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Alt 14.09.2007, 16:57
Ullala Ullala ist offline
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Standard AW: "Dumme-Sprüche"-Merkblatt ist fertig!!!

Zitat aus dem Merkblatt:
Was hält Dich davon ab, Deinem persönlichen Krebspatienten sein zeitweise schweres Dasein zu erleichtern, indem Du Dich echt und ernsthaft für das Thema interessierst, welches rund um die Uhr sein Leben bestimmt und dies bis an sein Lebensende tun wird (wann auch immer das sein wird)?


Liebe Birgit64, liebe caropepita,

ich möchte eben etwas klären oder aufklären:

Der Krebs beschäftigt mich nicht den ganzen Tag, sondern er bestimmt mein Leben.

Ich mache da schon einen sehr deutlichen Unterschied!

Es wäre ja, wie Du schon sagst, liebe Birgit64, schrecklich, wenn ich Tag und Nacht an nichts anderes mehr denken würde.
Natürlich gibt es auch mal Zeiten, in denen ich tatsächlich vergesse, dass ich Krebs habe.

Ich bin auch kein "Krebs-Neuling", da ich mit der Diagnose jetzt auch schon über zweieinhalb Jahre lebe.
Allerdings habe ich viele Dinge erst mit mir selber ausgemacht, bevor ich sozusagen "öffentlich" meine Einstellung in Form des Merkblatts in Worte gefasst habe.

Das Merkblatt ist eine Summe meiner Erfahrungen der letzten Jahre, in denen sich bis auf eine Handvoll Menschen ALLE "verabschiedet" haben.
Mittlerweile, und dafür ist dieses Merkblatt mein Ausdruck, lasse ich mich nicht mehr verabschieden, sondern verabschiede selber.

Das war ein langer Prozess und er ist auch noch lange nicht zuende.

Wenn ich formuliere, der Krebs bestimme mein Leben, so bin ich, so eigenartig das vielleicht für manchen klingen mag, dankbar dafür!

Damit meine ich nicht die Nebenwirkungen, die auch mich schon oft platt gehauen haben und das möglicherweise immer mal wieder tun werden.

Nein, der Krebs hat dafür gesorgt, dass ich so nah an mir und meinen BEDÜRFNISSEN bin, wie nie zuvor in meinem 40jährigen Leben.

Er hat dafür gesorgt, dass ich mit dem Rauchen aufgehört habe, seit über zwei Jahren nicht mal mehr ein Bierchen trinke, meine Ernährung auf biologisch-dynamisch umgestellt habe, mich mehr körperlich bewege als vorher und - vielleicht das Wichtigste -, dass ich mich von Menschen getrennt habe, die nicht gut für mich waren.
Ich passe viel besser auf mich auf als früher!

Ich bin oft allein, aber nicht mehr so oft einsam wie früher.

Ich verbringe meine Zeit gerne mit mir, meiner Tochter und den wenigen Leuten, die aus den alten Zeiten geblieben sind.
Neuem gegenüber bin ich offener geworden, und ich habe in den letzten Monaten so viele neue Leute kennen gelernt, wie nie zuvor.
Flüchtige, freundliche Begegnungen - eine sogar eine Bekanntschaft, die vielleicht eine neue Freundschaft wird.

So viele schreckliche Momente mir der Krebs bisher schon beschert hat, soviele gute Dinge sind auch daraus erwachsen.

Ich bin, weiß Gott, nicht immer so friedlich mit meinem ungebetenen "Untermieter", wie sich das vielleicht jetzt anhört, aber ich weiß, dass ich diesen "Holzhammer" gebraucht habe; ansonsten wäre mein depressiver Lebenstrott so weiter gegangen und ich hätte noch viel mehr wertvolle Lebenszeit verschenkt.
Das tue ich jetzt nur noch an Menschen, die mir gut tun und die anderen lerne ich immer besser zu ignorieren.

Der Krebs "bestimmt" mich also; vielleicht ist er auch meine "Bestimmung", denke ich gerade.

Ich bin nicht dankbar für die Schmerzen, den Verlust meiner Brust und die unabsehbar lange Therapiezeit, die noch vor mir liegt.

Aber ohne all das wäre ich jetzt nicht die, die ich bin (mit jeder Menge Potential zur Weiterentwicklung!) und DAFÜR bin ich dankbar!

Puh, was für ein Seelenstriptease.

Liebe Grüße, Ullala

Geändert von Ullala (14.09.2007 um 17:01 Uhr)
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