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Alt 31.08.2017, 09:17
Erzsi Erzsi ist offline
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Standard AW: Bitte macht mir mut

Liebe Kati,

Ich war vor einem Jahr in genau dieser Situation. Diese Zeit der Untersuchungen ist furchtbar - man wartet die ganze Zeit, was noch rauskommt und ob irgendwann noch schlechtere Nachrichten kommen. Ich hatte bzw habe eine ungünstige Prognose - triple negativ

Rückblickend war die Chemo halb so schlimm. Ich kann mir vorstellen, dass das wie ein Hohn klingt, aber ich war selbst überrascht. Mein erster Zugang nach der Diagnose war: ich mache keine Chemo. Meine Ärztin hat mir dann klipp und klar gesagt: Man muss heute nicht mehr leidend im Bett liegen. Es gibt gute Begleitmedikamente, die die Chemo ganz gut erträglich machen.

Eine andere Ärztin hat mir vor der Chemo ziemlich brutal gesagt, ich soll bei Nebenwirkungen alles nehmen, was ich bekommen kann. Die Chemo vergiftet den Körper sowieso, da schaden noch ein paar Medikamente den Nieren und der Leber auch nicht wirklich. Was soll ich sagen? Ich war vorbereitet auf Durchfall, Kotzen und leiden... in 8 Monaten war mir genau 3 Mal schlecht...

Mein sehr netter Chirurg hat mir damals ein Schlafmittel verschrieben, das ich gelegentlich genommen habe. Ich konnte nach der Diagnose gar nicht schlafen und bin stundenlang wach gelegen und habe gegrübelt, was kommt. Gelegentlich habe ich dann etwas genommen und konnte mal wieder eine Nacht durchschlafen - und das war wirklich hilfreich! (Ich fürchte aber, wenn Du stillst, wird das nicht in Frage kommen, oder?)

Ich kenne das Gefühl gut, dass man irgendwo etwas spürt und meint, das müssen doch gleich Metastasen sein. Ich habe wochenlang gegoogelt, wie sich Knochenmetastasen anfühlen.... Wenn mir irgendwann den Rücken im Bereich der Lendenwirbelsäule weh getan hat, waren das natürlich sofort Metastasen in der Leber. Für mich ist völlig klar, dass Du verspannt bist: du bist unruhig, kannst nicht schlafen, verkrampfst dich und dann kommen Nackenschmerzen raus.

Ich weiß, das ist leicht gesagt, aber versuch Dich zu entspannen. Du kannst jetzt nur abwarten. Wenn Dir Dein Arzt schon sagt, dass der Tumor früh entdeckt wurde, freu Dich! Das ist ein supergutes Zeichen. Früh entdeckt hat Brustkrebs exzellente Heilungschancen! Ich habe mich damals an jede Statistik geklammert (und mache das gelegentlich heute noch). Die Überlebensraten sind hoch. Versuch, Dich zumindest zeitweise nicht mit dem Thema zu beschäftigen, Dich abzulenken und ein paar schöne Momente zu haben.

Vor ziemlich genau einem Jahr hat mir eine Ärztin gesagt, die Wahrscheinlichkeit, dass ich in einem halben Jahr noch lebe, läge bei 50%. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich in einem Jahr noch lebe, bei 60%. Zuerst war ich völlig fertig, habe meine besten Freundinnen angeschnauzt und dachte, das war es jetzt. Und dann hab ich beschlossen: ich nicht.

Ich hab mir die Tage im Kalender angestrichen und im Büro eine 50%-Feier und eine 60%-Feier gemacht. Mir hat damals wahrsinnig geholfen, dass ich mir immer so kleine Ziele gesetzt habe. Teilweise ganz dumme Ziele wie "Ich werde im Oktober die 7. Staffel The Walking Dead ansehen und sehen, wen Negan getötet hat." Immer so kleine Dinge...

Rückblickend hab ich mir die Chemo viel schlimmer vorgestellt, als sie eigentlich war. Ich war meistens auch ganz gut drauf, hab die Nebenwirkungen so genommen wie sie waren. (Es ist unglaublich praktisch, wenn man keine Haare hat... Ich habe mir viel Zeit beim Rasieren, Augenbrauenzupfen und Föhnen erspart...) Vorher konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen, dass ich so fröhlich sein kann.

Sehr geholfen hat mir damals auch eine liebe Kollegin, die zu mir gesagt hat: Aufstehen, Krone richten, weitergehen.

Alles Liebe - man kann das schaffen!

Erzsi
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