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Alt 06.10.2017, 21:09
Kathi79 Kathi79 ist offline
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Standard AW: Vati mit Adeno-CUP, Metastasen in Leber und Lunge

Guten Abend,

liebe Kaffetrinkerin,
ich danke dir für deinen Erfahrungsbericht. Zu vielen Dingen, die du beschreibst, wird es wohl bei uns auch kommen, aber dazu später mehr.
Du sprichst von einer Sterbebegleitung für deinen Mann, was muss ich mir denn darunter vorstellen? Wie seid ihr an diese Begleitung gekommen und was konnte sie für euch tun?

liebe Marilin,
es tut mir leid zu lesen, dass ihr immer noch in der Warte-Phase der Informationsbeschaffung seid. Aber er hört sich zumindest sinnvoll an, dass sich euer Onkologe sich alles zusammensammelt und sich dann bei ihm hoffentlich alle Informationen bündeln. Für die gestartete Bestrahlung wünsche ich euch viel Erfolg!

Du schreibst, dass ihr zuhause ganz offen mit euren Kindern sprecht. Ich stelle mir das so schwer vor. Ich sehe ja wie es mir geht und ich bin volljährig.
Mich überfällt es immmer wieder unerwartet: wenn am Nachbartisch im unserem Lieblingsrestaurant, in welchem mein Papa nie mehr sitzen wird, ein Gast meines Vaters Leibgericht bestellt zum Beispiel, das war gestern Abend so. Mein Vater hatte - wahrscheinlich anlässlich seines Arztgespräches - meine Mutter, meine Schwester und mich dorthin eingeladen. Wir sollten es nur nich übelnehmen, dass er uns nicht begleiten könne ;-)

Ja, das Gespräch. Gestern also. Meine Mutter und ich hatten einen Termin auf der Palliativstation vereinbart; zuerst mit der Stationsärztin und danach mit dem Sozialdienst des Krankenhauses.

Zuerst die Ärztin: Meine Mutter fragte nach der geplanten weiteren Behandlung. Und dann kam die harte Wahrheit. Aufgrund der weit fortgeschrittenen Tumorerkrankung und der Schwäche meines Vaters ist an ein Fortsetzen der Chemo nicht mehr zu denken. Mein Vater ist inzwischen vollkommen bettlägerig. Er kann sich nicht mehr selbst aufrichten. Selbst die Hand bzw. den Arm zu heben macht ihm Mühe. Auch das Sprechen, also das Formen der Worte macht ihm viel Mühe und er ist mitunter nicht gut zu verstehen. Einen Blasenkatheter hat er auch gelegt bekommen.

Seit gestern kann wenigstens sein Port benutzt werden! Seitdem bekommt er seine künstliche Ernährung und Novalgin über den Port und seine zerstochenen und blauen Arme können endlich abheilen. Die Ärztin sei kein Freund der künstlichen Ernährung. Sie sprach von einem Stoiffwechsel, der langsam zu Erliegen komme und den Patienten oftmals Beschwerden wie Bauchschmerzen, Übelkeit und Durchfall auf die künstliche Ernährung beschere. All das hat mein Vater aber nicht; er möchte diese künstliche Ernährung auch weiterhin haben.

Er soll Mitte nächster Woche nach Hause entlassen werden. Dazu wird er vom Brückenteam aufgenommen. Das ist ein Team von Ärzten und Pflegekräften mit 24-h-Rufbereitschaft. Das Team steht für Betreuung zuhause zur Verfügung und macht dort alles, was auch auf einer Palliativstation gemacht werden kann. Mit der Aufnahme vom Brückenteam steht aber auch fest, dass mein Papa nicht (nie) mehr in ein KH eingeliefert wird. Für die Betreuung zuhause kommt auch eine Portschwester für die künstliche Ernährung und ein Pflegedienst für die Körperpflege morgens und abends. Im anschließenden Gespräch mit dem Sozialdienst hat mein Vater seinen Antrag auf Pflegestufe unterschrieben und es wurde die Verordnung erster Hilfsmittel für zuhause (Pflegebett und Toilettenstuhl) ausgelöst. Heute kam schon der Rückruf: Das Pflegebett und der Toilettenstuhl werden am Dienstag geliefert, ein Pflegedienst mit freier Kapazität wurde gefunden und auch die Portschwester wird meinen Papa betreuen können.

Ich bin einerseits froh, dass es nun recht konstruktiv und vorallem schnell geht! Andererseits kommt mein Papa mitte nächster Woche zum sterben nach Hause. Diesen Fakt zu schlucken und anzunehmen ist jetzt meine Aufgabe. Bis Mitte nächster Woche muss ich das geschafft haben!

Mein Papa selbst ist der Gefassteste von uns allen. Seine Ärztin meinte, die Patienten sind sehr oft ganz ruhig, weil sie spüren, wie es wirklich um sie steht. In seinem Zimmer (meine Eltern schlafen seit Jahrzehnten in getrennten Zimmern) muss nun ausgeräumt und auf das große Pflegebett vorbereitet werden. Dazu muss einiges entsorgt werden. Meinem Papa, danach gefragt, ist Besitz inzwischen auch vollkommen egal. Er möchte nur so bald wie möglich nach Hause und noch Zeit mit uns verbringen, vorallem mit seinen Enkeln. Er liebt meine kleine Tochter (2 JAhre) sehr. Die Kleine versteht noch gar nichts von der bösen Welt und erfrischt uns mit ihrer Fröhlichkeit.

Ja, das sind sie nun. Die letzten Informationen. Keine Behandlung, auch keine palliative Chemo mehr möglich. Zum Sterben nach Hause. Heute geht es mir schon etwas besser, aber gestern brachen wieder alle Dämme. Nichts geht mehr.

Die Ärztin sprach von einer Chance auf schöne Tage, auf ein Zusammenrücken von Familie. In der Theorie kann ich mitgehen, nur praktisch gelingt es mir (noch?) nicht, mich auf die letzten Tage mit meinem Papa zu freuen...

Danke fürs Lesen.
Ich wünsche euch einen schönen Abend.
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LG Kathi
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