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Alt 07.07.2011, 15:36
HeikeD. HeikeD. ist offline
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Standard AW: Geschenkte Zeit

Hallo, meine Lieben,

heute will ich wieder einmal über meinen Verlauf berichten:

Ich hatte ja erzählt, dass ich nach meiner erfolgreichen Leber-OP eine Chemo mit dem letzten für mich zur Verfügung stehenden Wirkstoff Yondelis/ Topocetan bekomme.

Nach den ersten Malen, wo die Chemo mir heftige Nebenwirkungen bescherte, kam ich bei den folgenden "Einläufen" mit den Nebenwirkungen recht gut zurecht. Allerdings wurden meine Bauchbeschwerden immer heftiger: Der Gang zur Toilette wurde fast unmöglich, so dass mich heftigste Schmerzen quälten. Zuerst schrieben wir die Verstopfung den Begleitmedis wie Emend, Aloxi und Ondansetron zu, die ja dafür bekannt sind, dass sie sehr stopfend wirken.

Nach der 5. Chemo bestand ich dann aber darauf, dass ein CT gemacht würde, um zu sehen, was in meinem Bauch los ist. Parallel dazu war mein TM kontinuierlich angestiegen, was mich schon sehr beunruhigt hatte. Zwar war der TM bei mir nie so aussagekräftig gewesen, aber eine stetige Zunahme war ja schon ein schlechtes Zeichen.

Vor 10 Tagen bekam ich dann den Befund des CTs:
Leider schlägt die Chemo überhaupt nicht an. Im Gegenteil: Alle Metas haben sich um mehr als das Doppelte vergrößert, weiterhin sitzt ein neuer, schon sehr großer Tumor auf der Nahtstelle des Darms, wo vor Jahren mal ein Stück entfernt worden war. Dieser Tumor drückt den Darm zu und verursacht die starken Beschwerden.

Der Onko war ganz ehrlich mit mir und beantwortete meine Frage auch ganz aufrichtig: Es gibt nun nichts mehr, was mir helfen kann.
Er bot mir an, die Chemo abbrechen zu dürfen. Ich habe mich aber entschieden, die letzten 2 Einläufe noch mitzunehmen, solange meine Lebensqualität nicht entscheidend beeinträchtigt wird.

Es kommt mir komplett absurd vor: Zwar habe ich arge Beschwerden, aber Kopf, Beine, Hände usw. funktionieren so wie immer. Es passt nicht mit der Tatsache zusammen, dass der Weg nur noch kurz ist. Dennoch muss ich der Wahrheit ins Gesicht sehen. Das gelingt mir recht gut. Zwar bin ich natürlich oft traurig, z.B. wenn ich an meine Tochter denke - dann zerreißt es mir das Herz. Aber ansonsten bin ich sehr konzentriert, sachlich und arbeite gezielt einige Dinge ab, die noch erledigt werden müssen.

Ich glaube, dass mir die Zeit von über 5 Jahren die Chance gegeben hat, mich mit den Gegebenheiten abzufinden und diese jetzt auch anzunehmen.
Keiner weiß, wie lange es dauern wird und das ist auch gut so.

Trotz aller Traurigkeit bin ich fest entschlossen, dass ich der Verzweifelung noch keinen Platz einräumen werde. Solange meine Lebensqualität noch einigermaßen gut ist, möchte ich die schönen Dinge genießen, möchte lachen und mich des Lebens erfreuen. Meine kleine und meine große Familie akzeptieren das und versuchen, sich auch danach zu richten, obwohl es für sie unendlich schwer ist.

Meine Hausärztin hat mich bei einem ambulanen Palliativ-Netz angemeldet, denn ich möchte so lange zu Hause bleiben, wie ich nicht zur Last für meine Familie werde. Ich möchte, dass meine Tochter selbst entscheiden kann, wann sie ihre Mama sehen will und das kann sie nicht, wenn ich hier liege und evt. schon nicht mehr ansprechbar bin oder Schlimmeres . Darum habe ich schriftlich festgelegt, in welchem Zustand ich wünsche auf eine Palliativstation oder direkt in ein Hospiz überführt zu werden. Dann kann meine Tochter selbst entscheiden, wann sie sich zutraut, mich zu sehen.

Meine Hausärztin ist großartig, sie unterstützt mich sehr. Ebenfalls habe ich durch meine beiden Schwestern viel Hilfe, ich hatte ja schon oft in anderen Threads darüber berichtet.

Meine Lieben, ich weiß, dass euch diese Nachricht erschrecken wird. Es liegt mir fern, hier auf die Tränendrüse zu drücken oder Angst zu machen.

Vielmehr möchte ich heute, wo ich noch schreiben kann, noch einmal die Gelegenheit nutzen, euch Mut zu machen:

Alle, die meine Geschichte kennen, wissen, welchen Weg ich gegangen bin und wieviel Zeit ich geschenkt bekommen habe.
Dies wurde mir durch sehr gute Ärzte und viele erfolgreiche Therapien ermöglicht.

Ich möchte euch ermutigen, immer wieder zu fragen, was man noch für euch tun kann! Meine Hartnäckigkeit war bestimmt nicht immer gern gesehen, hat mir aber letztendlich immer wieder neue Optionen eröffnet.
Jetzt haben wir wirklich alles ausgereizt und es geht nicht weiter. Aber dieser Kampf hat sich so sehr gelohnt!

Ich wünsche jeder einzelnen von euch, dass sie es schafft, diese Krankheit zu überstehen bzw. ihr so lange wir nur irgend möglich die Stirn zu bieten.

Dabei werden euch euer Mut, eure Hoffnung und Zuversicht helfen!
Gebt nicht auf und verliert niemals den Glauben daran, dass man euch sehr lange helfen kann.

Ich verabschiede mich nicht an dieser Stelle von euch, sondern werde solange ich kann, mitlesen und in Gedanken bei euch sein.

Alles Gute für jede von euch!

Heike
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