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Alt 01.06.2007, 15:17
Tanja L. Tanja L. ist offline
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Standard AW: traurige Weihnachten, mein Vater ist so krank

Liebe Sonne

Es hat mich besonders gefreut, dass du mir geschrieben hast!
Ja, nun bin auch ich/sind wir Hinterbliebene.
Gerade sind wir nach Hause gekommen. Wir waren in der Stadt, um uns Kleider für die Beerdigung zu kaufen.
Schwarz... schrecklich! Dabei war er ein fröhlicher Mensch, der bunt geliebt hat...
In dem Bekleidungsgeschäft hat meine Schwiegermutter mal gearbeitet.
Es war schlimm...jeder kam, manchen haben still unsere Hand gedrückt, manche fingen an zu weinen, die anderen schauten schweigsam unter sich.

Ich kann nur sagen, dass es eine Erlösung war.
Er hat so gelitten und der Kampf war so schlimm...mein Mann und ich haben am Mitwoch den ganzen Tag bei ihm gesessen, er war morgens nicht mehr ansprechbar, hat auf nichts mehr reagiert.
Als die Infusion eine Zeit lang gelaufen war, verbesserte sich sein Zustand etwas und er konnte uns Antwort geben...
Er drückte meinen Mann und sagte:"Es wird wieder alles gut!"
Wir haben ihn immerzu gestreichelt, seine Hand gehalten und waren froh, als seine Brüder da waren. So konnte er sich von jedem einzelnen noch verabschieden!
Mein Mann hat im Esszimmer meiner Schwiegereltern auf einem Sessel übernachtet, meine Schwiegermutter lag bei meinem Schwiepa (hatte die Couch neben dem Pflegebett)...
Ich bin Abends nach Hause, denn ich mußte die Kinder auf das vorbereiten, was nun bald eintreten würde.
Ich habe die ganze Nacht nicht besonders tief geschlafen...mich immer wieder hin und her gerollt (so gut das mit meinem Bauch noch geht)... zwischen 3.00 Uhr und 4.00 Uhr bin ich aufgestanden...mein Hund hat geknurrt...ich bin zu den Kindern, habe sie zugedeckt... noch in die Küche... ein Glas Milch getrunken...das Glas fällt mir aus der Hand...
Ich wische alles auf und gehe wieder ins Bett.
Um 6.04 Uhr bekomme ich eine SMS von Frank:
"Opa Fredi ist heim zu seiner Mama gegangen. Er ist friedlich und ohne Schmerzen eingeschlafen"
Ich habe die Kinder geweckt, Yannick schulfrei gegeben, Joshua kigafrei und sie zu meinen Eltern gebracht.
Dann bin ich zu meinen Schwiegereltern gefahren...
Wir haben ihn noch bis 12.00 Uhr behalten dürfen.
Immer wieder mußte ich zu ihm gehen, ihn streicheln, seine Hand halten...er sieht entspannt aus.
Wir haben ihm eine Jeans und ein Strickshirt angezogen...warum einen Anzug? Er soll so gehen, wie er war...schlicht und einfach...
Hände falten...warum? Was soll das? Für wen soll er sich jetzt noch so verkrampfen?

Ach, mir gehen so viele Dinge duch den Kopf...
Ich habe auch eine Stinkwut in mir...
Am Montag ist Rosenkranz beten, am Dienstag die Beerdigung.
Den Rosenkranz spare ich mir... ich kniee mich nicht und bete ... ich habe niemandem zu danken und ich muss das nicht haben.
Ich bin im achten Monat schwanger und werde die Zeit zu Hause mit meinen Kindern verbringen!
Verabschiedet habe ich mich schon ganz lange...jeden Tag seid der Diagnose ein Stückchen...
Nun geht das Leben weiter...einige sagen, er hat Platz gemacht für sein Enkelkind...ich finde diese Floskel, oder wie man es auch nennen möchte, furchtbar... muß ich jetzt ein schlechtes Gewissen haben? Darf ich mich auf meine Baby freuen? Ich hätte ihm so sehr gewünscht, dass er seine Enkelin noch sieht, sie in den Armen halten darf...
Es sollte alles nicht sein...

Ich bin müde, werde mich nun mal hinlegen

Vielleicht lesen wir uns wieder

Tanja
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Leben muss man das Leben vorwärts,
verstehen kann man es nur rückwärts.
(Søren Kierkegaard)


Geändert von Tanja L. (01.06.2007 um 15:21 Uhr)
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