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Alt 08.12.2002, 22:26
Gast
 
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Standard Angehörige sind (fast) schlimmer dran!

Hallo Ihr Lieben,
hi Kira, es ist schon okay, weisst Du. Ehrlich gesagt, wenn ich manchmal Eure lieben Worte hier lese, dann kommen mir selber auch immer meine eigenen "schlechten" Erfahrungen hoch. Dann denk ich mir: Können mir meine Leute nicht auch mal diese Herzlichkeit schenken?
Aber ... hach ja, ich kann es wohl nicht ändern. Du schreibst, Du verstehst es nicht. - Na, ich auch nicht. Aber ich versuche es zumindest. Versuche MEINE Angehörigen zu verstehen.

Ich denke, es liegt wohl nicht daran, dass mich meine Angehörigen nicht lieben. (Denn soooo krass bin ich ja nun auch wieder nicht! - Oder?) Es ist vielleicht eher ... ihre Unfähigkeit, Liebe überhaupt erst zu zeigen. Wenn man das nie gelernt hat, ... dann wird man das in so einer schweren Zeit wohl auch nur schwer zeigen können.
Dann kommt noch hinzu, dass ich Single bin. Habe schon oft alles alleine gemacht, also denken meine Angehörigen vielleicht, das wird auch weiter so bleiben. Starke Frau = immer starke Frau. - Naja!
Dann liegt's vielleicht auch noch an meiner Diagnose selber, denn nach zwei Jahren geht's mir heute noch immer gesundheitlich gut. Da wird sehr schnell das Thema "abgehakt", als wäre die Krankheit bloss ein kleiner Schnupfen gewesen. Klar, über meinen guten Gesundheitszustand bin ich auch sehr happy, aber ... verarbeiten konnte ich die Krankheit dafür wieder alleine.
Und dann kommen natürlich noch die eigenen Ängste meiner Angehörigen dazu, die sie wahrscheinlich zu diesem "Rückzug" oder zum "Nicht-Ernst-nehmen" getrieben haben.

Also, wenn ich's krass "berechne", dann kann ich sagen: Nach der Diagnose haben mich erst mal ZWEI volle Monate die ÄRZTE alleine gelassen! Echt, da hatte keiner Zeit für mich!
Und, gleich nach der Diagnose waren meine Angehörigen natürlich schon geschockt. Sie kamen ein- zweimal zu mir, aber weil's soweit gut bei mir aussah, kamen sie dann hinterher eben NICHT mehr!
Im grossen und ganzen war ich also das ganze ERSTE Jahr völlig alleine. Ich habe jeden einzelnen Arzttermin alleine besucht, habe meine eigenen Informationen geholt, habe völlig alleine gelitten, habe niemanden gehabt, der mich mal in die Arme nimmt, habe mit niemandem über meinen Krebs richtig reden können, habe alleine schlaflose Nächte verbracht, habe alleine geweint, ... tja, und wenn's ganz schlimm war und es wirklich sein musste, dann habe ich dem Krebs-Sorgentelefon angerufen, damit ich wenigstens mit jemandem richtig darüber REDEN konnte, stellt Euch das mal vor!
Klar, eine Selbsthilfegruppe hatte ich auch aufgesucht, aber irgendwie fühlte ich mich dort nicht so richtig wohl. War also auch wieder nichts.
Erst nach einem Jahr kamen endlich Änderungen. Neue Freunde! Dann habe ich mit freundschaftlicher Hilfe meine Geschichte in einer eigenen Homepage verfasst. Ich habe diesen Krebskompass entdeckt und neue Leute kennen gelernt. Habe hier zuerst mit anderen Betroffenen geplaudert und mich nicht mehr so alleine gefühlt. Dann habe ich mich mit anderen Angehörigen hier ausgetauscht. Indem ich versuchte, Ihnen zu helfen, habe ich mich somit auch erst richtig mit MEINEN Angehörigen auseinandersetzen können. Ich habe versucht, zu verstehen, was ich ein ganzes Jahr lang nie verstanden habe und was ich eigentlich immer als Selbstverständlich angesehen hatte, aber nie so erleben durfte. - Und dann kamen diese kleinen Hilfen von kleinen Engeln hier und da mal, von Nachbarn und Fremden, plötzlich und unerwartet ...

Jedenfalls bin ich manchmal selber am staunen, wie ich dieses erste Jahr bloss geschafft habe. Eigentlich war mir da das Internet (allgemein gesehen) eine grosse Hilfe. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass man oft hört, der Computer daheim würde für Einsamkeit sorgen! Mir hat's jedenfalls geholfen!
Schlussendlich, so sagt man ja, ist der Mensch immer alleine. Er kommt alleine zur Welt, und er geht alleine wieder. - Tja, bei mir gibt's wohl halt auch solche Momente des Alleinseins, die IN meinem Leben stattfinden, also nicht nur beim "Kommen" und beim "Gehen"! Sie sind schlimm, solche einsamen Momente im Leben, schrecklich, verletzend und das krasseste vom Krassen, aber ... offenbar auch zu schaffen, nicht wahr?

Naja, jetzt habe ich Euch hier noch ein bisschen meine Erfahrungen erzählt. Erzählen tut immer gut. Ganz besonders, wenn man alleine ist. - Aber sooo alleine bin ich in der Zwischenzeit ja auch nicht mehr, ich habe ja neue Freunde, und ein paar dieser kleinen Engel um mich herum, ... und klar, Euch alle hier natürlich!

Ich drücke Euch alle ganz fest, Ihr Lieben!
Es grüsst die "krasse" Brigitte
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