Einzelnen Beitrag anzeigen
  #14  
Alt 12.10.2012, 20:52
AnneMelanie AnneMelanie ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 28.08.2012
Beiträge: 15
Standard AW: Oligodendrogliom WHO II-WHO III

Da bin ich wieder mit etwas Kraft den neusten Stand zu posten...

eine Verlegung kam nicht in Frage, da eine andere Klinik leider unter diesen Umständen eine Patientenüberstellung nicht zu gelassen hätte und der Transport mehr als risikoreich gewesen wäre.

Wir hatten das Gefühl, dass er auf der Intensivstation gut aufgehoben sei, da alle behandelnden Ärzte (und das waren zwischenzeitlich sehr viele) und auch die Schwestern mit viel Einfühlungsvermögen und Ruhe alles nötige taten.
Leider viel mein Vater eine Woche nach seinem 60. Geb in eine Art Wachkoma, er reagierte nicht mehr auf Ansprache, musste künstlich ernährt werden und kein Arzt konnte so wirklich erklären woran es lag.

Wir hatten ein Gespräch mit dem Professor der Neurochirurgie und der teilte uns mit, dass er nicht weiss warum mein Vater auf keinerlei Antibiose reagiert und warum die Gehirnhautentzündung nicht rückläufig wird, auch den derzeitigen Zustand konnte er nicht verstehen und so teilte er uns mit, dass der Tumor bereits gewachsen sei und unter diesen Umständen keine Chemotherapie möglich wäre.
Sei es der Fall, der er sich doch erholen sollte, müsste man sich über eine erneute OP Gedanken machen, welche aber mehr Schaden als Nutzen mit sich bringen wird, da einige Gebiete im Gehirn schon sehr in Mitleidenschaft gezogen seien.

Er gab uns mit auf den Weg, dass wir die Hoffnung nicht aufgeben sollten.

Wir gingen nochmal zu meinem Vater und ich bat meine Mama mich kurz mit ihm allein zu lassen, da ich doch eine ganz besondere Bindung an ihn habe.
Ich legte meinen Kopf auf das Kissen, direkt neben sein Gesicht und streichelte ihn sanft zwischen seinen Augen und seine Stirn.
Ich sagte immer wieder leise zu ihm, dass er nicht aufgeben sollte und zusehen möchte nach Hause zu kommen, alle warten auf ihn und vermissen ihn sehr.

Dieser Zustand hielt knapp 1 Woche an, ich war in dieser Zeit nicht zu Hause, meine Mama altert sichtlich und man sieht ihr den Zerfall an dieser Situation an.

Wir fuhren nach der Woche wieder zu meiner Mama (mein Freund und ich) und verbrachten dort einige Tage, immer wieder streichelte ich ihm den Kopf, immer wieder flüsterte ich ihm ins Ohr, wir mussten an dem Sonntag wieder nach Hause und fuhren nochmal zu dritt auf die ITS, zögerlich betraten wir das Zimmer und wurden überrascht.

Er saß wach in einem Therapiesessel und schaute auf den Boden, als wir das Zimmer betraten riß er seine Augen auf und man merkte das er unsere Gesichter erkannte, sie aber nicht zuordnen konnte, wir erzählten ihm das wir ganz stolz auf ihn sind und wie sehr wir hoffen und beten. (ich bestelle täglich beim Universum)

Er war zeitlich, örtlich, situativ und personell nicht orientiert, nestelte an sich rum und der Besuch strengte ihn sichtlich an, aber wir waren so HAPPY, also entschieden wir nach einer halben Stunde zu gehen, ich verabschiedete mich von ihm und sagte ihm, dass ich erstmal wieder los muss, aber sicher bald wieder komme, ich umarmte meinen Vater und plötzlich fing er ganz schrecklich an zu weinen und wollte mich gar nicht mehr los lassen, ich konnte ihn kaum beruhigen, es brach mir das Herz...

Die Ärzte selbst waren überrascht, auch die Entzündung ging zurück, plötzlich konnte auch auf den ZVK verzichtet werden und auch der Druck im Gehirn regelte sich von selbst, die Drainage konnte gezogen werden.
Er wurde schon nach knapp 2 Wochen auf die von uns so gefürchtete Neurochirurgiestation verlegt werden.

Ich hoffe immernoch das einige von diesen betriebsblinden und stumpfen Schwestern und Ärtzen sehen konnten, was sie aus meinem Vater gemacht haben, der noch vor 2 Monaten der Alte war, nur eben als von ihnen betitelter Simulant.
Aber das ist Wunschdenken, sie ändern ihr Verhalten eh nicht.

Gleich am ersten Tag nach Verlegung stürzte mein Vater 2 mal bei dem Versuch zu laufen, also wurde er im Bett fixiert und bekam den von der ITS gezogenen Katheter wieder gelegt.
Zum Glück mobilisierte die KG in oft in den Therapiesessel und er hatte sogar kurze helle Momente, in denen er uns erkannte, aber dennoch ist kognitiv ein großes Defizit zu merken.

Wir fuhren nach einer Woche wieder für mehrere Tage zu meiner Mama und hatten am 02.10. ein Gespräch mit dem Stationsarzt, der uns mitteilte, dass für meinen Papa auf dieser Station nichts mehr getan werden kann, er bat uns an einen Platz auf der Palliativstation zu besorgen oder wir sollten uns nach einem Pflegeheim umgucken, was auf keinen Fall für uns in Frage kommt.
Eine anfänglich ja immer im Gespräch gewesene Reha wird nicht genehmigt, da mein Vater aufgrund seiner Diagnose nie wieder arbeitsfähig sein wird....armes Deutschland...ohne Worte...

Wir besuchten ihn am 04.10., er saß ihm Stuhl auf dem Flur um wohl etwas Stationsalltag zu erleben, aber man merkte, dass er nicht mehr sitzen konnte (saß den ganzen Tag draussen), also bat ich eine Schwester ihn doch wieder zurück zu bringen, Antwort etwas barscher im Ton: wir müssen auch erstmal was Essen...und schon wurde ich wieder stehen gelassen.

Mein Freund und ich fuhren den nächsten Tag zu ihm und beim Öffnen der Tür sahen wir erst viel Besuch vom Zimmernachbarn und dahinter stand mein Vater am Bettende und schien sichtlich aufgeregt durch die ganzen Personen im Raum.
Wir konnten ihn schnell beruhigen und er setzte sich auf einen Stuhl, da wir ja nicht wussten, ob er die Fixierung vielleicht allein gelöst hatte, aber dann kam eine freundliche Schwester und erklärte uns, dass wir doch gerne mit ihm zusammen spazieren gehen können...das brauchte sie nicht 2 mal sagen, wir gingen bis ins Erdgeschoß und tranken in der Cafeteria einen Kaffee, er war zeitweise sehr klar, konnte sagen das ihn das laufen anstrengt und er ja lange gelegen hat, wusste wer ich bin und das Mama zu Hause jetzt alles allein organisieren muss...wir waren si begeistert, dass ich in der Cafeteria noch vor Freude anfing zu weinen.
Dennoch verlor sich seine Orientierung durch die Anstrengung und wir brachten ihn nach einer halben Stunde ins Bett, wir verliessen fast beflügelt das Krankenhaus.

Schon eine Woche später ergab sich ein Platz auf der Station und wir waren sehr erfreut, dort gibt es wirklich ein tolles Team und alle kümmerten sich sofort rührend auch um uns Angehörigen.

Ich hatte diesen Dienstag ein langes Gespräch mit dem Stationsarzt und meiner Mama und leider war es auch sehr bitter.
Aufgrund der Situation, da der Tumor so schnell wächst und er rund um die Uhr Hilfe braucht, sei es bei ganz alltäglichen Dingen wie auf Toilette gehen, was er nicht mehr alleine bemerkt und steuern kann oder ein Brot schmieren, benötigt er 24 Stunden Betreuung, was wir zu Hause nicht leisten können, hat der Arzt uns nahe gelegt einen Platz im Hospiz zu reservieren, so steht mein Papa jetzt auf der Warteliste auf Platz 50.

Er hat kurzzeitig helle Momente und da sind sogar kleinere Gespräche möglich, so hat er dem Arzt gesagt er möchte keine OP oder Chemo mehr und auch das er Angst um seine Firma hat, die er doch mit soviel Fleiss allein entstehen lassen hat.
Dann ist er aber wieder abwesend und weiss nicht was los ist und will nur schlafen.
Ich habe den Arzt gebeten, dass auch meine Mama psychologisch begleitet wird und er bot uns an auch mal eine Nacht in einem Zustellbett neben Papa schlafen zu dürfen, vielleicht kann man auch organisieren, dass er mal für eine Nacht nach Hause darf.
Am Ende bat uns der Arzt darum eine Entscheidung zu treffen hinsichtlich einer Patientenverfügung und ich habe lange mit meiner Mama geredet, damit sie auch versteht, dass sie ihn bei so einer Verfügung weder verrecken noch leiden lassen...

Es ist ein harter Weg der da vor uns liegt und mir fehlen oft die Worte zu beschreiben was ich fühle, jetzt gerad bin ich gefasst.
Ich habe heute den Satz gesagt bekommen: Freunde werden Bekannte und Bekannte werden zu Freunde...und ja es stimmt und ich bin dankbar für diesen Rückhalt.
Seine letzte Ehre ist meine Bürde, er hat es verdient das ich ihm seinen Weg ebne.
Ich hoffe meine Kraft reicht...
Mit Zitat antworten