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Alt 17.08.2007, 16:19
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Claudia C. Claudia C. ist offline
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Standard AW: Hoffnungslos? Die sicherlich immer wiederkehrende Frage

Lieber Mikel,

ich habe Deine Beiträge erst gestern gelesen und möchte Dir auch schreiben.

Ich habe selbst meinen Vater vor fast 2 Jahren verloren, alles ging damals recht schnell, zwischen Diagnose des Lungenkrebses und der vielen Metastasen und seinem Tod lagen grade mal 6 Wochen. Und irgendwie wussten wir damals alle, dass es verdammt ernst ist...und zum Glück war auch er die letzten 4 Tage zuhause.
Zwar konnte er auch nicht mehr viel reagieren, aber an seinen Augen habe ich gesehen, dass er weiß, dass wir da sind. Nachts habe ich abwechselnd mit meiner Mutter 'Nachtwache' an seinem Bett gehalten. Das waren traurige, aber doch auch sehr schöne und innige Momente, die ich immer in Erinnerung behalten werde.

Ach Mensch, ich könnte viel dazu schreiben...aber für mich ist das Allerwichtigste, das was mir auch heute noch Trost gibt, dass er zuhause gestorben ist, dass wir bei ihm waren, dass wir seine Hand gehalten haben und er keine körperlichen Schmerzen ertragen musste (mein Vater hatte auch Morphiumpflaster). Dass uns das möglich war. Dass er einen - auch wenn's paradox klingt - 'schönen' Tod hatte.

Mein Bruder war damals ziemlich anderer Meinung als ich, er hatte auch große Ängste, wie er sich erst hinterher selbst eingestehen konnte. Oder dass wir meine Mutter überfordern könnten mit der "Pflege" zuhause. Dabei war eigentlich klar, dass es keine wochenlange Pflegesituation werden würde... Er konnte das aber wohl damals so nicht akzeptieren. Keine Ahnung, warum ich da so anders mit umgehen konnte. Ich aber wiederum wollte meinem Vater einfach nur seinen letzten Wunsch ("gestorben wird zuhause") unbedingt möglich machen und bin dann eben auch mit meinem kleinen Sohn diese 4 Tage gekommen. Sein einziger Enkel dazu, zu dem er eine besondere Beziehung hatte.

Im Nachhinein war mein Bruder natürlich auch sehr froh, wie es dann gekommen ist und dass mein Vater so friedlich von uns gehen konnte. Mir hat es auch sehr geholfen, dass mein Mann mich unterstützt hat in dem was ich tue und für richtig halte.

In diesen letzten Tagen, Stunden...kann und darf alles möglich sein. Es gibt beim Sterben kein falsch oder richtig! So wie es für Dich und Deine Mutter gut ist, so ist es auch für Euch richtig. Egal, was andere Menschen sagen.

Ich weiß, wie weh es tut, zum ersten Mal ein Elternteil zu verlieren, aber genau aus diesem Grund möchte ich Dir gern sagen, dass Du versuchen solltest, es zu akzeptieren. Dass Du Dir bewusst machst, dass es wohl kein Zurück gibt, dass Du Deiner Mutter unbedingt das noch sagst oder ihr zeigst, was Du loswerden möchtest. Damit Du nicht wegen der verpassten Gelegenheit noch trauriger wirst.

Ich habe damals einiges über Tod und Sterben gelesen, während mein Vater noch in der Klinik lag und mit Bestrahlung palliativ behandelt wurde...u.a. Bücher von Elisabeth Kübler-Ross (Interviews mit Sterbenden), das half mir. Mein Bruder wollte davon auch nichts wissen. So geht eben jeder anders mit seinem Schmerz, seiner Trauer um.

Damals hab ich sogar gedacht, dass ich für mein eigenes Sterben ein bisschen was gelerbt habe...aber ganz so ist es doch nicht. Jetzt hatte ich letztes Jahr selbst die Diagnose (Brust)Krebs und komme bisher sehr gut damit klar. Ich sehe manchmal meinen Vater vor mir, der so gar keine Angst vorm Sterben zu haben schien. Das finde ich heute noch sehr beeindruckend.

So, mehr will ich gar nicht schreiben. Deine Zeit ist zu kostbar, nutze sie mit Deiner Mum und ich schick Euch beiden tausend liebe Gedanken!

Sie kann jedenfalls sehr glücklich sein, so 'n tollen Sohn zu haben!!!

Alles Liebe für Deine Mutter und für Dich!

Claudia
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