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Alt 10.02.2011, 22:40
bodo9 bodo9 ist offline
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Standard Iressa oder nicht Iressa

Hallo,
nachdem ich hier seit ca. zwei Wochen mitlese, habe ich mich nun auch angemeldet.
Es geht um meine Frau, 48 Jahre alt, Thailänderin, seit 5 Jahren in Deutschland lebend. Bis vor kurzem war sie ihr Leben lang immer kerngesund, ohne eine ernsthafte Krankheit. Letzten Herbst bekam sie Husten, eine erste Behandlung brachte keinen Erfolg. Wir haben dem keine besondere Bedeutung beigemessen, und gedacht, irgendwann wird der Husten schon wieder von selbst verschwinden. Als der Husten an Weihnachten noch immer nicht verschwunden war, im Gegenteil sich deutlich verschlimmert hatte, haben wir dann doch noch mal einen Arzt aufgesucht. Die Vertretung des Hausarztes (der hatte sich verdientermaßen eine Woche Urlaub gegönnt) verschrieb Antibiotika. Eine Woche später (03.01.11) veranlasste der Hausarzt eine Röntgenaufnahme. Man sagte uns: Lungenentzündung, aber zum Glück nichts Bösartiges. Da wir bereits Monate vorher für den 13. Januar unseren Urlaubsflug nach Thailand gebucht hatten, versuchte der Hausarzt die Lungenentzündung mit weiteren Antibiotika möglichst schnell zu bekämpfen. Eine Woche später sollte dann mit einer weiteren Röntgenaufnahme die Entscheidung fallen, ob wir nach Thailand fliegen können. Da die neue Aufnahme keine Verbesserung zeigte, folgte eine Überweisung zum Lungenfacharzt. Der entschied nach Ultraschall-Untersuchung: nicht Lungenentzündung, sondern Pleura-Erguss. Und ab in die Klinik statt nach Thailand.
Nach mehreren Untersuchungen erhielten wir eine Woche später am 18. Januar dann das Ergebnis: nicht kleinzelliger Lungenkrebs. Die PET/CT-Untersuchung am nächsten Tag brachte dann den nächsten Schock: mehrere Auffälligkeiten im Körper zeigten, dass es für eine Operation bereits zu spät ist. Eine Hoffnung konnte uns der Arzt jedoch machen. Da meine Frau 1. weiblich, 2. Asiatin 3. lebenslang Nichtraucherin ist und 4. ein Adenokarzinom hat, liegen bei ihr alle Voraussetzungen vor, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass bei ihr eine EGFR-Mutation vorliegt, und sie somit medikamentös z.B. mit Iressa behandelt werden kann. Am 20. Januar wurde also von der Klinik eine Gewebeprobe zur Gen-Untersuchung an ein dafür befähigtes Institut geschickt. Am nächsten Tag wurde meine Frau aus der Klinik entlassen mit dem Hinweis, dass wir ca. 10-14 Tage warten müssten, bis wir ein Ergebnis der Gen-Analyse erhalten würden. Vorher könne leider nicht mit einer Therapie begonnen werden, da die Art der Therapie sich je nach Ergebnis der Analyse sehr stark unterscheiden wird.
Nach 14 Tagen hab ich dann in der Klinik angerufen: noch kein Ergebnis. Das Analyse-Institut könne (oder wollte) man mir nicht nennen. Da man mir früher die Stadt genannt hatte, in der die Analyse durchgeführt wird, war es mit Hilfe einer Liste, die ich hier im Forum gefunden habe, nicht schwer heraus zu finden, wo ich anrufen musste, um genaueres zu erfahren. Man teilte mir mit, dass bereits eine zweite Gewebeprobe untersucht würde. Vermutlich war die erste nicht groß oder gut genug. Ich solle mich am 8. Februar wieder melden. An diesem Tag dann die nächste Vertröstung: übermorgen (also heute), spätestens am nächsten Tag wäre das Ergebnis da.
Während meine Frau sich bei der Entlassung aus dem Krankenhaus bis auf den Husten noch sehr gesund gefühlt hatte, war die Situation inzwischen, also 2 1/2 Wochen später, schon deutlich verändert: sie fühlte sich fast immer müde, hatte häufig Atemnot und litt unter (leichten) Schmerzen in der Brust und den häufigen Hustenanfällen. Daher suchten wir wieder den Lungenfacharzt und den Onkologen auf, die eine gemeinsame Praxis führen. Dort erfuhren wir, dass ein letzter Besuch in Thailand bei der Familie und den Bekannten meiner Frau wegen des langen Fluges mit der dort herrschenden dünnen und trockenen Luft wohl nicht mehr möglich sein wird. Und dass sie an einem niedrig differenziertem, d.h. besonders schnell wucherndem Karzinom leidet. Da das Ergebnis der Gen-Analyse bereits zwei Tage später vorliegen sollte, wurde noch keine Therapiemaßnahme eingeleitet.
Heute dann der nächste Anruf beim Analyse-Institut: das Ergebnis sei nicht eindeutig, wir müssten bis mindestens nächste Mittwoch, also mindestens 6 weitere Tage auf das endgültige Ergebnis warten.
Morgen werden wir den Onkologen wieder aufsuchen.
Dieses elende Warten macht einen schier wahnsinnig. Wobei ich sagen muss, dass meine so sehr geliebte Frau besser mit der Situation fertig wird als ich. Sie ist eine willensstarke Persönlichkeit, die vermutlich schon in ihrer Kindheit bei ihrer Oma auf dem Land in Thailand das Kämpfen gelernt hat. Sie hat sich aus sehr ärmlichen Verhältnissen ohne große Hilfe von Anderen nur durch viel Fleiß und Können zu einem wesentlich besserem Leben hoch gearbeitet, während mir im Gegensatz dazu doch manches im Leben in den Schoß gelegt wurde. Daher habe ich auch heute mit immerhin schon 59 Jahren zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl, dass das Schicksal es mit uns im Augenblick nicht wirklich gut meint. Meine Frau muss mich deutlich häufiger trösten als umgekehrt. Sie sieht weiterhin die positiven Seiten, z.B. dass hier die Krankenversicherung das Allermeiste zahlt, während sie in Thailand entweder ohne Therapie sterben müsste oder sie ihre Familie in den finanziellen Ruin treiben würde.
Immerhin ein Wunsch wird ihr vermutlich erfüllt: sie hat sich immer gewünscht, vor mir zu sterben. Lange dachte ich, da wird sie wohl Pech haben bei immerhin 11 Jahren Altersunterschied. Wie man sich doch irren kann.
Leider bleibt noch immer die Frage offen: Iressa oder nicht Iressa
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