nachts die Möglichkeit, bei Problemen anzurufen oder das Team kam vorbei.

Am 6.01. war sein Onkologe aus dem Urlaub zurück und rief meinen Mann an, ob er noch eine Chemo wagen will. Oder ob er in die Onkologie kommen will, damit.... ja, was?! Mein Mann fragte ihn, ob er sich die MRT Bilder angesehen habe - nein, hat er noch nicht. Damit beendete mein Mann das Gespräch. Dieser Onkologe war unfähig zu sehen, dass mein Mann am sterben war und dass ihn nichts mehr retten konnte. Dieser Onkologe versteckte sich hinter seiner Apparatemedizin. Hätte er sich ein Herz gefasst, hätte er uns im November oder im Dezember den Tipp gegeben, dass bei meinem Mann ganz gewaltig was schief läuft, was wir ja vermuteten, hätte ich mich früher ums Palliativteam gekümmert. Hätte, hätte, hätte..

Mein Mann wollte unbedingt zuhause sterben, er hatte große Angst vor Schmerzen oder ersticken. Doch Dank dem Palliativteam konnten wir ihn so einstellen, dass er angstfrei war, kaum Schmerzen verspürte und so seine letzten Tage fast in gutem Zustand erleben konnte. Er hat noch Videos für die Kinder und mich aufgenommen, konnte sich verabschieden.

Am vorletzten Tag stand er nicht mehr aus dem Bett auf, hat fast nur noch geschlafen. Ich war ständig bei ihm und wir hatten Körperkontakt. Manchmal hat er mich angeschaut, mich angelächelt. Abends saßen wir mit den Kindern und seinem besten Freund auf dem Bett und drum herum und haben alle zusammen erzählt und was gegessen. Manchmal hat mein Mann in die Runde geschaut und gefragt, was wir machen: wir machen alle eine Pyjama-Party.
In der Nacht zum 12.01. war er sehr unruhig, ich habe ihm Beruhigungs- und Morphiumpillen gegeben. Dann noch mal. Eine Ärztin vom Palliativteam kam gegen 6 Uhr und sagte, dass er sich schon auf den Weg gemacht hat. Sie spritzte noch einmal Morphium, so dass mein Mann endlich ruhig einschlafen konnte. Kurz nach 9 Uhr ist mein geliebter Mann dann in meinen Armen verstorben. Ruhig, geliebt, ohne Stress, zuhause.

Es ist nun schon mehr als 3 Monate her und ich kann es immer noch nicht fassen, dass es ihn nicht mehr gibt. Er! ist! nicht! mehr! auf! dieser! Welt!
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22.06.2017: Diagnose Darmkrebs mit multiplen Lebermetastasen bei meinem Mann
12.01.2020: mein Liebster ist friedlich zuhause in meinen Armen verstorben
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