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Alt 03.11.2017, 14:17
Disco Disco ist offline
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Standard Meine Geschichte, chromophobes Nierenzellkarzinom

Am 02.08.2017 wurde bei mir aus der rechten Niere ein ca. 4x5 cm großes, chromophobes Nierenzellkarzinom im Stadium pT1b cN0 cM0 G2 R0 organerhaltend heraus operiert.

Bin noch dabei alles drum und dran zu verarbeiten und möchte meine Geschichte hier gerne mit anderen teilen. Wenn es anderen in irgendeiner weise weiterhilft, wäre dies schön.

Bin 34 Jahre alt, glücklicher Vater einer kleinen Tochter und war bisher noch nie ernsthaft krank. Hab nie geraucht, seit 8 Jahren keinen Alkohol mehr getrunken. Bin zwar nicht sonderlich sportlich, aber Gesundheit und das tägliche "funktionieren" im Alltag war für mich stets eine Selbstverständlichkeit.

Angefangen haben meine Symptome ganz subtil: seit 2015 gelegentliches Drücken und stechen in der rechten Nierengegend, als wenn man mal etwas zu wenig getrunken hat. Ab Sommer 2016 ständiges Durstgefühl und daher nachts ständiger Gang zur Toilette. Seit Oktober 2016 einsetzende starke Müdigkeit, Antriebsschwäche, starke Kreislaufschwankungen. Ab Januar 2017 eigentlich fast tägliches Druckgefühl in der rechten Niere Gegend, stärker werdender Nachtschweiß.

Typisch Mann, was soll ich beim Arzt?
Anfang Februar 2017 wurde mir jedoch langsam mulmig und die Beschwerden immer intensiver und bin mit meiner Vermutung auf Diabetes zum Hausarzt. Der macht ein Check up für Männer ab 35, Ultraschall, ca. 5 cm Tumor in der rechten Niere gefunden!
Der Arzt hielt es für ein gutartiges, Angiomyolipom (ich glaubte ihm gern!) und wollte es selber alle 6 Monate per Ultraschall im Auge behalten. Ein CT etc. oder eine Überweisung zum Urologen zur weiteren Abklärung hielt er nicht für notwendig!
Ich blieb dennoch hartnäckig und mit einem leichten Augenrollen bekam ich doch noch die Überweisung.

Für Anfang März 2017 bekam ich endlich einen Termin bei dem von mir ausgewählten Fachmann, der wirkte schon etwas besorgt und schickte mich zum CT.
Nochmal 2 Wochen warten auf CT Termin mit dem Ergebnis unklare Raumforderung, aufgrund der "Darstellung am ehesten ein Angiomyolipom, weitere Abklärung empfehlenswert".
Dazwischen zig Besuche beim Urologen und zweiter Meinung beim Professor in der Klinik. Anfang Juli Ultraschall gestützte Biopsie (ich hätte auf die CT gestützte Variante bestehen sollen), nicht sonderlich angenehm aber schnell vorbei.
Ergebnis jedenfalls: feinstes Nierengewebe. Ich freue mich erst, dann dämmert es mir, der Tumor wurde gar nicht erwischt. Mir wird zur "Freilegung der Niere" geraten, Laparoskopisch wird nicht empfohlen, da der Tumor unklar ist und man erst während der OP entscheiden kann, ob Nierenerhaltend operiert werden kann.
Nach 2 unruhigen Nächten entscheide ich mich zur OP.

Für alle Ärzte im KH bin ich ein besonderer Fall, interessante Tumordarstellung, junger Patient und viel zur früh für einen "gutartigen" und O-TON "Altherren" Nierentumor; werde herum gereicht wie in einer Vorlesung und irgendwie gar nicht als Mensch wahrgenommen.
In der ganzen Zeit bis jetzt hat mir dieses Forum geholfen, ich war stiller Leser und konnte mich hier informieren und den Ärzten und der möglichen bösartigen Erkrankung besser begegnen. Danke!

01.08.2017 ins Krankenhaus, Voruntersuchungen. Chefarzt kommt abends rein und sagt er operiert mich persönlich ("interessanter Fall" - mein Glück).

02.08.2017 2 Stunden OP. Wache im Aufwachraum auf, fühle mich richtig von einer Last in mir befreit. Habe starke Schmerzen, erhalte aber keine Schmerzpumpe, wie es mir der Chefarzt einen Tag zuvor von sich aus versprochen hat. Nach 3 Stunden Hartnäckigkeit hab ich meinen Willen gekriegt Lasst euch nicht einfach abspeisen.

03.08.2017 Bin noch benebelt von der Schmerzpumpe (Super Erfindung, nehmt es an!) und kaum wach. Ein wildfremder Arzt kommt rein, ich verstehe nur Wortfetzen "gut gelaufen...Teilniere noch da...Bösartig..." und weg ist er. Stehe unter schock, seine Worte wabern langsam wie Honig immer wieder durch meinen Schädel. Nach einigen Minuten heule ich wie ein Wasserfall. Ich riss mich schnell wieder zusammen und verlangte nochmal den Arzt zu sprechen. Der kommt aber nicht.
Späten Nachmittag erscheint der Chefarzt, der Tumor war genau an einer unglücklichen Stelle in der Mitte der Niere, dass diese wohl komplett entfernt hätte werden müssen. Er war dabei ins Nierenbecken einzubrechen, kein Wunder das die Schmerzen im Monat vor der OP langsam fies wurden.
Haben die Niere gerade noch so retten können. Es ist nur noch ein gutes Drittel vorhanden. Aber ich bin froh und bin ihm heute noch dankbar.
Mental gesehen hat mich die OP schon schwer getroffen, bin etwas traumatisiert. Habe nachts Albträume, das Leute in OP Kleidung kommen und mich gegen meinen Willen noch im Bett wieder aufschneiden. Krasser Sch... :-/

07.08.2017 Die Tage verliefen gut, werde täglich mobiler, Esse aber kaum was, KH halt. Bemerke beim Frühstück zufällig wie mein Schlauch vom Blasenkatheter Rot ist. Lege mich aufs Bett und bekomme minütlich stärkere werdende, Kolik-artige Schmerzen. Habe in meinem Leben noch nie solche Schmerzen gehabt, hab gekrampft und dachte ich klappe gleich zusammen.
Notfall CT, arterielle Blutung in der operierten Niere, bekomme ein Wundermittel als Infusion und die Blutung wird langsam weniger. Gott sei dank, der OP wurde schon angefragt.

12.08.2017 Endlich Entlassungstag. Mein bester Freund kam extra 500 km angereist zum Überraschungsbesuch. Die ganze Familie ist da. Am Esstisch kullern mir kurz die Tränen, langsam kann ich mich mental sacken lassen.

19.08.2017 34. Geburtstag mit der Familie. Bin froh noch am Leben zu sein, ja so ist es. Es muss immer weiter gehen, das ist mein Antrieb. Ich "hatte" Krebs, das ist mir wichtig. Besonders meine kleine Tochter hilft mir immer zu lächeln und positiv zu sein

Ab 24.08.2017 4 Wochen Reha, würde ich jederzeit wieder machen denn mich hat es schnell wieder fit gemacht. Danach noch 4 Wochen daheim und ich habe die Zeit gebraucht, auch mental. Lasst euch nicht von Ärzten, Krankenkassen (!!) oder sonst wen drängeln wegen schnell, schnell arbeiten gehen. Ihr entscheidet das!

Seit 26.10.2017 arbeite ich wieder, auf Wiedereingliederung habe ich verzichtet (täglich 100 km Fahrtstrecke). Ich mache einiges anders als früher, Stress weise ich von mir. Karriere interessiert mich gerade gar nicht.
Bin noch dabei mein eigenes Tempo im Leben zu finden, momentan geht es mir gut. Gesundheit und meine Familie, einen anderen Fokus habe ich nicht mehr.

Aber eines ist noch:
Im Entlassungsbrief des Krankenhauses lese ich, das beim Notfall CT eine "unklare Raumforderung der linken Nebenniere" entdeckt wurde. "Ergänzende Diagnostik mittels MRT (chemical-shift) empfohlen".

Dieser Untersuchung laufe ich seit der Entlassung hinterher (kostet ja alles Geld, traurig aber wahr), ggf. bekomme ich Sie im Januar 2018. Mich belastet das sehr, da ich nicht weis, ob hier das nächste Kapitel der Geschichte wartet oder nicht.

Ich merke aber, das die Ärzte bei mir kein Risiko sehen, da chromophobe NZK selten streuen. Das ist richtig, aber es gibt immer Ausnahmen und Krebs interessiert sich für keine Statistiken. Daher ist es umso aufwändiger Gehör zu finden, man braucht wirklich Kraft und Nerven dafür. Aber es geht ja um meine Gesundheit und von daher

Euch allen alles Liebe,
Disco

Geändert von Disco (12.12.2017 um 23:59 Uhr) Grund: NB
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