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Alt 17.02.2011, 18:59
Heino* Heino* ist offline
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Standard AW: Mutmach-Geschichten - Erfahrungsberichte Nierenzellkarzinom

Heino, Jahrgang 1946
Verheiratet, 3 Töchter, 6 Enkel.
Beruf: Planungsingenieur

Datum/ Zeitraum Problem/Befund Therapie / Maßnahme
1992 12 Nierenkolik, Abgang Gewebe-Gerinnsel Schmerzmittel, Untersuchung des Gewebes: o.B.
1993 03 Nierenkolik, Blut im Urin radikale Nephrektomie Prof. B. Krh Siloah, Hannover
1993 04 NZK-Metastasen in der rechten Lunge Thorax-OP, 4 Keilresektionen Lunge und Metastasenresektion Zwerchfell
1993 07 Vorsorglich vom Prof. veranlasst. autologe Tumorvakzinierung
1994 08 Reha-Maßnahme
1994 12 CT-Bericht äußert Verdacht auf Rundherde Gespräch mit dem Urologen
1995 03 CT zeigt neue Metastasen in der Lunge Gespräch mit dem Thoraxchirurgen
1995 08 Biopsie im Heidehaus bestätigt: NZK
1995 09 bis 1996 05 mehrere Metastasen in der rechten Lunge sind gewachsen. Immun-Chemo-Therapie im Rahmen einer Studie
1996 02 CT vom 26.Febr.: keine Metastasen mehr! Großer Jubel!
1996 04 bis 2003 05 Schilddrüsen-Unterfunktion durch IMT Zufuhr künstlicher Schilddrüsenhormone
1996 06 Reha-Maßnahme
1997 06 Reha-Maßnahme
2001 01 mir fällt eine Verdickung in der OP-Narbe unter der rechten Achsel auf. Der Hausarzt und ich halten das für Narbengewebe. keine
2004 07 bis 08 verschleppte Erkältung führt zu Streptokokken-Sepsis
Biopsie eines vergrößerten Lymphknotens im Mediastinum zeigt Tumor-Gewebe vom NZK!
2004 09 im Krankenhaus wird erkannt, dass die inzwischen faustgroße Verdickung an der rechten Thorax-Wand ein Tumor mit sehr starker Blutgefäßbildung ist. Operative Entfernung des Tumors an der rechten Thoraxwand. Histoloie: Metastase des bekannten hellzelligen Nierenzellkarzinoms
2004 10 Anschlussheilbehandlung
2005 01 bis 2007 03 im Thorax finden sich mehrere Metastasen und ein vergrößerter Lymphknoten im Mediastinum IMT 4 Durchgänge (mit nachlassender Wirkung)
2006 11 Am Hinterkopf fühle ich eine Beule wachsen. Entfernung von 2 Metastasen am rechten Hinterkopf.
2007 06 Metastasen wachsen, Lymphknoten (65 mm Durchm.) bedroht den Aortenbogen. Resektion des mediastinalen Tumors im aortopulmonalen Fenster links mittels Laser-resektion via antero-lateraler Thorakotomie links.
2007 07 AHB
2007 07 bis 2007 11 Stimmbandnerv links wurde bei der OP durchtrennt, deshalb bin ich ohne Stimme! Logopädie mit Reizstrombehandlung der Stimmbänder. Nach 36 Sitzungen kann ich wieder sprechen.
2007 11 ich will endlich Metastasenfrei sein! Resektion mehrerer Metastasen rechte Lunge mittels Laserresektion via antero-lateraler Thorakotomie rechts. 2008 03 PET: vorgefundene Metastasen weisen keinen erhöhten FDG-Stoffwechsel auf, deshalb stabiler Krankheitszustand in stabiler Ruhephase.
2008 07 CT-Befund:Neu aufgetretene disseminierte bipulmonale Metastasierung bis 34 mm im linken hilus-nahen Oberlappen mit Thoraxwandinfiltration und Destruktion der 8. Rippe links. Ebenfalls neu aufgetretene mediastinale konglomerat-artige Lymphadenopathie bis 39 mm im aorto-pulmonalen Fenster. Konsolidierte Frakturen der ventro-lateralen 4. und 5. Rippe links. 1. Durchgang Sunitinib 50mg/Tag
2008 12 CT-Befund: Die Metastasen sind weg, die Destruktion der 8. Rippe ist rückläufig. weiter mit 5. Kurs Sunitinib 50mg/Tag
2009 07 Die Nebenwirkungen von Sunitinib werden zu stark, die Füße tun besonders weh! CT-Befunde sind OK, 8. Rippe ist wieder ganz! ab 10. Kurs Sunitinib mit 37,5mg/Tag
2010 04 Auch mit 37,5mg sind die Nebenwirkungen erheblich. ab 16. Kurs weiter Sunitinib mit 25mg/Tag
2010 05 CT-Befund: 3 neue Metastasen! ab sofort wieder Sunitinib mit 50mg/Tag
2010 09 CT-Befund: Metastasen werden kleiner weiter mit Sunitinib 50mg/Tag (20. Kurs)
2010 12 CT-Befund: keine Rundherde mehr. weiter mit Sunitinib 50mg/Tag (22. Kurs)
2011 02 Die Nebenwirkungen sind stark, aber ich ertrage sie! weiter mit Sunitinib 50mg/Tag (24. Kurs)

Meine Mutmachgeschichte

Anfang März 1993 waren meine Frau und ich damit beschäftigt, die Hochzeit unserer ältesten Tochter am 19. März vorzubereiten. Wir hatten alles im Griff, sogar das „Traumauto“, das ich als Brautwagen gedacht hatte, war organisiert: ein Hanomag-Rekord Kabrio von 1935 (aus dem Werk, in dem ich damals seit 10 Jahren tätig war). Am Sonntag, 7. März überfiel mich eine heftige Nierenkolik und erinnerte mich daran, dass ich im Jahr zuvor etwas ähnliches erlebt hatte, und immer noch nicht bei einem Urologen gewesen war. Beim Notarzt erhielt ich eine Schmerzspritze, und die dringende Ermahnung, mich umgehend bei einem Facharzt vorzustellen. Es ging mir nach einigen Stunden besser, trotzdem rief ich am Montag vom Büro aus den Urologen an, der von meinem Büro aus am leichtesten zu erreichen war und bekam für den kommenden Donnerstag einen Nachmittagstermin. (Im Nachhinein bin ich dem Zufall immer noch dankbar, an genau diesen Arzt geraten zu sein). Am Mittwoch hatte ich in Brüssel zu tun. Dort stellte ich in einer Pause fest, dass ich offenbar viel Blut im Urin hatte. Ich hatte ansonsten keine Beschwerden, bekam aber mächtig Angst. Ich beruhigte mich jedoch mit dem vereinbarten Termin am nächsten Nachmittag und brachte meine Gespräche wie geplant zu Ende. Am nächsten Morgen in Hannover war ich in einer größeren Besprechung, als mich wieder eine heftige Kolik überfiel. Ich fuhr sofort zu dem Urologen, der sich auch gleich um mich kümmerte. Nach einer Schmerzspritze fand er mit seinem Röntgengerät ein riesiges Gebilde statt der rechten Niere. Er vereinbarte für sofort(!) mit der Radiologie Termin, wo ein CT vom Abdomen genommen wurde (wg. der vorab beim Urologen erhaltenen Kontrastmittel konnte vom Thorax kein CT gemacht werden). Das Ergebnis hielt ich gegen Mittag in Händen und bin dann zurück zum Urologen.
Der Urologe erläuterte mir das Ergebnis und schlug vor, möglichst rasch den Tumor entfernen zu lassen. Dabei würde voraussichtlich die Niere mitsamt Nebenniere entfernt werden müssen, aber er sagte mir auch, dass man mit nur einer Niere gut leben kann. Gemeinsam wählten wir dann das Krankenhaus aus, wo er mich für den gleichen Tag anmeldete. (Ich habe eine Zusatz-versicherung, dass ich stationär Privatpatient bin, da sind rasche Termine kein Problem.) Als ich ihn am Ende nach einer Prognose fragte, hat er mir (zum Glück) nicht geantwortet.
Auf dem Heimweg wurde mir klar, dass ich noch Zeit brauche, wieder Boden unter die Füße zu bekommen und meiner Frau und den Kindern diese Nachricht halbwegs gefasst sagen zu können. Ich hielt also unterwegs beim Friseur zum Haareschneiden an und konnte so noch eine halbe Stunde Klarheit im Kopf schaffen. Zuhause empfing mich meine Frau zunächst irritiert, dass ich so früh heimkam. Nachdem ich ihr berichtet habe, konnte ich endlich die Tränen laufen lassen, sie hat mich fest gehalten und ich spürte, dass ich schon wieder Kraft und Zukunftswillen gewann. Am Abend haben meine Frau und unsere mittlere Tochter mich dann ins KH gefahren. Nach anfänglichen ausführlichen Untersuchungen mit Ultraschall kam ich dann in mein Zimmer. Die Privatstation von Prof. B. war in einem alten Bau mit „hochherrschaftlicher“ Ausstattung untergebracht, mein Einzelzimmer war riesig, und der Chef, ein schon älterer Herr, hatte um sich offenbar die hübschesten Schwestern der Klinik versammelt, ich hab’ das sehr genossen! Die Ärzte entschlossen sich, mit meiner OP zu warten, bis die Blutungen in der Niere aufgehört hätten und machten deshalb alle Vorbereitungen zur OP ohne Zeitdruck. Ich selbst hatte dadurch Zeit, meinen Gedanken nachzugehen, was denn diese Erkrankung mir sagen wollte. Insbesondere fragte ich mich, was ich ändern oder besser machen könnte. Neben dem Vorsatz, künftig mehr auf meine Gesundheit zu achten, blieben nur 2 Dinge, die ich ändern musste:
Vermeide Stress bzw. entwickle Methoden, solche Belastungen „abperlen“ zu lassen und zweitens: Hör’ sofort mit dem Rauchen auf. Am 15.3. habe ich meine letzte Zigarette geraucht, später brauchte ich noch lange Zeit viel Kaugummi oder Lakritze.
Am 16.3. wurde mir dann die Niere mit dem Tumor und der Nebenniere durch einen großen Flankenschnitt entfernt. Die Pathologie berichtete später: „Klarzelliges Nierenzellkarzinom, mäßig differenziert.“ Das Gewicht wurde mit 1.500 Gramm angegeben. Eine schematische Klassifikation war damals wohl noch nicht so verbreitet. Als ich nach der OP im Aufwachraum zu mir kam, war meine liebe Frau bei mir, das hat mir sehr gut getan! Wir achten seitdem immer darauf, dass nach Operationen der Partner da ist, das Pflegepersonal auf der IST muss dafür gelegentlich überredet werden, aber bisher hat das immer geklappt.
Weil ich ja nun bei der Hochzeit unserer Ältesten nicht dabei sein konnte, haben wir den Ablauf ein wenig variiert: Der Brautwagen holte meine Tochter beim Krankenhaus ab (sie hatte dadurch 30 km zusätzliche Fahrt in dem liebevoll restaurierten Hanomag bis zu unserer kleinen Dorfkirche), sie zog sich bei mir im Zimmer um und ein Pfleger brachte mich nach unten an den Wagen, damit ich dabei sein konnte, als sie abfuhr. Unser Pastor hatte mir einen Umschlag dagelassen, den ich um 16:00 Uhr öffnen sollte, darin war seine Ansprache zur Trauung aufgeschrieben.
Nach dem Wochenende wurde dann vom Krankenhaus die Vervollständigung der Diagnose betrieben: Schädel- und Thorax-CT ergab: 4 Metastasen in der rechten Lunge, Schädel ohne Befund. Auch das Skelett-Szintigramm ergab: alles OK. Also wurde mir vorgeschlagen, möglichst rasch die Lunge operieren zu lassen. In Hannover gibt es eine spezielle Lungenklinik. Dort hatte ich dann für den 15. April einen Termin zur Aufnahme.
Prof. B. mochte sich nicht damit abfinden, dass es für das NZK damals außer der OP überhaupt keine Behandlungsoptionen gab, er stellte mich auch seinen Kollegen an der MHH, insbesondere den Radiologen vor, aber es gab damals nichts! Immerhin fand er eine Gruppe von Ärzten, die damals schon Versuche unternahmen, mit „autologer Tumorvakzinierung“ dem Krebs beizukommen. Sie erhielten von meinem Tumor Gewebe, um daraus einen spezifischen Impfstoff herzustellen. Im Sommer, wenn ich mich von der Lungen-OP erholt hätte sollte ich dann 10 Impfungen damit erhalten, in der Hoffnung, damit neue Metastasierungen zu verhindern.
Zwischen der Entlassung aus der Urologie und dem Einrücken in die Lungenklinik hatte ich Zeit, mit meinem Arbeitgeber zu klären, wie wir meine weitere Verwendung gestalten wollen. Der große Karrieresprung, der vorher im Raum gestanden hatte, war ja nun erledigt. Wir erarbeiteten ein neues Aufgabengebiet, das mit weniger Stress verbunden sein würde.
Nachdem ich in der Lungenklinik 1 Woche mit Gymnastik, Inhalationen und Atemübungen vorbereitet worden war, wurde ich am 23.4. 1993 an der rechten Lunge operiert. Am Abend nach der OP kam einer der Assistenzärzte (ein Belgier) mit der Geige in die Intensiv-Station und brachte uns frisch operierten ein Ständchen. Er hatte dem Chef assistiert und berichtete mir: „Alles ist gut verlaufen, es wurden 4 Keilschnitte vorgenommen. Zusätzlich musste aus dem Zwerchfell ein größeres Stück mit Knoten herausgenommen werden.“ Ich konnte schon am 2. Tag die ITS verlassen und wurde am 10. Tag nach OP entlassen. Der Chefarzt verabschiedete mich mit dem Versprechen: „Wir haben Ihren Thorax sehr gründlich durchgearbeitet, da wird ganz sicher nichts mehr kommen!“ Ich erholte mich gut 1 Woche zuhause und ging dann mit frischem Mut wieder ins Büro (Anschlussheilbehandlung war damals nicht bekannt).
Im Sommer ging es dann an die „Tumor-Impfung“. Die Kosten von rund 16.000,--DM waren keine Kassenleistung, aber ich konnte meine Krankenkasse in Verhandlungen dazu bewegen, 2-Drittel davon zu übernehmen. Mein Hausarzt erhielt einen Thermobehälter mit flüssigem Stickstoff, in dem die 10 Ampullen mit dem Serum lagerten. Jede zweite Nacht hieß es dann nach der Spritze am Abend mit Fieber, Schüttelfrost und Übelkeit ins Bett. Ob diese Behandlung einen Einfluss auf den weiteren Verlauf bei mir hatte, ist zweifelhaft, ich glaubte jedoch fest daran dass „nichts mehr kommt“, hielt mich aber brav an die Vorsorgetermine, die mein Urologe mir vorgab.

Nach dem Kontroll-CT Ende Dez. 1994 war ich also ganz gelassen. Am 5. Januar 1995 besuchten wir meinen Patensohn zu seinem Geburtstag, als mich der Anruf meines Urologen dort erreichte: Er berichtete mir, dass der Radiologe einen Verdacht geäußert hätte. Wir verabredeten einen Termin, bei dem wir dann ausmachten, ein weiteres CT im März zu nehmen, und dann zu entscheiden, wie wir damit umgehen. Das CT im März ergab dann tatsächlich 3 deutlich erkennbare Rundherde in der rechten Lunge. Ich suchte den Thorax-Chirurgen auf, der mir doch versprochen hatte: „...da wird nichts mehr kommen!“ und zeigte ihm die Bilder. Er riet mir, unter-suchen zu lassen, ob das Töchter meines NZK wären, oder womöglich etwas ganz neues. Im übrigen würde er bei so kleinen Rundherden anraten noch zuzuwarten und erst später erneut zu operieren. Die in seiner Klinik dann durchgeführte Biopsie ergab: Das entnommene Gewebe passt zu dem vorher operierten NZK.
Inzwischen hatte mein Urologe sich weiter umgetan und war auf eine jüngst begonnene Studie gestoßen, bei der die Zulassung der Immun-Chemo-Therapie zur Behandlung des Nierenzell-karzinoms erreicht werden sollte. Er klärte mit dem Prof., dass ich mich noch in die Studie aufnehmen lassen konnte, denn das war die erste realistische Chance, systemisch etwas gegen meinen Krebs zu unternehmen. Nach einem festen Schema wurden mir dann Interferon, Interleukin und 5FU verabreicht. Ein solcher Durchgang ging über 8 Wochen, dann gab es 4 Wochen Pause und der nächste Durchgang begann von vorn. Das war eine echte Tortur mit Fieber, Schüttelfrost, Übelkeit und Durchfall. Es ging dann buchstäblich 8 Wochen lang immer nur bergab. Nach der Lungen-OP hatte ich schon bemerkt, dass die Nieren-OP dagegen ein Spaziergang war, aber diese Therapie empfand ich als die Spitze der Belastung, ohne meine starke Frau an meiner Seite hätte ich das nicht durchgestanden! Die Ärzte erklärten mir, dass diese Therapie nur bei einem Drittel der Probanden Wirkung zeigen würde. Als nach dem ersten Durchgang die Kontrolluntersuchung ergab, dass sich Wirkung zeigte, waren wir natürlich sehr froh. Nach dem zweiten Durchgang waren die Metastasen im CT nicht mehr sichtbar. Das war eine Freude! Ich absolvierte noch einen dritten Durchgang, als mir dann aber „zur Sicherheit“ ein vierter Durchgang angeboten wurde, habe ich dankend abgelehnt.
Ich betrieb meine Nachsorge nun wieder mit meinem Urologen. Regelmäßig über 8 Jahre kam dabei immer wieder der Satz: „Keine verdächtigen Rundherde und vergrößerten Lymphknoten“, sodass ich mich selbst bald als geheilt betrachtete. Im März 2003, als ich mein „10jähriges Überleben“ feiern konnte, meldete ich mich beim Krebs-Kompass an. Durch die hier laufenden Diskussionen im Forum für Nierenkrebs konnte ich miterleben, dass endlich auch für unseren „seltenen“ Krebs Fortschritte in der Medizin zu verzeichnen waren. Ich habe dabei viel gelernt und viele liebe Freunde unter den Mitbetroffenen gefunden.
Im Sommer 2004, während wir an der Ostsee einen kurzen Urlaub verbrachten, musste ich mit Fieber und Schüttelfrost ins Bett. Ich konnte nichts essen oder trinken, es ging mir sehr schlecht. Meine Frau sorgte dafür, dass ich ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Dort fand man schnell heraus, was passiert war: Eine verschleppte Erkältung hatte sich zu einer Sepsis entwickelt, die bereits mein Herz bedrohte. Nach 7 Tagen Intensiv-Pflege im Krankenhaus konnte ich mich dann in das Heimat-Krankenhaus verlegen lassen, in dem unsere jüngste Tochter als Krankenschwester arbeitet. Die Behandlung der Sepsis dauert einige Wochen stationär, diese Zeit wollte ich nutzen nun doch einmal untersuchen zu lassen, ob man die Wucherung, die in der OP-Narbe seit der Lungen-OP gewachsen war, nicht entfernen könnte, denn sie störte mich mittlerweile. Im Nachhinein kann man sagen: Mein Schutzengel hat mir die Sepsis angetan, um mich endlich an dieses Problem heranzuführen. Es handelte sich um einen großen Tumor mit sehr starker Anbindung an die Blutgefäße. Zum Glück konnte er in einer 5-stündigen Operation entfernt werden, ohne dass die Funktionen des Armes und der rechten Hand beeinträchtigt wurden. Der Pathologe identifizierte auch hier das bekannte NZK, das erklärte auch meinen erhöhten Hämoglobin-Wert im Blut: Ich war durch das zusätzliche Nierengewebe wie mit EPO gedopt.
Der Radiologe hatte also all’ die Jahre immer nur auf die Weichteile geachtet, meine „Fettleber“ moniert und die Degeneration der Wirbelsäule beschrieben, aber niemals die Thoraxwand angeschaut! Ich habe daraufhin das Institut gewechselt.
Weil mittels Biopsie klar war, dass der vergrößerte Lymphknoten im Mediastinum nahe am Aortenbogen ebenfalls entartetes Nierenzellgewebe enthielt, musste ich mir also wieder einen Onkologen suchen. In der Onkologie im Krankenhaus in Hannover fand ich als Chefarzt jenen Arzt wieder, der seinerzeit bei der Studie zur Freigabe der IMT mitgewirkt hatte. Bei ihm konnte ich sicher sein, dass er sich mit Nierenkrebs auskennt. Auch, wenn das Procedere etwas umständlich ist: Mein Hausarzt überweist mich zu einem niedergelassenen Onkologen und der überweist mich dann zu diesem Arzt in die onkologische Ambulanz, ich fühle mich dort gut aufgehoben.
Wir haben zunächst abgewartet, ob der Knoten weiter wächst. Als dann im Dezember 2004 das CT neue Metastasen in der Lunge und ein weiteres Wachstum des Lymphknotens beschrieb, starteten wir im Januar 2005 einen neuen Durchgang der IMT. Die Metastasen wurden kleiner, aber der Lymphknoten verharrte bei ca 35 mm. Als ich im Herbst 2006 am Hinterkopf eine Beule wachsen spürte, ließ ich diese im November operativ entfernen, darin waren 2 Kirschkerngroße Metastasen des NKZ, die in der Schwarte der Kopfhaut gewachsen waren. Mit großen Abständen absolvierte ich 3 weitere Kurse der IMT, am Ende war zwar bei den Metastasen Stillstand zu verzeichnen, der Lymphknoten war aber inzwischen auf ca 60 mm angewachsen. Damals waren zwar Nexavar und Sutent im Gespräch, aber eine Zulassung zur Behandlung von Nierenkrebs gab es noch nicht. Ich hatte auch noch nicht vor, zu diesen neuen Medikamenten zu wechseln, weil ich mich fürchtete, dann bis zum Lebensende darauf angewiesen zu sein. Deshalb bat ich Dr. K., meinen Fall in der Thorax-Konferenz vorzulegen. Der Chefarzt der Thorax-Chirurgie teilte mit: „Das kann man heutzutage mittels Laserskalpell operieren.“ Im Juni 2007 wurde ich also an der linken Seite des Thorax operiert. Hierbei wurde der große Lymphknoten entfernt. Er hatte bereits den Aortenbogen bedroht, es war also höchste Zeit, dass er heraus kam. Leider musste dabei der sogenannte Nervus laryngeus recurrens durchtrennt werden, weil er in den Knoten eingewachsen war. Das linke Stimmband ist seitdem gelähmt, ich war völlig stumm! Das war für mich eine schlimme Erfahrung, dass man insbesondere in größerer Runde überhaupt nicht zu Wort kommt. Umso mehr war ich froh, dass ich nach etwa 15 Sitzungen bei der Logopädin die ersten noch unartikulierten Töne hervorbringen konnte! Nach 36 Sitzungen war meine Stimme soweit wiederhergestellt, dass jemand, der mich vorher nicht gekannt hat, nicht bemerkt, dass ich da eine Behinderung habe. Geblieben sind allerdings häufigere Probleme mit dem „Verschlucken“.
Im November 2007 ging ich dann wieder in die Lungenklinik, um nun auch die rechte Lunge von Metastasen befreien zu lassen. Die OP verlief ohne Probleme, schon nach 10 Tagen war ich wieder daheim, allerdings hing ich noch bis nach Silvester am Sauerstoff. Auf einen Antrag zur AHB habe ich verzichtet, weil das ja automatisch einem Rentenantrag gleichgekommen wäre, und ich wollte doch noch mindestens ein Jahr arbeiten und einen jungen Ingenieur in meinen Arbeitsbereich einweisen!
Im März 2008 wurde mittels PET-CT eine vollständige Aufnahme durchgeführt. Kopf, Abdomen und Skelett waren unauffällig, allerdings waren im Thorax wieder Metastasen erkennbar, die der Radiologe aber beschrieb als „sie weisen keinen erhöhten FDG-Stoffwechsel auf, deshalb stabiler Krankheitszustand in stabiler Ruhephase.“ Wir blieben wachsam, im Juli nahmen wir das nächste CT vom Thorax und nun war die Situation wieder dramatisch! Neue Metastasen bis 34 mm, eine davon hat schon meine 8. Rippe links angefressen! Jetzt mussten wir uns doch entschließen, zu den neuen Medikamenten zu greifen. Nach ausführlichen Beratungen entschieden wir uns für Sunitinib, nicht zuletzt, weil die in dieser Therapie vorgesehene regelmäßige Pause mir einige Sorgen wegen der Nebenwirkungen nahm.
Beim ersten Durchgang mit Sunitinib hatte ich erst gegen Ende ziemliche Probleme mit den Füßen, längere Wege zu Fuß wurden eine Qual. Ich war froh, dass ich vom Parkplatz ins Büro einen recht kurzen Weg hatte. Die übrigen Nebenwirkungen wurden mit der Anzahl Kurse deutlicher. Für mich ärgerlich ist, dass die Mundschleimhaut so empfindlich wird, dass die Kohlensäure in einem erfrischenden Weißbier heftige Schmerzen auslöst, ein echtes „Luxusproblem“ also! Aber: Nach 4 Kursen mit Sunitinib waren die Metastasen im CT nicht mehr sichtbar und die angefressene Rippe füllte sich wieder auf, da macht man dann doch gerne weiter! Nachdem ich entdeckt habe, wie hilfreich regelmäßige Besuche bei einer Fußpflegerin sind, lässt sich auch das “Fußsyndrom“ beherrschen. Es gibt eben regelmäßig ca. 2 Wochen, wo ich lange Fußmärsche vermeide.
Im ersten Jahr mit Sunitinib hatte ich den Eindruck, dass die Nebenwirkungen immer heftiger würden, deshalb reduzierte ich die Dosis zunächst auf 37,5 mg/Tag und im Mai 2010 sogar auf 25 mg, aber als dann im CT wieder Metastasen auftauchten, war ich ganz schnell wieder bei 50 mg am Tag! Jetzt habe ich gerade den 23. Kurs mit Sunitinib beendet, Im CT sind keine Rundherde und keine vergrößerten Lymphknoten beschrieben und mit den Nebenwirkungen komme ich immer besser klar. Ich hoffe, das bleibt so, dass ich weiter aktiv meinen ehrenamtlichen Engagements und meinen Hobbys nachgehen kann. Ich freue mich auf die nächsten Jahre!

Geändert von gitti2002 (03.11.2015 um 23:23 Uhr) Grund: Realnamen und private Daten entfernt