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Alt 24.10.2016, 22:36
Benutzerbild von Geli-Emilie
Geli-Emilie Geli-Emilie ist offline
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Standard AW: Adeno-Karzinom - Dickdarm

@MaraM Hallo MaraM, herzlichen Glückwunsch – ich habe schon gelesen, dass Deine Untersuchungen bisher ziemlich gut gelaufen sind und somit die Abstände Deiner Untersuchungen länger werden dürfen. Allerdings würde ich es an Deiner Stelle auch als sicherer ansehen, wenn es bei kürzeren Kontrollzeiten bleiben würde. Und dann drücke ich Dir für die Restkontrollen ganz feste die Daumen und hoffe, dass alles harmlos bleibt.

Liebe MaraM, Adlumia, Geliplie und lieber Frank,

Eure Denkanstöße und und Anregungen haben mir viel zu denken aufgegeben. Die Wahrheit ist, dass ich Eure Fragen im Moment nicht beantworten kann. Das Wechselbad meiner Gefühlswelt ist immer noch total durcheinander.

Z. B., ob ich meinen Körper noch als meinen Freund ansehen kann. Ich weiß es nicht. Aber es könnte auch mein schlechtes Gewissen sein, dass ich ihm trotz meines Wissens um seine schlechte körperliche Verfassung diese OP zugemutet hab. Mir ist tatsächlich so, als wolle er mich jetzt dafür abstrafen und mir jeden weiteren Dienst versagen. Obwohl mir mein Verstand sagt, dass das natürlich Unsinn ist und es für alles, was jetzt nicht „normal“ läuft eine Erklärung gibt. Ich habe mich schon immer gegen die Vorstellung gewehrt, dass „alles gegen mich ist“ usw. Oder nie habe ich mich bisher gefragt, warum das ausgerechnet mir passiert. Es passiert ja tatsächlich nicht nur mir so, sondern vielen anderen auch. Und wenn ich in Euren Profilen lese, sehe ich mich darin auch bestätigt. Ihr hattet teils wesentlich härtere Leidenswege als ich.

Chronische Gefäßerkrankungen behindern den Heilungsprozess, das ist bekannt – mein Opa hatte wegen chronischer Gefäßverengungen beide Beine amputiert bekommen. Daran hat keine Klinik schuld, und ich habe es bei meiner OP auch falsch eingeschätzt. Es ist schlicht und ergreifend so, wie es ist und nicht zu ändern. Im Mai sagte mir Prof. B. aus Marburg, dass mein Gefäßsystem in einem sehr schlechten Zustand sei, ich nicht mehr viele Reserven habe und so quasi mit den letzten Tropfen des Ersatzkanisters unterwegs sei. Dieses Wissen ist es, was ich nicht los werde, dass ich in etwa alles, was mir die Krankheit an Schmerzen bringt, selbst verschuldet habe durch meine Entscheidung, mich operieren zu lassen.

Alternative? Reue? Nach meinen beiden vorherigen Krebsarten wollte ich mich – wie schon gesagt – auf keine weitere Krebstherapie mehr einlassen. Meine Vorstellung war, alles auf eine Karte zu setzen und nichts unternehmen zu müssen. Auch mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass es jederzeit zum Verschluss kommen könnte. Und wenn es dann zum Darmverschluss kommt, ins Hospiz gehen. Zumal ich immer wieder das Gefühl hatte, zu schwach zur OP zu sein.

Aber so, wie ich mir dies vorgestellt habe (nie wieder leiden oder kämpfen zu müssen), funktioniert es leider nicht. Mich hätte ja nicht einmal ein Hospiz aufgenommen, weil die Diagnose nicht „unheilbar“ hieß. Wie man es auch dreht und wendet: keine Chance, meine Ruhe zu haben vor weiteren Therapien und einfach sagen zu können: Ich will nicht mehr und kann nicht mehr. Es reicht, alles, was jetzt noch folgt, wird mich für Jahre noch mehr belasten, falls ich mich überhaupt je davon erholen werde. Die letzten Krebsarten haben mir genug zugesetzt. Die Bestrahlungen im Hals-/Lungenbereich haben dafür gesorgt, dass ich schon bei kleinsten Belastungen Luftnot bekomme durch die COPD, das Immunsystem ist kaputt, die Gefäße ebenfalls.

Und trotzdem kann ich mich nicht gegen den Gedanken wehren, dass sich mein Körper an mir rächt. Und jetzt muss ich das aushalten, ob ich will oder nicht. Klar gibt es eine logische Erklärung dafür, dass ich bis gestern über 10 Stomaplatten gebraucht habe. Zuerst nehme ich 10 kg ab, da verändert sich die Bauchstruktur und mein Anus praeter liegt plötzlich in einer Hautfalte, in der sich Flüssigkeit ansammelt und jedes Ankleben einer Platte zum Scheitern bringt. Dann ist die Haut so gereizt, dass alles nur noch nässt. In den letzten zwei Tagen und Nächten musste alles offen bleiben, damit die Haut sich erholen kann. Heute war die ratlose Stomaberaterin hier mit neuen Tricks, aber ich rieche ja schon wieder, dass die Nacht nicht ruhig bleibt.

Gut, sind Peanuts, aber alles zusammen genommen so wahnsinnig nervig! Dann die Enge im Zimmer, die Zimmernachbarin, die ich seit über 2 Wochen habe, 84 Jahre, will immer alles alleine machen und schmiert anschließend alles voll – egal, ob sie deshalb angemeckert wird oder nicht. Fast alle halbe Stunde macht sie den Stuhl voll, lässt den Deckel natürlich weg. Ich muss wieder aufstehen und lüften und jemand holen, der den Dreck weg macht. Und dann muss ich wieder getrocknet werden... Scheißspiel! Mir ist längst der Appetit vergangen!

Gestern wurde der Vakuumverband wieder ohne Vollnarkose im Bett gewechselt, da habe ich mir den tiefen Krater im Bauch genau angesehen und war dann völlig geplättet. Ich kann mir nicht vorstellen, wie dieses riesige Loch jemals wieder zugehen könnte. Die Ärztin sagte, zur gegebenen Zeit würde es wieder genäht werden können, aber zuerst müsse Haut transplantiert werden, und die darf auch nicht abgestoßen werden. Als Zeitrahmen nannte sie „ca. 4 Wochen, wenn alles gut läuft.“. Na, dann brauche ich ja für Weihnachten und Silvester kaum Pläne mache. Ich habe das Gefühl, ich stehe kurz vor einem Krankenhauskoller. Nie ist man mal einen Augenblick alleine. Und ich kann mir nicht einmal eine Auszeit nehmen.

Ich hoffe, diese elende Phase von Selbstmitleid geht irgendwann bald wieder vorbei, weil ich mich im Moment so selbst nicht leiden kann. Es fühlt sich an wie ein Alptraum, aus dem ich einfach nicht aufwachen kann. Und dann kann ich mir 1000 x sagen, dass es anderen noch viel schlechter geht als mir..

Euch allen zusammen eine ruhige und und gute Nacht.
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