Einzelnen Beitrag anzeigen
  #4  
Alt 17.06.2007, 15:30
Benutzerbild von Susanne28
Susanne28 Susanne28 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 20.02.2006
Ort: Nordhessen
Beiträge: 285
Standard AW: Wenn die Psyche nicht mehr mitspielt....

Lieber Jens,
es muss ja nicht so kommen, bei meinem Vater hat es auch längere Zeit gedauert und wir sehen sehr erschreckende Parallelen zu seinen Eltern.... Und du selbst darfst dich nicht verrückt machen, ich hab in den 16 Monaten Erkrankung meines Vaters auch viel zu viel über viel zu viele Krankheiten gelesen und vor allem eins gelernt: Im Zweifelsfall weiß man gar nicht, dass man krank ist. Man verliert den Glauben an die eigene Unverwundbarkeit, den man ja irgendwie zuvor so mit sich herum trägt... Aber trotzdem darf man sich davon nicht verrückt machen lassen und dank meines Vaters hab ich auch gar keine Zeit mich wirklich um mich selbst verrückt zu machen... geschweige denn zum Arzt zu gehen, ich hab quasi nicht mal Zeit für eine simple Erkältung, so blöd das jetzt klingen mag. Hinzu kommt, dass ich an der Arbeit auch nur schwer fehlen kann... Naja, mach dich jedenfalls nicht verrückt und versuch deinen Vater besser IM Leben zu halten, als wir das geschafft haben...!

Liebe Ulla,
leider ist es nicht mal so, dass mein Vater dies alles nicht wüsste, wir es nicht schon sooft besprochen und erklärt hätten. Kurzzeitig versteht er sogar mal was wir von ihm wollen, aber er kann es einfach nicht umsetzen, es ist zum Verzweifeln. Dabei schöpfen wir immer mal Hoffnung, neulich hat er z.B. vergessen sein großes Pflaster zu wechseln und hat es erst 24 Std später zufällig gemerkt, er hatte somit nur noch ein halbes, wirksames Pflaster kleben und hatte nicht mehr Schmerzen... Aber so etwas will er sich gar nicht dauernd vor Augen führen... lieber all das Schlechte. Wir sind jetzt etwas härter zu ihm, haben u.a. dieses blöde Bett endlich abgebaut- da muss man sich ja krank fühlen, welcher normale Mensch schläft im Wohnzimmer. Aber in schlechten Momenten wirft er uns vor wir würden ihn quälen, wenn wir ihm nicht sofort seine Medikamente holen, er droht dann sich umzubringen, alles hätte keinen Sinn, er bräuchte Menschen die ihm helfen, will den Arzt rufen,ins Krankenhaus.... Er tut sogar so als würde er weinen, wirklich er tut so! In der nächsten Sekunde ist er völlig normal, kurz zuvor ist er so jämmerlich drauf wie ein Kleinkind, dem man etwas wegnimmt oder nicht gibt... Ich merke langsam wie er mir in solchen Situationen nicht mal mehr leid tut.... In drei Wochen bekomme ich Urlaub, eigentlich hatte ich meinen Eltern versprochen ein paar Tage in unser Ferienhaus mit Ihnen zu fahren, weil sie dort seit kurz vor der Diagnose nicht mehr waren, wir dachten auch das wäre ein Ansporn für ihn. Naja, mittlerweile überlegen meine Mutter und ich ob wir nicht alleine fahren und ihn zu seiner Mutter und Schwester geben- das sind die egoistischsten und nervigsten Menschen die ich kenne, vielleicht kommt er dort zur Besinnung.... Tja, vermutlich machen wir einfach alles falsch, sind dort zu nett, und dort zu hart, aber leider wurde meinem Vater auch kein Handbuch beigelegt.....
Liebe Grüße Susanne- mit einen dicken Dankeschön!
Mit Zitat antworten