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Alt 25.04.2003, 10:13
Gast
 
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Standard Es tut so weh!!!

Hallo Tina,

mein Bruder und ich wissen wie Du Dich fühlst, wir haben das letzten Herbst durchgemacht. Unser Papa hatte ein kleinzelliges Bronchialkarzinom, was eine sehr bösartige und unheilbare Form von Lungenkrebs ist. Festgestellt wurde es erst, als er plötzlich querschnittgelähmt war, weil seine Wirbelsäule mit Metastasen übersät und eine davon so groß war, daß sie ihm die Nerven zu den Beinen abdrückte. Die Ärzte sagten uns von Anfang an, daß seine Chancen gleich null sind, aber wir haben ihm immer wieder Hoffnung gemacht und uns wie Du im Internet, bei Unikliniken, bei der Deutschen Krebshilfe und sämtlichen Adressen informiert. Unserem Papa haben wir nie erzählt, daß die Ärzte ihm keine Chance mehr gaben - wir und er selbst haben bis zum Schluß die Hoffnung nicht aufgegeben, denn man hört ja doch hin und wieder von Menschen, die wider Erwarten der Ärzte mit ihrer positiven Einstellung den Krebs besiegt haben. Man muß in so einer Situation einfach an Wunder glauben und versuchen, das „Positive“ zu sehen: daß der Mensch – Diagnose hin oder her - ja noch da ist, daß man die Möglichkeit hat, mit ihm zu reden und Beistand zu leisten, zu zeigen: „du bist mit dieser Krankheit nicht alleine - es trifft uns ALLE genauso wie dich und wir wollen alle, daß du es schaffst“ (unser Ziel war, den Krebs mit einer Chemotherapie so weit einzudämmen, daß man mit der Krankheit auch weiterleben kann, wenn sie nicht heilbar ist). Auch, wenn sie früher oder später wieder nachwachsen, sagten die Ärzte uns, daß man heutzutage mit der Chemotherapie, die für jeden Patienten individuell zusammengestellt wird, in der Lage ist, Tumore/Metastasen bis zur Unnachweisbarkeit aufzulösen. Das Tumorgewebe wird dann einfach über die Nieren ausgespült. Natürlich ist es kein Zuckerwasser, unser Vater stand unmittelbar nach der Chemo beide Male auf der Schwelle zum Tod. Aber ca. 2 Tage später zeigte sie doch ihre Wirkung – er konnte wieder besser essen (auch am Eingang zum Magen hatte er einen faustgroßen Tumor) und bekam wesentlich besser Luft. Bei derart schweren Fällen werden in die Chemotherapie u.a. auch Mittel gemischt, die - wenn eine Heilung nicht mehr möglich ist – zumindest die Schmerzen nehmen, das Leiden soweit wie möglich verringern und das Sterben erleichtern (damit die Patienten, wenn es soweit ist, friedlich einschlafen). Die Entscheidung zur Chemotherapie muß aber jeder Patient für sich alleine treffen – Du kannst Deinen Vater dazu ermutigen, aber wenn er darin absolut keinen Sinn sieht, ist es für ihn eher eine zusätzliche Qual. Manche Menschen finden sich in dieser Situation auch einfach mit dem Tod ab und versuchen die Zeit zu genießen, die ihnen bleibt. Mein Vater (er war übrigens erst 52) wollte jedoch alles dransetzen, um seinen Zustand zu verbessern, denn durch den Querschnitt war von die-letzte-Zeit-genießen leider keine Rede.
Ich wünsche Dir viel Kraft in dieser schweren Zeit, wir wissen, was Du durchmachst und Du bist nicht alleine. Ich habe auch oft gedacht, daß ich es nicht schaffe, aber dann habe ich mir immer wieder gesagt, daß ich für meinen Vater stark bleiben muß, weil es ihn zusätzlich belastet, wenn er merkt, wie sehr die ganze Familie darunter leidet. Dein Vater würde auch nicht wollen, daß Du daran zerbrichst, also versuche, für ihn stark zu bleiben und stehe ihm bei, indem Du so oft Du kannst einfach nur in seiner Nähe bist und er die Möglichkeit zum Reden hat. Als unser Vater noch im Krankenhaus lag, haben wir eine Art Schichtdienst geschoben, so daß rund um die Uhr jemand bei ihm war. Das tat ihm sehr gut - wir haben trotz der ganzen Situation sogar oft miteinander gelacht und gescherzt. Wir haben ihn nie alleine gelassen und das ist – für meine Mutter und meinen Bruder noch mehr als für mich, weil sie ihn bis zum Schluß zuhause gepflegt haben – der größte Trost: den Weg bis in den Tod mit ihm gegangen zu sein...
Kopf hoch, Tina –Deinem Vater zuliebe!
Liebe Grüße,
Pia
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