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Alt 08.09.2010, 14:08
Jurist98 Jurist98 ist offline
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Standard AW: Essentielle Thrombozythämie/Kontakte zu Betroffene

Hallo Schnecke33,

auch ich hatte Bedenken wegen einer erhöhten Infektanfälligkeit, zumal Litalir ja alle Zellreihen im Blut reduziert, also auch die Leukozyten. Meine Ärztin meinte, dass die Infektanfälligkeit allenfalls leicht erhöht sei. In den letzten Monaten war ich nie krank, obwohl meine Familie mehrfach mit Erkältungen flach lag (halt die typischen Kindergarten-Krankheiten).

Mein Ruhepuls lag früher bei ca.45-50 Schläge pro Minute, jetzt bei ca. 55. Unter Belastung (200 Watt) hatte ich früher einen Belastungspuls von etwa 130 Schlägen pro Minute, jetzt etwa 140. Laut meiner Ärztin liegt dies eigentlich nicht an Litalir, eher an der Grunderkrankung ET. Ob dieser Effekt auch auftritt, wenn man ohnehin einen höheren Pulsschlag hat, kann ich nicht sagen. Auf das Medikament reagiert jeder Patient anders, die typischen Nebenwirkungen (in ca. 10% der Fälle) sind wohl leichte Übelkeit, nächtliches Schwitzen und Juckreiz, es gibt aber auch Patienten, die das Medikament gar nicht vertragen. Zum Glück gibt es dann Behandlungsalternativen wie die Anagrelide.

Ich glaube, dass viele Patienten auch wegen der Bezeichnung als "Chemotherapie" ängstlich sind. Dabei denkt man umgangssprachlich immer an die Behandlung von Krebskrankheiten. Eigentlich sind aber auch andere Medikamente wie Antibiotika "Chemotherapeutika", daher ist der Begriff verwirrend. Wirkstoffe wie Hydroxyurea oder Anagrelide sind zwar natürlich nicht harmlos wie Vitamintabletten, haben aber meistens eine recht gute Langzeitverträglichkeit.

Der Hinweis von Sweetmaus wegen der Umstellung von Litalir auf Xagrid hat mich ein wenig gewundert. Sie hat offenbar (wie ich auch) eine erhöhte Blutungsneigung, vielleicht ist es das "von-Willebrand-Syndrom", das häufig bei ET-Patienten auftritt. Allerdings sollte man dann eigentlich auch eher kein Anagrelid nehmen, da dies die Blutungsneigung noch erhöht.

Die Unterscheidung zwischen "malignen" (bösartigen) und "benignen" (gutartigen) Erkrankungen ist eine medizinische Definitionsfrage. Gutartig bedeutet dabei wohl (ich bin aber kein Arzt), dass die Erkrankung nicht ins Blut übertritt. Genau das ist aber bei ET der Fall, da es sich ja um eine Bluterkrankung handelt. ET wird daher zwar allgemein zu den malignen Erkrankungen gerechnet, hat aber nichts mit Krebs zu tun. Wegen dieser Bezeichnung war ich am Anfang auch sehr verunsichert, habe mich aber daran gewöhnt. Wir Juristen sprechen übrigens auch vom "Taterfolg", wenn das Opfer eines Mordversuchs stirbt... Das klingt für den Laien vermutlich auch ziemlich verwirrend.

Übrigens: Axel Schulz, der ja mal ein bekannter Boxer war, leidet auch unter ET und wird mit Xagrid therapiert. Gemerkt hatte man das erst, als er nach seinem Comebackversuch, bei dem er ziemlich verdroschen wurde, einen Schlaganfall bekam. Soweit ich da heute sehe, ist der Mann durchaus wieder sehr fit, auch wenn er nicht mehr boxt.

Mein Kids sind übrigens 1, 4 und knapp 7 Jahre alt. Deine Bedenken kann ich daher bestens verstehen, es wird einem ganz anders, wenn man seine Kinder ansieht und daran denken muss, dass man krank ist. Ich glaube aber nicht, dass Du da wirklich Angst haben musst. Wie gesagt, Du musst Deine Erkrankung für Dich erst einmal einordnen. Ignorieren ist dämlich, denn die ET wird ja hauptsächlich gefährlich, wenn man nicht richtig therapiert. Umgekehrt sollte man sich natürlich die Therapie und den richtigen Zeitpunkt dafür gut überlegen, damit man nicht unnötig Medikamente einnimmt.

Ich wohne in der Nähe von Frankfurt und bin Patient in der Hämatologie der Uniklinik Mainz (!). Das Institut in Mainz ist wirklich klasse, das kann ich nur empfehlen. Derzeit mache ich Blutkontrollen noch alle 2 Wochen, damit wir die richtige Dosierung hinbekommen. Danach sollten es zunächst 4-Wochen-Abstände werden und später hoffentlich jeweils 2-3 Monate.

Viele Grüße

Jurist98
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