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Alt 15.04.2006, 22:17
Bernd1 Bernd1 ist offline
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Standard AW: Seelischer Knacks durch Krebs???

Liebe Anne,

ich bin schon länger in diesem Forum und habe zu seelischen Problemen einige Beiträge beigefügt. Jede Antwort von mir hat mit diesen Problemen zu tun, weil sie bei meiner Krebsbehandlung und der Zeit danach, eine grosse Rolle spielen. Viel mehr als das Organische, Körperliche. Das liegt einmal an meiner Krebsart (Peniskarzinom) und auch daran, das ich schon immer sehr sensibel war.
In dieses Forum habe ich heute reingeschaut, weil meine Zwillingsschwester vorige Woche an Blasenkrebs operiert wurde.

Eine flüssige Geschichte kann ich jetzt gar nicht schreiben. Ich setze mal meine Gedanken einfach so zusammen.
Deine erste Beschreibung liest sich so als wenn Du mein Tagebuch benutzen konntest. Mit dem einzigen Unterschied, das meine Frau tapfer zu mir steht. Gerade sie muss viel ertragen. Ich habe mich doch sehr verändert.
Ich konnte mich durch die Krankheit streiten. Anlässe gabs genug, durch eine kaum auszuhaltene Empfindlichkeit. Das wiederrum verstand meine Frau nicht. Hatte ich doch zuvor in 40 Ehejahren nicht die Kraft oder soll ich sagen den Mumm zum Streiten bzw. zum Auseinandersetzen. Die Folgen dieses Verhaltens waren fürchterlich und haben natürlich keinerlei Probleme gelöst.
Ich bekam vor 20 Jahren Depressionen und- man kann es ahnen- mit der Krebsdiagnose brachen diese Depressionen wieder auf. Durch psychologische Therapie wird mir geholfen, Ergebnis: jetzt krieg ich schon mal einen Wutanfall. Ich, der 60 Jahre lang so pflegeleicht war.

Zufrieden kann ich damit aber nicht sein. Durch meine Streitfähigkeit wird meine Frau krank. Also haben wir beide vereinbart damit wieder aufzuhören. Da denke ich nun es geht wieder zu meinen Lasten.
Liebe Anne, hast du sowas schon mal gehört, das sich auch Ehemänner total Ihrer Frau unterordnen und Eigenleben aufgeben. Jetzt hast Du ein Beispiel.
Die Folgen für Betroffene sind dramatisch. Ich bezahle ein Leben lang dafür gesundheitlich. Hatte eine guten Beruf und stets viele Ämter. Heute -durch die Krankheit Krebs- weiss ich, das diese Ämter Schutzschilde waren um Depressionen und Gedanken um Sinnlosigkeit meines Tuns zu verbergen.

Mein seelischer Knacks durch Krebs ist demnach mehr eine Findung meiner Selbst zu der ich bisher nicht fähig war. So wie vorher werde ich nicht mehr, will ich auch nicht. Die grösste Aufgabe ist nicht für mich der Krebs selbst, sondern wie ich damit umgehe und was seelisch in meinem Innersten passiert. Mein Frau, Meine Kinder und meine Enkel werden es aushalten.

So, das war meine längste Antwort bis jetzt. Soviel hat Dein Beitrag bewirkt. Mehr zu Ängsten und zu meinem Krebserlebnissen kannst Du in meinen anderen Beiträgen lesen.
Sei ganz herzlich gegrüsst, tu viel Gutes für Dich und....
verlier das Weinen nicht.
Bernd

P.s.
Ich habe nun gar nichts von meiner Zwillingsschwester erzählt. Deren Mann nach Ihrer Krebsdiagnose erst mal zum Tennisspielen gefahren ist. Und alle waren so stolz, wie normal es weiter geht. Ich hätte fasst vor Wut in den Telefonhörer gebissen.
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